8⚜️ Seven Steps To Hell: № 01
Ein stressiger Montagabend; 2018
Charlotte
⚜️
„Oh mein Gott, Chic! Du wirst mich lieben!" Als Luisa die Treppen nach oben gerannt kommt, nimmt sie zwei Stufen auf einmal. Beim letzten Bisschen wird sie übermütig, versucht drei Stufen auf einmal zu nehmen und fällt mir wortwörtlich in die Arme. Zwar höre ich Niall los prusten und seine Hand flink vor den Mund schlagen, doch noch bevor Luisa mitschneiden kann, dass sie sich auch vor ihm zum Deppen gemacht hat, ist er verschwunden. Glücklicherweise.
„Warum genau sollte ich dich lieben?" frage ich und versuche mir das Lachen zu verkneifen. Ihre Haare sind völlig zerzaust und sie ist derart außer Puste, dass ich Angst bekomme, gleich einen Krankenwagen rufen zu müssen. Bei ihrer Aufregung muss es sich um eine Überraschung in der Größe einer dreiwöchigen Mittelmeer-Kreuzfahrt handeln. Anders lässt sich ihr durchgeknallter Aufzug nicht erklären.
Trotz, dass sie klingt, wie eine Dampflock, sagt sie etwas, was ich nicht hören möchte: „Weil ich ein fantastisches erstes Date klargemacht habe und du mich dafür gefälligst zu lieben hast."
Für einen Moment denke ich darüber nach die 'Hang Over-Karte' auszuspielen aber ich bin mir sicher, dass die kleine gehässige Ader in meinem Sohn dafür sorgen wird, dass ich auffliege. Denn zugegeben ziemlich unverdienter Weise geht es mir Bestens. Und wenn die kleine Ratte Chancen auf sturmfreie Bude hat, wird er mich unter Garantie bei seiner Tante verpetzen.
Option Nummer Zwei wäre die Ahnungslose zu spielen und auf Lu's Mitleid zu hoffen. Aber funktionieren wird es nicht, also bleibt mir nichts Anderes übrig, als die Prozedur über mich ergehen zu lassen.
Das bedeutet, Luisa schiebt mich ins Badezimmer, befiehlt mir mich frisch zu machen und kündigt an, sich gleich darauf durch meinen Kleiderschrank zu graben. „Und Chic?" Obwohl ich bereits nackt im Badezimmer stehe, öffnet sie noch einmal die Tür und streckt ihren Kopf hindurch. Meine Proteste ungeachtet lassend, holt sie etwas aus ihrer Handtasche und hält es mir hin. Als sie meinen geschockten Blick sieht, fügt sie hinzu: „Keine Angst, der ist unbenutzt." „Ja kein Wunder! Hast du mal-" „Keine Wiederrede! Wer schön sein will, muss leiden!" Und damit zieht sie die Tür zu und lässt mich mit dieser pinken Hölle einfach stehen. „Aber ich will doch gar nicht schön sein!" rufe ich seufzend, bekomme aber keine Antwort. „Der gute alte Rasierer tut's doch auch oder nicht?" Die Verzweiflung sollte selbst bei meiner besten Freundin ankommen, eigentlich.
„Wir wollen aber keine hässlichen Schnitte. Bei deiner Schusseligkeit schlitzt du dir versehentlich noch die Pulsadern auf." Ich weiß genau, wie Luisa das meint aber ich erinnere mich leider auch an unser furchtbares Geheule, nachdem einer unserer Lieblingsromane verfilmt worden war. Dementsprechend empört reiße ich die Badezimmertür auf, vergesse, dass ich kein Handtuch um mich gelegt habe und beschere meinem Sohn, der genau in diesem Moment aus seinem gegenüber liegenden Zimmer kommt, vermutlich das Trauma seines Lebens.
Sobald sich alle beteiligten Parteien genügend über meine Dummheit aufgeregt haben, werfe ich Luisa genau das durch die verschlossene Tür vor. „Darf ich dich dran erinnern, wie krass du dich bei mir festgekrallt hast, als Hannah Baker genau das getan hat!?"
„Ach halt doch die Klappe und benutze endlich diesen verschissenen Epilier um dein Fell zu trimmen, meine Güte!" Und damit hat sich die Diskussion für sie erledigt und mir bleibt nichts Anderes übrig, als genau das zu tun.
Skeptisch betrachte ich mich im Spiegel. Meine Beine sind rasiert, schließlich trage ich nahezu täglich einen Rock oder ein Etuikleid. Auch unter meiner Achsel findet sich kein Haar. Vielleicht bin ich im Gürtelbereich ein klitzekleines bisschen nachlässiger als mit meinen Beinen aber das auch nur, weil es Tommy nie gestört hat und, Gott, bin ich dämlich. Alleine für die Tatsache, dass ich überhaupt darüber nachdenke, was Tommy gefällt oder eben nicht, könnte ich mich schon ohrfeigen. Es ist absolut egal, was dieser Vollidiot attraktiv findet und was nicht.
Also atme ich einmal tief durch, schmeiße den Höllen-Rasenmäher an und schließe die Augen. Allerdings hilft alles beten nicht. Dieses bescheuerte Teil bereitet mir mehr Schmerzen, als dass es mir hilft gut auszusehen. Ohne Umschweife lasse ich das blöde Ding ins Waschbecken fallen und greife nach meinem Rasierer. Natürlich schneide ich mich, aber nur in Knöchelhöhe, also können meine Socken den Schnitt gut vor Luisa verstecken. Vorausgesetzt natürlich Socken passen in ihren Plan.
Dieses Mal bedeckt von meinem Bademantel trete ich aus dem Bad, ignoriere Aidens Kommentar, ich habe sein Leben zerstört und dackele in mein Schlafzimmer. Wie eine Königin sitzt Luisa auf meinem Bett, umgeben von meinen Klamotten, die sie einfach aus meinen Schränken gerissen hat. Die Hände in die Hüften gestemmt, stelle ich mich vor sie und packen meinen besten Mama-Blick aus: „Soll ich gleich meckern oder machst du's von alleine wieder ordentlich?"
„Quatsch doch nicht dumm rum, ich regle das schon. Du ziehst das hier jetzt erstmal an und dann packe ich mit Aiden seine Klamotten, er schläft bei uns heute."
„Tut er das, ja?"
„Jap. Du bist schließlich beschäftigt. Und wenn ich es richtig verstanden habe, hängt bei Kenzie entweder der Haussegen oder ihr Magen reichlich schief." Luisa sagt es, als sei es eine Nichtigkeit. In mir beginnt sich jedoch gleich einiges zu drehen. Auch, wenn Andy jeden Morgen mit seinem typisch-breiten Grinsen in der Kanzlei auftaucht, der Haussegen im Hause Robinson scheint schon eine Weile schief zu hängen. Lu nach Mackenzies Befinden auszufragen ist allerdings genau so sinnvoll, wie Aiden Einsteins Relativitätstheorie anwenden zu lassen. Ich liebe meine beste Freundin über alles, ihre Einfühlsamkeit lässt jedoch zu wünschen übrig.
Tja damit hatte sich die Sache leider auch fürs Erste erledigt. Nichtsdestotrotz nehme ich mir vor Andy auf dem Weg zum Date anzurufen. Vielleicht ist er meine Ausrede, vielleicht kann er mich aus der Scheiße rausboxen.
Somit bleibt mir im Moment nichts Anderes übrig, ich ziehe eine schwarze Leggins an, von der ich einerseits nicht weiß, dass ich überhaupt noch reinpasse, geschweige denn, dass sie noch existiert. Und andererseits halte ich es in diesem Moment für äußert ungeeignet für ein Date.
Zumindest bin ich dieser Meinung, als ich zu Luisa ins Auto steige.
Sobald sie den Wagen durch den Londoner Verkehr gejagt hat, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich Wechselkleidung hätte mitnehmen sollen, wenn ich nicht will, dass mein Date meine Schweißflecke sieht. Abgesehen davon nervt es mich tierisch, dass ich keine freie Sekunde ergattern kann, um Andy anzurufen. Mehr als eine knappe Nachricht habe ich nicht abschicken können.
„Eine Kletterhalle? Willst du mich verarschen?" Verwirrt sehe ich mich um, lasse mein Handy in die kleine, schwarze Tasche sinken und muss mir Mühe geben, meinen Mund wieder zu schließen. „Was ist das denn für ein Kerl?"
Stolz und breit grinsend kommt sie auf mich zu gehüpft und zupft ein letztes Mal an meinem Fischgräten-Zopf herum, bevor sie antwortet: „Du triffst dich mit Daniel. Er ist 28, verboten heiß und ein Kollege meines Bruders."
„Du willst mich mit einem fucking DEA-Agent verkuppeln? Bist du irre?! Wenn ich Anton aus Sicherheitsgründen abgeschossen habe, meinst du dann ich will die Drogen-Mafia sonntags vor der Wohnungstür haben?" Empört sehe ich meine beste Freundin an, mache auf dem Absatz kehrt und will wieder in das Auto einsteigen, doch Luisa ist schneller als ich. Mit ihrem ganzen Gewicht und es ist eigentlich nicht viel, lehnt sie sich gegen die Autotür und funkelt mich böse an. „Die Abmachung war, dass du dich auf alles einlässt, also los! Er ist ein wirklich guter Kerl, sei nicht gleich wieder so verurteilend."
Verdammte Scheiße, denke ich und bin grummelnd auf dem Weg zum Eingang, als Aiden mich zurück zu sich ruft. „Pass auf dich auf", flüstert er und umarmt mich fest. Mein Sohn. Er umarmt mich. Freiwillig! - Diese Wette war eine verdammt beschissene Idee, das kann nichts Gutes bedeuten. Er ist so schlau, er ist so flink und so oft bei Luisa. Vielleicht weiß er etwas, was ich nicht weiß?
Mit klopfendem Herzen betrete ich die große Kletterhalle. Sämtliche Proteste auf dem Weg zu dem riesigen Gelände wurden erstickt, nicht ernst genommen und abgewunken. Fest umschließe ich den Gurt meiner Tasche und sehe mich um. Viele Menschen sehe ich nicht, eine Familie scheint den Kindergeburtstag ihres Sohnes hier zu feiern, einige Knirpse wuseln von einer Ecke in die andere und trotzdem stört mich etwas. Die große Halle ist in kühlen Farben gestrichen, ich sehe an der Rezeption keine Bilder, keine einzige Pflanze. Alles wirkt distanziert, kalt, unfreundlich. Ich fühle mich nicht wohl, bin viel zu nervös und möchte am liebsten wieder gehen.
Noch in meiner Drehung stoppe ich und mache einen Satz zurück. Kerzengerade steht ein großer, gutgebauter, junger Mann hinter mir. Er wirkt, als stände er permanent unter Spannung, seine Miene ist hart und scheint keinen Widerspruch zu dulden.
„Bitte entschuldigen Sie, Sir", stammle ich unsicher und weiche seinem Blick aus.
„Charlotte Ashford?" fragt er und als ich nervös bejahe, legt sich endlich ein sanftes Lächeln auf sein schönes, wenn auch sehr einschüchterndes Gesicht. „Mein Name ist Daniel Fletcher. Schön dich kennen zu lernen."
Sein Händedruck ist fest, ich fürchte er quetscht mir die Hand ab und auch sonst wirkt er sehr angestrengt und ich glaube nicht, dass es mit diesem Blind Date zusammenhängt. Rein optisch hat Luisa einen Volltreffer gelandet. Er ist einen Kopf größer als ich, der gepflegte Dreitagebart macht ihn irgendwie sexy und verrucht und auch sonst hat er ein schönes Gesicht. Die fehlende Wärme in seinen dunkelbraunen Augen macht der stattliche Bizeps aber auch nicht wett.
Leider ändert sich mein Eindruck von ihm nicht.
Ohne sich dafür zu interessieren, dass ich diesen Sport noch nie betrieben habe und meine Sportlichkeit quasi nicht vorhanden ist, jagt er mich von einem Hindernis zum Nächsten. Atemlos und schnaubend, wie eine Dampflock krieche ich hinter ihm her. Seit geraumer Zeit höre ich ihm nicht mehr zu. Dieses 'Motivationsfördernde' Gequatsche von wegen Ziele setzen und erreichen und all dieser Quark interessiert mich nicht. Ich möchte nach Hause und das jetzt sofort. Daniel ist viel zu formal, es scheint als habe er jegliche Gefühle ausgeknipst und alleine sein Desinteresse meinem Sohn gegenüber schießt ihn raus.
Für Luisa schießen wir in einer gefühlt drei Sekunden dauernden Pause ein Selfie. Eine bescheuerte Regel, die sie sich da ausgedacht hat. Obendrein auch noch eine, die mir alles an Selbstbeherrschung abverlangt. Ich selbst gefalle mir auf dem Bild sogar ein kleines bisschen. Vielleicht kann ich ihn auch einfach rausschneiden und schon habe ich ein neues WhatsApp-Profilbild.
„Was ist los, Charlotte? Machst du schon schlapp?" frech grinst er von oben auf mich herab und dies nicht nur tatsächlich, sondern auch bildlich gesprochen. Er ist ein arroganter Mensch und seine nächste Aussage beweist es mir. „Erziehst du deine Tochter genauso? Aufgeben ist schon okay? Also ich an deiner Stelle-" „Okay, jetzt reicht es!" Ich nehme meinen letzten Atem zusammen, stemme die Hände in die Hüfte und schaue zu Daniel auf. „Wenn du mir jetzt noch in meine Erziehung reinquatscht, raste ich komplett aus! Allen voran, wenn du dir nicht einmal merken kannst, dass meine Tochter einen Schwanz zwischen ihren Beinen hat, du aufgeblasenes Arschloch!"
Dass um mich herum der beim Eintreten gesehene Kindergeburtstag steht, ist mir völlig egal. Unfassbar wütend steige ich aus dem Gurt-Gedöns und stampfe davon. Daniels Rufe sind mir völlig schnuppe, ich werde gehen und mich ganz bestimmt nicht mehr mit diesem Vollidioten treffen. Falls Luisa meine Nummer rausgerückt haben sollte, werde ich sie umbringen. Sehr langsam und sehr qualvoll.
„So ein aufgeblasener Scheißkerl", zische ich eine halbe Stunde später und fummle mit meinem Schlüsselbund herum. Dieser blöde Haustürschlüssel will sich nicht finden lassen, wütend schnaube ich auf.
Als die Tür plötzlich von innen aufgedrückt wird, erschrecke ich und stolpere einen Schritt zurück. Beinahe wäre ich auf meinen vier Buchstaben gelandet, wäre in diesem Moment nicht zufällig der alte Mr. Jensen von seinem täglichen Abendspaziergang zurückgekommen. „Hoppla. Vorsicht, junge Dame", lächelt er freundlich und hilft mir meinen Stand wieder zu finden.
„Na, du wirfst dich doch auch jedem an den Hals oder?" spricht die Stimme, deren Besitzer eben noch die Haustür aufgestoßen hatte.
„Du bist doch nur beleidigt, weil Mr. Jensen so viel attraktiver ist, als du, Horan", kontere ich, lächle müde und stehle mich an ihm vorbei. Mir ist einfach nicht nach Small Talk.
AberNiall wäre nicht Niall, wenn er nicht merken würde, dass mein Tag beschissenwar
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