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H A I L E Y

Die Schüler bummelten in den beengten Gängen der Schule und laute Gespräche hallten zwischen den Spinden, die unterschiedlicher nicht aussehen konnten und dennoch langweilig waren, weil sie auf eine andere Art gleich waren - verwirrender Gedanke, ich weiß.

Genervt drängelte ich mich an diesen nervenden Menschen vorbei und versuchte mir meinen Weg aus dem Gebäude zu schaffen, ohne von irgendjemanden angesprochen zu werden, denn solange das starke Gefühl herrschte meine Englischklausur verhauen zu haben war bei mir nichts mit nett sein und das würde auch jeder dann zu spüren bekommen.

Dennoch musste ich einen winzigen Abstecher zu meinem geliebten Spind machen, um mein Pennyboard rauszuholen und zur Bibliothek zu fahren, damit ich den Rest des Tages mit lernen verbringen kann.

Mit der dröhnenden und entspannten Musik im Ohr schloss ich meinen Spind auf und wollte gerade nach meinem Board greifen, als mir ein weißer Briefumschlag entgegenkam und direkt vor meinen Füßen liegen blieb.

Die dünnen und zarten Striche des schwarzen Stiftes, welcher über die Ecken des rauen Briefumschlags getanzt hatte, verschönerten das einfache Papier und weckten meine Neugier, die mit jeder Sekunde, die ich auf den eckigen Umschlag schaute, stärker wurde.

Stirnrunzelnd setzte ich mich hin, nahm den dünnen Umschlag zwischen die Finger und betrachtete die feinen Buchstaben, die im sauberen und gedruckten Schriftzug meinen Namen darstellten. Doch auch die etwas kaputten Ecken und die paar dreckigen Stellen fielen mir ins Auge - der Brief machte mich kurios.

Samt Brief stand ich wieder auf und nahm mir mein Board aus dem Metallschrank, um dann direkt aus der Schule in die Bibliothek flüchten zu können. Während ich auf dem kleinen Board aus Plastik stand, packte ich das beschriebene und benutzte Papier in meinen schwarzen Rucksack, den ich wieder schulterte, und mit Schwung von dem Brett sprang, damit ich nicht noch auf den Treppen auf die Fresse flog.

Sobald ich ein Flügel der Türe aufgeschlagen hatte und die warme Sommerluft an meiner Haut kitzelte, seufzte ich und bewegte mich die sechs Stufen nach unten, um dann mein Board abzusetzen und drauf steigen zu können.

Sonnenstrahlen hinterließen einen schimmernden Ton auf mir und durch die Wärme stellten sich meine Armhaare auf. Die Vögel zwitscherten voller Freude und Enthusiasmus, während ich mit einem Fuß auf meinen Board stand und mit dem anderen Schwung holte, um nur wenige Sekunden später über den überfüllten Parkplatz der Schule zu fahren und vom Gelände zu verschwinden.

Bereits die restlichen Tage, die seit Codys Geburtstag vergangen waren, waren wir uns kein einziges mal nach der Schule begegnet oder haben miteinander gesprochen. Denn obwohl wir den ein oder anderen Kurs zusammen hatten, hatten wir nicht das Bedürfnis miteinander zu reden oder unsere Meinungen auszutauschen - nicht, dass es zwischen uns nicht gut lief, aber wir beide waren mit unseren Abschlussprüfungen beschäftigt, die über unsere Zukunft entscheiden würden.

Schon seit dem Beginn der Prüfungen war zuerst leichte Funkstille, doch jetzt war komplette Funkstille und ich hoffte wir beide würden nach den Klausuren, die noch Wochen dauerten, wieder zueinander finden und den letzten Abend, welchen wir hatten, wiederholen.

Auch zwischen Noah und mir lief es in der Zeit des Schuljahres nicht gut. Er wusste, dass ich meine Ruhe wollte und schrieb mir deshalb nur wenige male, ob es mir gut ginge oder ich eine Verschnaufpause bräuchte. Wir hatten uns vielleicht zweimal in dieser ganzen Zeit getroffen, aber er merkte, wie wichtig mir mein Abschluss war und ich diesen auch schaffen wollte - ich konnte eine kleine Streberin sein, wenn ich es wollte und mir danach war.

Aus Partys am Wochenende wurden zu erfolgreichen Lernstunden und Ausflüge zur Stadtbibliothek, um dort meine Ruhe zu haben, wenn ich sie gerade nicht bekommen konnte oder ich neues Material zum Lernen brauchte.

Die ordentlichen Outfits wurden gegen lockere Sachen getauscht. Genauso wie ich meine Haare nun immer in einem Messy Bun trug, um meine schwarze Mähne nicht immer aus meinem Gesicht schieben zu müssen.

Und aus mir wurde die pure Stresszone, die überall Anspannung verbreitete und nirgendwo ohne Bücher oder Hefter saß, um meinem Ziel näher kommen zu können. Meine Gedanken kreisten einzig und allein um die Thematiken des Unterrichts. Und wenn die anderen mich einmal stören sollten, dann stöpselte ich meine Kopfhörer in die Ohren und machte meine Musik an.

• • •

Das Vibrieren meines Handys, welches ich - meiner Meinung nach - auf lautlos gestellt hatte, riss mich aus meinen Gedanken und scheckhaft sah ich von meinen Unterlagen auf und direkt auf den blinkenden Bildschirm, der von Nachrichten überfüllt war.

Seufzend nahm ich das elektronische Gerät in die Hand und lehnte mich zurück, während ich mein Passwort eingab und dann anfing die Nachrichten zu lesen, die mir von meinem Vater, Noah, Jay und Cody hinterlassen wurden.

Da ich nicht die Nerven hatte allen zu antworten, schrieb ich nur meinem Dad, dass es noch eine Stunde dauern könnte, bis ich nachhause kommen würde und er nicht mit dem Abendessen auf mich warten sollte. Jays Nachrichten gaben mir neue Motivation dieses letzte Schuljahr zu schaffen und nicht aufzugeben, da ich es mir und meinen Eltern versprochen hatte.

Die zahlreichen Nachrichten von Cody bestanden hauptsächlich nur aus Fragen, wo ich denn sei und ob es mir gut ginge. Im Gegensatz zu Noah, der schon fast seine dritte Panikattacke hatte, weil er befürchtete diese Klasse nicht zu schaffen und den kompletten Scheiß wiederholen zu müssen - völliger Bullshit.

Nachdem ich Noah geschrieben hatte, legte ich das Handy weg und atmete tief durch, um runterzukommen und einen kühlen Kopf zu bewahren. Die vier geöffneten Bücher von Kunstgeschichte und den ganzen Künstlern aus den verschiedenen Epochen rauben mir jeden einzelnen Nerv, obwohl Kunst ein Thema ist, welches mich immer wieder aufmunterte und bei dem ich alles vergessen konnte.

Aber diesen ganzen Kram für die Klausur von Fulley auswendig zu lernen und dabei nicht durcheinander zu kommen, war das Schwerste bei der ganzen Sache und bereitete mir Kummer. Nicht nur das, sondern auch, dass ich das Bild von Noah fertigbekommen musste, stieg mir ein wenig zu Kopf und mir blieb nicht mehr viel Zeit um es abgeben zu können.

Mit leicht brummenden Kopf schloss ich meine Augen und entspannte mich für die nächsten fünf Sekunden, bis mir der Brief vor Augen kam und ich begann diesen aus meinem Rucksack rauszuholen.

Das dickere Umschlag zwischen meinen Fingern und der Geruch von älterem Papier stieg mir in die Nase, benebelte meine Sinne und weckte meine ganze Neugier. Meine Augen legten sich auf die Hinterseite und vorsichtig fing ich an den Brief aufzumachen, dabei nichts zu zerreißen und die viele Arbeit des Verfassers nicht zu zerstören.

Es fühlte sich ungewohnt an heutzutage Briefe zu bekommen, obwohl man alles über Email, Messanger oder Social Media regeln konnte. Aber desto trotz freute ich mich über dieses kleine und unbedeutende Geschenk, welches ich mehr mochte als Nachrichten über mein Handy zu erhalten - es war old school und in Briefen schwelgten Erinnerungen.

Das weiße Papier lugte hervor und sachte zog ich es heraus. Die dunkle Tinte des Stiftes drückte leicht durch und man konnte das ein oder andere Wort entziffern. In mein Gesicht schlich sich ein kleines, schiefes Lächeln und leicht neigte ich meinen Kopf schräg. Den Umschlag des Briefes schob ich auf das massive Holz zurück und strich mit meinem Zeigefinger an der scharfen Kante entlang, bevor ich das Papier auseinander faltete und mir eine ordentliche Schrift entgegenkam.

Es war schlicht gehalten. Keine Zeichnungen oder wenigstens kleine Herzchen waren raufgekritzelt, sondern nur die reine und saubere Schrift des Verfassers zeichnete sich auf dem Schriftstück nieder. Auch wenn weder Herzen, noch andere Motive darauf zu sehen waren, strahlte ich und schaute direkt runter zum Ende, um zu sehen wer mir auf altmodischer Art etwas mitzuteilen hat. Aber Fehlanzeige; es stand kein Name von einer Person drauf - nur irgendein wirres Wort.

Da ich nicht wusste von wem dieses Geschriebene war, stieg meine Neugier und auch etwas trauriges keimte in mir auf, aber vielleicht würde sich der Schriftsteller dieses Briefes verraten in dem er absichtlich Hinweise einbaute. Aber welcher Autor würde Anspielungen über sich verfassen, wenn er diesen Brief schon nicht per Post verschickte oder seinen Namen hinschrieb? Definitiv keiner, denn er wollte anonym bleiben und ich akzeptierte es etwas.

Meine Augen huschten wieder hoch zu Anfang des Blattes und mein Herz schlug kräftig gegen einen Brustkorb, auch wenn ich nicht wusste warum und einfach gespannt auf die Worte war, die niedergeschrieben worden und ich lesen durfte.

04/07/2018

Show me
the most damaged
of your soul,
and I will show you
how it still shines like gold.

Verdutzt blickte ich auf den Einstieg und ein wohliges Gefühl, was diesen Brief anging, breitete sich in meiner Magengegend aus und gedanklich stellte ich mir die fremde Person vor, die an ihrem Schreibtisch saß und sich Gedanken über einen solch wundervoll formulierten Anfang machte.

Die schwarzen langen Haare, die ihr über ihre Schulter hängen und im hellen Licht der Sonnenstrahlen glänzen, lassen sie besonders aussehen und neben ihren vollen Lippen, den dunklen und intensiven Augen, ihren Wangenknochen und dem entzückendem Lächeln, welches sie so oft trägt, wenn sie dabei ist jemanden zu necken, brennt sich mit jeder Sekunde in mein Gedächtnis und erinnert mich daran, wie einzigartig schön sie in Wirklichkeit ist.

Mein Atem stockte und ich las mir die paar Zeilen ein weiteres mal durch, bevor ich eine Ahnung hatte, um wen es sich eigentlich handelte. Um mich. Solche Worte von einer anonymen Person zu erhalten, legten meine Skepsis etwas was die Menschheit und ihr Gefühl für Nettigkeit anbelangte.

Ihr warmherziges und bezauberndes Lachen, was mich immer wieder in eine andere Welt katapultiert, klingt wie die Melodie meines Lieblingsliedes und ich würde es immer wieder auf Repeat stellen, nur um mir bewusst zu machen, dass es bisher eines der schönsten Lachen ist, die ich wahrnehmen kann und bei welchem ich mich wohl fühle.

Der kleine und doch so bewegliche Körper, wenn sie auf ihr Board steigt und ihre Tricks macht - sich ihrer Hingabe gibt -, sieht unwiderstehlich aus und verschlägt mich die Sprache sobald ich ihr zusehe und merke, wie konzentriert sie ist und nichts falsch machen möchte.

Wie die kleinen Falten auf ihrer Stirn zu sehen sind und ihre Zähne ihre Unterlippe in Besitz nimmt, um zu signalisieren, dass sie beschäftigt ist und niemand sie stören sollte bei ihrer Arbeit. Und doch machen es manche. Sie bringen dieses Mädchen zurück in die Realität und sie nimmt sich dennoch Zeit für diese Menschen, bevor sie wieder in der Welt der Kunst abtaucht und sich ihrer Leidenschaft widmet.

Glatt verlor ich mich in den Zeilen des Verfassers, wie er mich bei meinen liebsten Dingen beschrieb und versuchte sich jedes Detail über mich aufzuschreiben, damit er es mir überreichen konnte und ich wusste, wie ich auf andere Menschen wirken musste, wenn ich völlig vertieft darin war die Kunst zum Leben zu erwecken.

Ihre Fröhlich- und Heiterkeit, die sie mit sich trägt und ausstrahlt, überträgt sich auf jede meiner Muskeln und bringt mich dazu mit einem Lächeln durch die vollen Gänge der Schule zu laufen. Während sie in meinen Gedanken herumschwirrt, dabei wunderschön aussieht und mich einfach nur mit ihrer wunderbaren Laune ansteckt.

Die Art und Weise, wie sie Sprüche kontert und darauf stolz ist, lässt mein gesamtes Herz erwärmen und mich schmunzeln, da sie es verdammt nochmal - aber wirklich verdammt - gut kann und es den Leuten zeigt, die es verdient haben.

Ihr besonderes Verhältnis zu ihrem bestem Freund, Noah, zeigt mir was wahre Freundschaft bedeutet und wie sehr ich mich nach solch einem Freund sehne, der Nachts um drei für mich da ist und mir zuhört. Ein Freund, der seine Hand für mich ins Feuer legen würde, weil ich ihm soviel bedeute, wie sie Noah. Ein Freund, der mit mir aus dieser Kleinstadt verschwinden würde, um unserer Freiheit entgegenzukommen.

Ein Freund, der soviel für mich tun würde und ich würde genau das Gleiche für ihn machen. Und das nur, weil es nichts besseres als wahre Freundschaft gibt und es das kostbarste der gesamten Welt ist - und es immer sein wird.

Seine Beschreibungen, die mir nahe gingen und die mich umhüllten, erwärmten mein Herz. Wer auch immer dieses wunderbaren Brief über mich verfasst hatte - vom Aussehen bis zu den kleinsten Details -, kannte mich anscheinend und eigentlich sollte es mir Angst machen, aber ich empfand keine, denn ich spürte alles andere als das - ich verspürte Freude und Warmherzigkeit.

Mit dem Finger strich ich über die verbleibenden Zeilen dieses Schriftstückes und lächelte vor mich hin. Wer auch immer dieses Papier beschrieben hatte, machte mich gerade glücklich und ließ mich das gesamten Zeug für die Klausuren vergessen.

Meine Augen, die immer wieder zu ihr schwingen und jede Einzelheit ihres Gesichtes, ihres Körpers oder ihrer Persönlic-

"Oh, tut mir leid, Hailey", unterbrach mich jemand und ich schreckte auf, um in ein entschuldigendes Gesicht der Sekretärin zu sehen. Auch wenn sie nicht an dem Brief interessiert war, faltete ich das Blatt Papier eilig zusammen und schaute sie an.

"Ich würde dich ja ungern rausschmeißen, aber wir würden jetzt gerne schließen. Die Bücher, die du brauchst kannst du gerne mitnehmen und dann wiederbringen", lächelte mich die ältere Frau an und ich nickte ihr verständnisvoll zu, bevor ich mich erhob und meine Sachen mit einem der ausgeliehenen Bücher einpackte.

Ich stöpselte mir meine Kopfhörer in die Ohren, machte meine Playlist an und schnappte mir mein neues Board, ehe ich mich auf den Weg rausmachte und dabei die Lieder vor mich her summte. Draußen stieg ich auf das Brett und stieß mich ein paar mal mit dem Fuß ab, damit ich von dem Platz fahren und mich erst nach wenigen Minuten wieder abstoßen konnten.

Die warme abendliche Sommerluft strömte mir entgegen, die Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne kitzelten mich und erwärmten mein Gesicht. Die laute Musik dröhnte in meinen Ohren und langsam drang der Hintergrund des Liedes zu mir durch, doch noch immer schwebten die Worte der anonymen Person in meinem Kopf und übertrafen jeden Ton, Note, jedes Wort und jede Bedeutung der Lieder.

• • •

neues chap, hoffe es gefällt euch. ist einmal etwas anderes und sind weniger worte, weil ich die 3000 nicht mehr schaffe.

ich werde mich bemühen mehr zu updaten bzw. öfter, damit ich dieses buch schneller zu ende bekomme.

bei fehlern, etc. weist mich daraufhin, damit ich es später verbessern kann.

- J o h a n n a

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