Kapitel 2
Nathan
Rebellenlager
"Das ist Wahnsinn, Nathan, das weißt du genau", hörte er die Stimme seines besten Freundes hinter sich. Arthur war immer schon eine Nervensäge gewesen, wenn es darum ging, die Vernunft beiseite zu schieben.
"Was soll ich sonst tun. Hier ewig rumsitzen und warten?", fragte Nathan und drehte sich zu seinem besten Freund um, der ihn bloß ruhig anschaute. Seine hellblauen Augen waren müde, seine Lippen zu einem ernsten Strich gezogen. Nathan selbst sah nicht anders aus. Heute morgen hatte er die dunklen Ringe unter seinen eigenen Augen im Spiegel gesehen.
"Wir warten, bis wir uns stabilisiert haben. Bis wir alles verarbeitet haben", sagte Arthur, und legte eine Hand versöhnlich auf Nathans breite Schulter. Nathan seufzte. Wenn er doch nur warten könnte. Wenn doch wirklich endlich Ruhe einkehrte. Aber er war sich sicher, dass es noch lange dauern würde, bis sie sich zur Ruhe setzen konnten.
"Warten? Nur damit -", plötzlich verstummte Nathan, als ein junges Mädchen mit wilden schwarzen Locken in seinem Blickfeld erschien. Sie war gerade erst aus ihrem Versteck getreten, nachdem sie die Beiden belauscht hatte.
Seine Schwester war verdammt gut darin, sich heimlich bei solchen Gesprächen anzuschleichen und zuzuhören.
"Also, wenn du gehst, komm ich mit", sagte sie bloß mit einem frechen Grinsen, als sie bemerkte, dass er sie gesehen hatte.
"Das kommt absolut nicht in Frage", erwiderte er streng.
Mit ihren 18 Jahren war Nathans Schwester zwar formal gesehen bereits erwachsen, doch in seinen Augen war sie noch immer seine kleine Schwester. Ophelia verzog ihren Mund.
Arthur blieb ruhig. Scheinbar wollte er sich aus dieser Diskussion zumindest raushalten. Das war besser so, befand Nathan.
Ophelia verschränkte die Arme vor der Brust und schaute Nathan genauso streng an. "Du kannst mir nicht mehr sagen, was ich tun und lassen soll", erwiderte sie, "ich bin mittlerweile alt genug, um das selbst zu bestimmen".
"Bist du nicht. Das ist viel zu gefährlich", sagte er und wandte sich ab, um in sein Zelt zu schlüpfen.
Die Beiden folgten ihm in das kleine Zelt, welches bloß ein Feldbett und eine Kommode mit Spiegel enthielt. Wieder ertönte die Stimme seiner Schwester.
"Wenn es für mich zu gefährlich ist, ist es das für dich ebenso. Ich werde dich nicht alleine gehen lassen", sagte sie.
Auch wenn Nathan nicht abstreiten konnte, dass sie damit recht hatte, würde er ihr niemals erlauben mitzukommen.
"Du hast hier andere wichtige Aufgaben zu erfüllen", sagte Nathan dann, während er seine Tasche packte. Nur das Wichtigste würde er für die Reise mitnehmen.
"Und zwar?", fragte Ophelia genervt.
"Wenn ich nicht da bin, bist du die letzte Gelidus", sagte er leise. Sein Herz zog sich zusammen und er schaute zu ihr herüber.
Auch ihr Blick wurde weicher. Sie schluckte und ließ die Hände sinken.
"Wenn ich also nicht zurück-", er konnte seinen Satz nicht beenden, denn Ophelia unterbrach ihn.
"Nicht", sie schnitt ihm zischend das Wort ab. Anstatt ihren Tränen zu unterliegen, schluckte sie sie herunter und atmete tief ein. Sie war wütend, das merkte er. Aber ihm blieb keine andere Wahl. Nur so würde sie hier bleiben. Er musste es so formulieren, es genau so aussprechen.
"Du musst hier sein, um unsere Familie zu vertreten", sagte er.
"Du bist ein Idiot, Nash", sagte sie bloß, "nur weil ich eine Frau bin, willst du nicht, dass ich mitkomme! Das ist so unfair, das ist so blö-".
"Das hat nichts damit zu tun. Du bist das letzte Stück Familie das ich habe", unterbrach Nathan sie streng. Dann wurden seine Züge weicher und er trat auf seine kleine Schwester zu, die wütend ihre Tränen wegblinzelte.
"Ich werde ja wieder kommen. Aber du, Ophelia Gelidus musst hier solange die Stellung wahren", lächelte er und zog sie einfach in seine Arme. Während sie sich an ihn schmiegte, schaute er über ihren Lockenkopf hinweg zu Arthur. Arthur schien zu verstehen und nickte bloß, auch wenn es ihm deutlich schwer fiel, Nathan's Entscheidung zu akzeptieren. Nathan wusste, Arthur würde auf seine Schwester achtgeben, was ihn beruhigte.
Nathan ließ Ophelia wieder los, mit entschlossener Miene blickte er sie an. "Ich werde euch Briefe schicken über den Goldenen Palast und schauen, ob ich dort ein paar Rebellen zusammentrommeln kann. Ihr müsst hier schauen, dass wir wieder auf die Beine kommen. Sichert das Lager hier in den Bergen und überlegt, wie ihr neue Leute rekrutieren könnt. Nicht nur Fae, auch die Menschen sind wütend", sagte er ernst. Arthur nickte.
"Pass auf dich auf, Nash", flüsterte Ophelia.
Nathan brauchte nicht lange, um seine Tasche zu packen. Er würde nicht viel mitnehmen, nur das Nötigste und ein wenig Proviant. Er würde mit seinem Pferd etwas mehr als 2 Wochen brauchen, die engen Gebirgspässe entlang, durch den Wunderwald hindurch und an Ardoras Vulkanstadt, Drachenfels, vorbei, ohne aufzufallen. Draußen bei Whirlwind, seinem silberfarbenen Pferd angekommen, band er die Tasche an den Sattel. Ophelia und Arthur standen neben dem Stall und beobachteten, wie sich Nathan Gelidus auf das Pferd schwang. Er schaute noch einmal über die provisorischen Zelte, die Pferde und das Waffenlager. Die anderen Fae tummelten sich am Lagerfeuer, um sich zu wärmen. Innerlich hoffte er, dass es noch genauso aussah, wenn er wieder zurückkehrte. Dass er hier den nächsten Angriff planen konnte, mit all seinem Wissen aus dem Goldenen Palast.
"Ich werde bald wiederkommen", sagte er noch, ehe er das Pferd zum Gehen wandte. Als er langsam davonritt, schaute er noch einmal nach hinten und sah, wie seine Schwester mit Tränen in den Augen die Hand hob. Arthur's Gesicht war weiterhin ernst, während er hinterher blickte. Nathan seufzte, ehe er ebenfalls zum Abschied winkte und die hohe Plattform im Gebirge verließ, wo das Rebellenlager aufgeschlagen worden war.
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