5.

>>Wir sehen uns, ihr beiden. Passt auf euch auf.<< Mit diesen Worten trat ich zurück in die Schatten und gab Nia und Michael in Chirons Obhut. Die beiden würden mir irgendwie fehlen. Ich tauchte in unserer Wohnung wieder auf. Cassy half meinen Eltern gerade beim Geschirrspülen. Das Bild, das sich dabei ergab, war total ulkig. Eine kleine Afro-Amerikanerin, die zwischen einem Typ stand, der aus einem Baywatch-Film entsprungen sein könnte, und einem anderen, der aussah, als wäre er schon mal tot gewesen. Und beide waren zwei Köpfe größer als sie. Ich musste kichern. Die drei drehten sich gleichzeitig zu mir um, was mich noch mehr zum Lachen brachte. Als ich mich wieder gefangen hatte, sahen sie mich an als wäre ich nicht mehr ganz dicht. Cassy runzelte die Stirn. >>Alles klar bei dir, Bianca? << Ich nickte. >>Alles super. << Sie schienen mir nicht recht zu glauben. 


 >>Deine Familie ist echt seltsam. << Da konnte ich Cassy nur Recht geben. Wir hatten unseren Posten im Park wieder bezogen und bewunderten die Spiegelungen der Bäume im Wasser. Selbstverständlich hatten wir auch dieses Mal einen Vorrat an Fressalien dabei. Ohne ging gar nicht. >>Eigentlich wollte ich noch was probieren. << fiel mir wieder ein. >>Ja? << Cassy sah mich fragend an.Ich griff nach meinem Rucksack und kramte darin herum bis ich es in dem Chaos endlich gefunden hatte. Ich hielt eines meiner Messer in der Hand. Alle fünf, die ich besaß, waren zwanzig Zentimeter lang und aus stygischem Eisen, schwarz wie die Nacht. Hades hatte sie mir zu meinem vierzehnten Geburtstag geschenkt. Cassy starrte mit hochgezogener Augenbraue auf meine Hand. >>Was siehst du? << Sie sah mich ungläubig an. >>Ein Messer. Steck das bitte weg, hier sind auch normale Menschen. << sagte sie dann. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht. >>Und was sollte das jetzt bringen? << Ich steckte das Messer zurück und zog den Rucksack zu. >>Ich wollte wissen, ob du durch den Nebel sehen kannst. << erklärte ich ihr. >>Also wenn das dieser Nebel war, dann würde ich mal ja sagen. << meinte Cassy mit vollem Mund und ließ sich nach hinten auf die Decke fallen. >>Danke, das habe ich noch nicht bemerkt. <<

 Hinter den Wolkenkratzern ging langsam die Sonne unter und ich lag immer noch mit Cassy im Central Park. Klar, wir hatten morgen Schule, aber kommt schon, das war doch nicht so wichtig. Ob wir in Mr. Camps Stunde wach waren oder nicht machte keinen Unterschied. Einschlafen tat man während der Stunde sowieso. >>Irgendwie werde ich die beiden vermissen. << Ich musste zuerst kurz nachdenken, bevor ich begriff, dass Cassy von Michael und Nia sprach. >>Sie werden es im Camp gut haben. Das ist, wo sie hingehören. << Ich weiß, ich klang als wäre ich herzlos. Aber lass niemanden in dein Herz, irgendwann ist von denen niemand mehr da. Oh Götter, klingt das traurig. Was soll's. >>Mochtest du sie denn nicht? << Doch natürlich, wie konnte man sie nicht mögen? >>Sie waren ganz nett. << versuchte ich auszuweichen. Aber Cassy kannte mich zu gut. >>Bianca, du bist eine grottenschlechte Lügnerin.<< Ja, das war ich wohl. Ich seufzte. >>Ja, klar vermisse ich sie. Die beiden sind toll. << Cassy nickte zufrieden. >>War das jetzt so schwer?<< Ich schüttelte den Kopf. >>Warum willst du eigentlich nie zugeben, dass du jemanden magst? Mal abgesehen von deinen Eltern und mir? << Merkte man das so sehr? >>Weil, ...irgendwann sind sie weg...Es ist nicht nur schön unsterblich zu sein. << sagte ich so leise, dass es Cassy gerade noch verstehen konnte. Sie nickte verständnisvoll. >>Keine Sorge, ich bleibe so lange da wie ich kann. Ich habe nicht vor, früher als vorgesehen zu deinem Grandpa zu gehen. Auch wenn ich ihn gerne mal kennen lernen würde.<< Das brachte mich zum Grinsen. Meine beste Freundin war einfach klasse. >>Danke! << flüsterte ich in ihre Haare, während ich sie umarmte. >>Wofür sind beste Freundinnen denn da? << Ich hörte ein Lächeln aus ihrer Stimme. 

 Leider mussten wir am nächsten Tag wieder in die Schule. Wir trafen uns wie immer am Schultor. Das hieß, ich wartete auf Cassy, die immer später kam. Sie hielt einen Donut in der Hand als sie auf mich zu kam und grinste mich an. Alles wie immer. Oder doch nicht. Wir betraten das Gebäude und gingen zu unseren Spinden. Aber heute verfolgte uns Getuschel.>>Das ist Apollos Schuld, warum muss er auch immer so eine Show abziehen? << flüsterte ich Cassy zu, während wir unsere Bücher holten. >>Er ist der Sonnengott, was hattest du denn erwartet? << Ich zuckte mit den Schultern. >>Dass er seinem Wagen einen anderen Look gibt. Vielleicht nicht gerade ein neuer Maserati in Rot?<< Cassy kicherte. >>Vermutlich kann nicht anders. << spekulierte sie auf dem Weg zum Chemiesaal. >>Ja, genauso wenig, wie er es nicht schafft, nicht jede schöne Frau in seiner Nähe anzugraben.<< Jetzt kriegte Cassy mitten im Flur einen Lachanfall. Wir wurden von den vorbeigehenden Schülern angestarrt. >>Du meinst wie die Kellnerin von letzter Woche? << fragte sie, als sie sich wieder beruhigt hatte. Ich nickte. >>Und sie fallen auch noch alle drauf rein. Manchmal frage ich mich wo die Intelligenz der Menschen abgeblieben ist. << Cassy runzelte nachdenklich die Stirn. >>Aber du musst zugeben, dass er gut aussieht.<< >>Wer sieht gut aus? << Ich verdrehte die Augen. War ja klar, wenn jemand ,gutaussehend' auch nur erwähnte, war Amber sofort da. >>Was geht dich das an? << erwiderte Cassy genervt. >>Meint ihr den Typ von Freitag? Der war total heiß. Was will der eigentlich von dir, Bianca? << Sie zog eine ihrer geschminkten Augenbrauen nach oben. >>Wie gesagt, das geht dich nichts an. << Der Lehrer kam herein und ich drehte mich nach vorne. 

Den Rest des Tages hatten wir, den Göttern sei Dank, keinen Kurs mehr mit Amber. Allerdings lauerte sie uns nach Schulschluss auf dem Hof auf. Wie gesagt, sobald es um gutaussehende Jungs ging, war sie sogar zu uns halbwegs nett. Bei den Jungs im Camp würde sie glatt umfallen. >>Na, von wem habt ihr jetzt gequatscht, Loser?<< Sie stellte sich uns in den Weg und starrte uns an. Als würde uns das davon abhalten, einfach wegzugehen. Cassy stöhnte. >>Kannst du uns nicht einfach in Ruhe lassen? << Amber grinste. >>Nein. << Welch kreative Antwort! Ich verdrehte wieder mal die Augen. Wie bescheuert konnte jemand sein? >>Na wenn das so ist, viel Glück beim Rausfinden Amber. << Ich zog Cassy am Arm mit und verließ den Schulhof. Amber starrte uns fassungslos hinterher. Sie hatte jetzt aber nicht ernsthaft gedacht, dass ich mit ihr rede, oder? Naja egal. Ich ließ Cassys Arm los und bemerkte, dass ich wohl etwas zu fest zugegriffen hatte. Verdammt! Normalerweise hatte ich das doch im Griff. Cassy sah auf den blauen Fleck auf ihrem Arm. >>Tut mir leid, ich wollte nicht so fest zugreifen.<< Sie winkte mit dem anderen Arm ab. >>Nicht so schlimm, das ist in ein paar Tagen weg. Solange du mir nichts brichst, ist alles super.<< Sie grinste mich an und ich atmete erleichtert aus. >>Warte, das geht auch schneller. << Ich duckte mich hinter eine Mauer und Cassy kniete sich neben mich. >>Was hast du vor? << fragte sie leicht misstrauisch. >>Du hast doch gefragt, was für Kräfte ich habe? << Sie nickte. >>Dann zeig ich es dir mal. << Sie riss die Augen auf. >>Echt? << Ich nickte und legte meine Fingerspitzen vorsichtig auf ihren Arm. Ich konzentrierte mich und um meine Finger bildete sich ein goldenes Leuchten. Cassy starrte fasziniert darauf, während es sich um ihre Wunde legte und die blaue Verfärbung langsam verschwand. Als alles verheilt war, nahm ich meine Hand weg und begutachtete mein Werk. >>Spürst du noch was? << Sie schüttelte den Kopf. >>Das war richtig krass! << Ich grinste und zuckte mit den Schultern. >>Das hat man davon, wenn man von einem verrückten Gott der Heilkunst abstammt.<< 

 Ich schloss die Tür auf und ging hinein. Meine Eltern waren noch nicht zuhause und ich ließ meinen Rucksack auf den Tresen fallen. Eigentlich hatte ich noch Hausaufgaben zu machen aber jetzt mal ehrlich, ganz sicher nicht! Ich schaltete die Stereoanlage im Wohnzimmer an und hängte eine Zielscheibe an die Wand. Nach dem Rumgesitze brauchte ich dringend was Aktives. Denn ja, ich hatte ADHS. Keine Ahnung, ob das für Götter auch normal ist. Ich schnappte mir meine Messer und begann zu werfen.Zuerst nur leicht, zum Aufwärmen. Dann fing ich an, mit dem Rücken zur Zielscheibe zu werfen. Ich machte Überschläge, versuchte an der Decke zu laufen, und ging durch die Schatten. Am Ende hatte ich blöderweise das Sofa aufgeschlitzt und in der Wand steckte ein Messer. Neben all den anderen Löchern fiel es aber nicht auf. Immerhin machte ich das schon seit ein paar Jahren und auch Papà war das Schwert schon ein paar Mal ausgerutscht, und dann waren da natürlich noch Dads Pfeile. Außerdem hatte Leo schon ein paar Mal, zwölf um genau zu sein, unser Sofa abgefackelt. Aber das tat hier nichts zur Sache. Ich zog in dem Moment die Klinge aus der Wand, in dem Will von seiner Schicht nach Hause kam. >>Na, wie war's auf der Station Dad? << rief ich in den Flur. >>Wie immer, Bianca. << Rief er zurück. >>Was hast du wieder gemacht? << setzte er hinzu als er das Wohnzimmer betrat. Er sah mich forschend an. Ich verdrehte innerlich über mich selbst die Augen. Ich konnte einfach nicht lügen, und das war echt bescheuert. >>Nichts was ich sonst nicht auch mache. << versuchte ich mich halbherzig raus zu reden. Dad grinste und zog amüsiert eine Augenbraue nach oben. >>Eventuell brauchen wir ein neues Sofa? << sagte ich zerknirscht und machte mich möglichst klein. >>Nicht schon wieder. << stöhnte Will und vergrub sein Gesicht in den Händen. >>Ich habe das Gefühl, es wäre besser, wenn wir in einer verdammten Lagerhalle wohnen würden. << murmelte er, während er in die Küche ging. Jup, dann hätten wir das Problem mit den Möbeln nicht. 

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