1. 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩
Zuallererst: Dies ist keine Mate-Geschichte!
Zweitens, denkt daran: Das ist das erste Kapitel. Ihr könnt hier meinen Schreibstil abschätzen, aber noch keine "Action" erwarten. 😉
Wenn ihr den nächsten Kapiteln eine Chance gebt, würde ich mich freuen.
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Aus dem Lehrbuch für Mystische Geschöpfe
*Kathlyn*
„Ich habe es volle Kanne versaut!" David setzte sich und vergrub stöhnend sein Gesicht in den Händen.
„Wieso? Was ist passiert?", fragte ich mitfühlend.
„Hab bloß kein Mitleid mit ihm Kathe, das hat er nicht verdient! Er hat nicht gelernt." Thea setzte sich ihm gegenüber. „Stell dir vor: Er hat Werwölfe als große, haarige Hunde mit Katzenkrallen beschrieben! Und dann wundert er sich, wenn er auf die Arbeit eine schlechte Note bekommt!"
„Wie soll ich denn etwas beschreiben, was ich noch nie gesehen habe? Im Lehrbuch sehen sie genau so aus!", verteidigte sich David.
„Genau. Sie heißen Werwölfe, nicht Werhunde! Das liegt daran, dass es riesige Wölfe sind, mit deutlich stärkerem Gebiss, größeren Klauen und viel mehr Kraft und Ausdauer. Genau so steht es im Lehrbuch. Vielleicht solltest du dir nicht nur die Bilder ansehen."
„Der Hund stammt vom Wolf ab, also lag ich gar nicht so daneben."
„Du hast nicht einmal das Abkommen gelernt, das Ilargia mit den Werwolfrudel hat. Und dabei ist das für unsere Stadt entscheidend!" Sie schüttelte seufzend den Kopf und wandte sich an mich: „Dem ist nicht mehr zu helfen. Wir nehmen zwei Kaffee. Ist ja nicht viel los heute."
„Nein." In dem Café, in dem ich als Kellnerin arbeitete, waren nur wenige Gäste. Davon waren die meisten Kids, wie meine beiden Freunde, die gerade von der Schule kamen. (Ich hatte das zum Glück schon hinter mir.) In der hinteren Ecke saßen noch drei Männer, die auch nur Kaffee wollten. Und das war's.
„Es ist wieder eine Ratsversammlung.", berichtete ich und verschwand hinter der Theke, um den Kaffee zu holen. Das Rathaus lag genau gegenüber.
„Schon wieder? Das scheint ernst zu sein." David biss sich auf die Unterlippe. „Meint ihr, der Alpha ist heute dabei?"
„Wohl eher nicht." Ich stellte die Tassen vor ihnen ab und da es nichts zu tun gab, setzte ich mich dazu. „Bisher hat er sich auch nicht blicken lassen. Zumindest hat das mein Vater gesagt."
„Das geht doch schon seit Monaten so. Ich habe gehört, unsere liebe Frau Bürgermeisterin verzweifelt langsam.", schnaubte Thea. „Seit dem Alphawechsel hat sich einiges verändert. Viele denken, dass er vorhat das Abkommen zu brechen."
„Das glaube ich nicht. Sein Vorgänger hat auch nie Probleme gemacht - immerhin sichert ihnen das Abkommen ihr Territorium. Siehst du, ich habe sehr wohl gelernt! Abgesehen davon, ist bisher doch gar nichts passiert!", erwiderte David.
„Irgendetwas muss passiert sein. Warum wären sie sonst schon wieder im Rathaus?", widersprach ich. „Das ist das dritte Mal diese Woche."
„Hat dein Vater nichts erwähnt?" Thea beugte sich interessiert vor.
„Nur die Geschichte mit dem verschwundenen Mann, und die kennt ihr bereits." Aber das schlug bestimmt nicht solche Wellen.
„Vielleicht haben die Wölfe etwas damit zu tun?", mutmaßte Thea und senkte verschwörerisch die Stimme. „Oder es geht um etwas ganz anderes: Ihr wisst ja, dass der neue Alpha aus einem anderen Rudel stammt. Aber habt ihr auch gewusst, dass sie nicht im Guten auseinander gegangen sind?"
„Wirklich?" David riss die Augen auf, während ich ein Augenrollen unterdrückte. Diese ganzen Geschichten gingen mir so auf die Nerven! Gab es eigentlich kein anderes Thema mehr?
„Ja!", fuhr Thea eifrig fort. „Außerdem war der alte Alpha sehr beliebt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Rudel den Neuen so einfach akzeptiert hat."
„Gibt es eigentlich noch Kaffee?", grollte einer der drei Männer aus der Ecke plötzlich und ich sprang von meinem Platz, schnappte mir die Kaffeekanne und ging zu den Dreien. Außer, dass sie Kaffee verlangt hatten, hatten sie noch kein Wort gesprochen. Nicht einmal miteinander. Komische Typen.
Während ich allen nachschenkte sah mich der, der gerufen hatte, mit seinen braunen Augen die ganze Zeit vorwurfsvoll an. Ich ignorierte es. Ich war schließlich nicht verpflichtet, gelangweilt hinter der Theke herumzustehen, bis es mal etwas zu tun gab. Er hingegen sollte dringend zum Friseur, seine dunkelblonden Haare wucherten ihm schon über die Ohren.
„Darf es sonst noch etwas sein?", fragte ich vorsorglich. Mein Blick wanderte von einem Paar eisblauer Augen zurück zu Braunauge, da ging die Cafétür auf und mein Vater kam herein.
„Kathlyn, ich muss sofort mit dir reden!", diktierte er ohne Umschweife in einer Lautstärke, die alle Blicke auf uns zogen, und bei der ich am liebsten beschämt im Boden versunken wäre. Er kam geradewegs aus dem Rathaus, wo er arbeitete. Und da er ebenfalls ein Ratsmitglied war, war er über alles Wichtige in Ilargia bestens informiert. Das bedeutete leider auch, dass das Wort 'überbesorgt' noch die Untertreibung des Jahrhunderts war.
„Dann bitte so, dass nicht der ganze Laden mithört!", zischte ich zurück und folgte ihm zur Theke.
„Wann ist deine Schicht zu Ende?", kam er gleich zum Thema. Er war noch nie der Typ gewesen, der lange um den heißen Brei redete. Normalerweise schätzte ich das an ihm, aber in manchen Situationen war es extrem nervig, oder (wie heute) peinlich.
„Um neun, wenn alles gut läuft." Woran ich momentan nicht den geringsten Zweifel hatte. Da gab es weitaus stressigere Tage.
„Das ist viel zu spät. Ich möchte, dass du eher gehst!" Meine Eltern vergaßen regelmäßig, dass ich mit meinen 19 Jahren schon längst volljährig war.
„Das geht nicht. Ich bin heute allein im Laden und ich muss abschließen."
„Das spielt keine Rolle, es wird sowieso eine Ausgangssperre verhängt. Deine Mutter weiß auch Bescheid. Sie hat Beth und Martin für heute Abend bereits abgesagt." Worüber mein Vater nicht sehr traurig klang.
Beth war Mom's Arbeitskollegin und noch dazu eine Freundin. Dadurch waren sie und ihr Mann Martin öfter bei uns - sehr zum Leidwesen meines Vaters, der mit Martin einfach nicht warm zu werden schien. Ich persönlich hatte den Verdacht, dass er sich vielleicht unbewusst von dessen Aussehen einschüchtern ließ. Martin war nämlich eine ‚Sahneschnitte', um es mit Theas Worten zu formulieren: Groß, breit gebaut, muskulös und recht gutaussehend. Mom wurde regelmäßig rot, wenn er mit ihr sprach.
Ich durchschaute die Taktik meines Vaters, mich mit diesen Nebensächlichkeiten ablenken zu wollen, sofort: „Eine Ausgangssperre? Wieso das?" Normalerweise gab es die immer zu Vollmond und ansonsten nur, wenn irgendetwas passiert war.
„Wir haben heute erfahren, dass an der Grenze tote Tiere gefunden wurden. Man hat sie übel zugerichtet. Außerdem ist immer noch ein Mann verschwunden, wie du weißt. Ich will nicht, dass du nach Einbruch der Dunkelheit allein draußen herum läufst!"
„Dad, es ist Ende September. Da wird es schon um sechs dunkel!"
„Diskutier bitte nicht! Es ist momentan einfach zu gefährlich."
„Glaubt ihr, dass die Wölfe etwas damit zu tun haben?"
Er wich meinem Blick aus. „Nein. Wir wissen nicht, was es war. Aber wir wissen, dass es definitiv weder ein Mensch, noch ein Tier war."
„Aha." Natürlich, wie sonst sollten sie eine Ausgangssperre begründen?
Wenn man Ilargia zufällig betrat würde man nicht glauben, mit welchen Geschichten und Problemen ich hier zu kämpfen hatte.
Unsere kleine Stadt war vollständig umgeben von einem dichten Mischwald, den zu betreten strengstens verboten war. Die nächstgrößere Stadt, Smokeville (wegen des dichten Nebels, in dem sie meist lag), war einige Autostunden entfernt. Einen Bus gab es nicht, wodurch wir auch nur selten hier raus kamen. Besucher aus anderen Städten waren ebenfalls selten, sie wurden nämlich gar nicht gern gesehen und extrem unfreundlich behandelt. Die Meisten fuhren sehr schnell weiter und ich konnte es ihnen nicht einmal übel nehmen. Man sagte nicht umsonst, Ilargia wäre am Fuß der Hölle gebaut worden. Mit anderen Worten: Wir wurden absichtlich abgeschottet und an die Stadt gebunden.
Um das Ganze zu begründen, hat sich irgendjemand folgende Legende ausgedacht: Vor einigen Jahrhunderten bestand dieser Ort nur aus zwei, drei Holzhütten. Das Leben im Wald war beschwerlich und, dank wilder Tiere, auch sehr gefährlich. Von einer blühenden Stadt konnte man nur träumen. Aber dann entdeckten die Bewohner, dass Werwölfe kein Mythos waren und dass ein Rudel im umstehenden Wald lebte. Aus Angst vor ihnen schlossen sie ein Abkommen. Die Wölfe versprachen, die Menschen in Ruhe zu lassen und sie zu beschützen. Die Menschen versprachen, das Geheimnis der Wölfe zu wahren und sie ebenfalls in Frieden zu lassen. Besiegelt wurde dieses Abkommen mit verschiedenen Gesetzen (beispielsweise das Verbot den Wald zu betreten, oder die Ausgangssperre bei Vollmond).
Ab da ging es mit Ilargia steil bergauf und inzwischen waren wir eine recht unabhängige Kleinstadt, die stetig weiter wuchs. Wir waren privilegiert, denn welche Stadt konnte sonst noch behaupten, Werwölfe als Verbündete zu haben?
Genau das wurde uns eingetrichtert, wie auch schon unseren Eltern vor uns. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen streute man noch wilde Gerüchte - wie das was Thea gehört hatte -, oder machte Werwölfe verantwortlich sobald etwas geschah, was man nicht sofort erklären konnte. Es gab sogar ein Unterrichtsfach, das uns diesen Blödsinn verinnerlichen sollte. Alles wurde darauf ausgelegt, dass wir uns als Teil von etwas Geheimen, etwas Besonderem sahen, das nicht infrage gestellt wurde.
Tja, bei mir funktionierte es nicht.
Ich hatte mich noch nie wirklich als ein Teil von Ilargia gefühlt, wenngleich ich hier meine Familie und Freunde hatte. Aber ich stand alldem inzwischen eher kritisch gegenüber und je älter ich wurde, desto schlimmer wurde es.
Niemand den ich kannte hatte je einen Werwolf gesehen. Nicht einmal mein Vater, der als Ratsmitglied mit ihnen zu tun hatte. Er kannte sie nur in menschlicher Gestalt, wie er betonte. (Und trotzdem glaubte er leider fest daran!) Genau die kamen übrigens auch immer aus dem Rathaus: Menschen. Ich sah da keinen Unterschied.
Und man konnte ja auch nicht in den Wald gehen, um einen Werwolf zu suchen. Wurde man nämlich erwischt, gab es mächtig Ärger und man wurde hart bestraft. (Eine Zeitlang war das ein Spiel bei den Jugendlichen gewesen, bis der erste dafür für zwei Wochen in eine Arrestzelle musste. Lächerlich, zumal niemand etwas gefunden oder gesehen hat.)
Kurzum: Ich glaubte dem Ganzen nicht. Und ich träumte davon, Ilargia so schnell wie möglich zu verlassen. Deshalb war es auch wichtig, dass ich meinen Job nicht verlor.
„Versprich es mir Kathlyn, sonst komme ich dich abholen!", warnte mein Vater ernst.
„Ich verspreche es.", log ich.
Hätte ich doch nur auf ihn gehört.
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