3⚜️ Drink up, Girl!

Vom turbulenten Samstag in einen wunderschön-schaurigen Sonntag; 2018

Charlotte

⚜️

„Ich bin enttäuscht von dir." Die kalte Nachtluft schlägt mir beinahe schon ins Gesicht, als ich die Tür zu unserer Stamm Bar aufstoße. „Nicht mal auf euch Schwule kann man sich verlassen", gespielt enttäuscht schnaube ich auf, würdige ihn keines Blickes und stelle mich neben ihn. Die feine englische Art ist mein Kommentar ganz bestimmt nicht, doch ich habe das Gefühl, Andy hat sämtliche meiner Manieren mit Erdbeer-Colada's nach unten gespült. Er stellte mir so bereit willig immer wieder ein volles Glas vor die Nase, dass ich gar keine Chance hatte durchzuatmen. Bis jetzt, denn ich atme den Rauch seiner Zigarre tief ein. Eigentlich habe ich vor Ewigkeiten aufgehört zu rauchen aber nichtsdestotrotz rieche ich diesen Geruch im Speziellen noch immer gerne. „Tut mir ja leid, Ashford aber sogar ich habe Bedürfnisse. Und dieser Barkeeper ist nun einmal verflucht heiß", kontert Harry ganz trocken und nimmt einen weiteren Zug. Mein Anwaltskollege wird vielleicht nie zu meinem besten Freund werden aber zumindest heute hatte ich mir ein bisschen Rückendeckung erhofft. Dafür hatten wir im Studium nun wirklich genug durchgemacht. Zu oft spielte ich die eifersüchtige, traurige, aufgebrachte oder verrückte Freundin, die irgendwelche seiner Errungenschaften aus seinem Zimmer vertreiben musste. Damals, als er noch der festen Überzeugung war, die Schwärmereien für unseren Criminal-Law-Professor seien eine Phase.

„Warum genau ist Lu nochmal so erpicht darauf dich zu verkuppeln?" fragt Harry schließlich in die aufgekommene Stille hinein. Als Antwort kann ich nur mit den Schultern zucken. Luisa geht mir mit diesem Thema unfassbar auf die Nerven und genau das weiß sie auch. Hält es sie davon ab mich ständig zu nerven? - Leider nicht.

„Naja dir geht's ja auch so ganz gut. Warum also dazwischenfunken?" Mit diesem abschließenden Statement drückt Harry seine Zigarre in dem Aschenbecher aus und lässt mich in der Kälte zurück. Sicherlich hat er Recht, es geht mir gut, so wie es ist. Und dennoch stört mich etwas an der Art, wie er es gesagt hat. Was dieses Etwas ist, kann ich nicht sagen und so kehre auch ich in die warme, stickige Bar zurück. Inzwischen ist die Stimmung deutlich lockerer, einige Gäste haben den gewissen Pegel erreicht und auch ich wünsche mir, dass ich meinen ‚Mir ist alles Egal' - Stand bereits erreicht hätte. Aber dafür reichen die Cocktails noch nicht aus.

Um an diesem Zustand arbeiten zu können, bleibt mir nichts Anderes übrig, als mich zu meinen Freunden zu setzen und zu beten, dass keiner der beiden senilen Irren gleich einen Heiratsantrag heraus posaunt, so verliebt, wie sie ihre Herzdamen anschmachten. Bei dem Rest der Gruppe ist der Zug ja schon abgefahren.

Frustriert trinke ich also den letzten Rest meines sommerlichen Cocktails und schaue sogleich nach der Bedienung.

„Kannst du nicht anders Spaß haben?" ertönt es kritisierend von meiner linken. Während Louis noch halb an ihrem Hals hängt, wie ein Blutegel, mustert meine beste Freundin mich kritisch. Dass es sich bei meinem neu gefüllten Glas um den bereits fünften Drink handelt, weiß sie gar nicht. Zu sehr beschäftigt war sie mit sich und dem neuen Payne'schen Anwesen. („Ach nein, ihr seid zusammengezogen?! Wow wie schön! - Ach herrlich, diese Tapete! Schau doch mal Louis! Ich habe dir gleich gesagt, wir hätten dieses Steinmuster im Wohnzimmer nehmen sollen, das sieht so toll aus.")

„Weißt du was? Ich habe die Nase voll von deiner Negativität." Dass sich Lu mit einem Male von Louis wegdreht, verwundert mich; sehr sogar. Sie funkelt mich böse an und ich frage mich ernsthaft, was genau eigentlich ihr Problem ist. Ich habe nichts gemacht, als neben ihnen zu sitzen und still meinen Drink zu genießen. Die ein, zwei Male in denen ich genervt die Augen gerollt habe, hat sie sicherlich nicht gesehen, denke ich. Aber ein Blick zur Seite zeigt mir, dass ich falsch liege. Lu funkelt mich böse an und alleine an ihrer pochenden Halsschlagader merke ich, dass sie deutlich angefressen ist.

Wie selbstverständlich legt sich Andys Hand auf meinen Oberschenkel und signalisiert mir: Fahre deinen Puls nach unten. Ich muss tief durchatmen. Sehr tief.

„Mädels, beruhigt euch. Ist doch alles gut", säuselt Maya lieblich und versucht so die Situation zu kitten. Allerdings gießt die sonst so smarte Frau damit nur Öl ins Feuer. Unbeabsichtigt aber mit deutlich explosiver Wirkung. „Ne, ganz bestimmt nicht", feuert Lu direkt los. „Deine Scheiß-Laune geht mir unfassbar doll auf den Sack. Wir klären das hier und heute."

Jetzt hat sie mich, denn Neugier zählt zu meinen größten Schwächen. Herausfordernd funkle ich sie an, lehne mich süffisant grinsend zu ihr und frage: „Und wie genau soll das aussehen, Frau Klugscheißerin? Verabreden wir uns für Morgen, 12 Uhr mit unseren Revolvern an der Themse?" Mit vor dem Mund gehaltener Hand prustet Mackenzie los und dreht sich ein bisschen zu langsam weg, als dass sie ihren Mann damit nicht anstecken könnte. Und mich gleich mit. Drei viel zu breit grinsende Gesichter sind nicht gerade das, was Lu sich erhofft hat. Vielleicht dauert es auch ein bisschen zu lange, bis wir drei uns wieder beruhigt haben.

Luisas überlegener Blick hätte mich warnen sollen, dessen war ich mir im Nachhinein bewusst. Aber leider eben erst im Nachhinein.

„Du suchst dir hier und jetzt einen netten Typen in der Bar aus, quatscht ihn an und versucht ihn ehrlich kennen zu lernen. Wenn du ihn in die Kiste lockst, bitte, mir egal. Aber wenn du am Ende dieses 'Abenteuers' an nichts Ernsthaftem interessiert bist, lasse ich dich in Ruhe. Falls du merkst, dass du eine Macke hast, die sich Bindungsangst nennt – bedeutet, falls du ihn einfach direkt wieder abschießt, wirst du dich auf einen Plan einlassen, den ich mir für dich ausgedacht habe."

Mein Verstand schreit mich an, er befiehlt mir zu rennen, meine sieben Sachen samt Aiden einzupacken und zu verschwinden. Ihr Plan kann nichts Gutes bedeuten und ihre Herausforderung ist kindisch, völlig überflüssig und unsinnig.

Das weiß ich. Vor allem auch daran, dass Kenzie und Andy absolut synchron, schnell und eindringlich den Kopf schütteln.

„Deal", grinse ich trotzdem siegessicher und reiche ihre die Hand. Meine Ruhe ist mir in diesen Tagen Gold wert und wenn ich dafür nur einen gutaussehenden Typen abschleppen muss, ist mir das nur Recht. Denn in der Tat habe ich beim Betreten nach meiner Unterhaltung mit Harry einen jungen Mann ausgemacht. Noch immer lehnt er an der Bar und unterhält sich mit dem Barkeeper. Im Gegensatz zu den sonstigen Wracks, die dieser Tätigkeit nachgehen, macht er einen anderen Eindruck auf mich.

Er schaut interessiert aus, lacht immer wieder und fährt sich durch die dunkel braune Tolle, während er versucht möglichst ungesehen zu mir zu schauen. Sein Bizeps ist angespannt, er sieht ganz klar so aus, als würde er nur darauf warten angesprochen zu werden und genau das teile ich meiner besten Freundin auch mit.

„Bitte, nur zu." Mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen schiebt sie mich von der Bank und ich tue, was ich immer tue, bevor ich mich einem männlichen Wesen nähere. Checke meinen Atem, zupfe mein Kleid zurecht und überprüfe unauffällig, ob mein Busen auch so zur Geltung kommt, wie ich es möchte. Heutzutage, bei all diesen aufgepumpten Barbiepuppen muss ich mit meinem zarten B-Körbchen einfach zusehen, wo ich bleibe.

Kurz bevor ich mich auf den Weg mache, leere ich meinen Cocktail in einem Zug und werde von Andy am Handgelenk festgehalten. „Bist du dir sicher?" Seine Augen wirken glasig, auch er hat heute schon kräftig ins Glas geschaut, doch dieser besorgte-große-Bruder-Glanz, der seine Augen niemals verlässt, ist trotzdem deutlich sichtbar. „Absolut", antworte ich, drücke ihm einen Kuss auf den Scheitel, so wie er es zu Beginn des Abends gemacht hat und mache mich auf den Weg.

Stoßgebete werden in den Himmel gesandt.

Selbstsicher schreite ich zur Bar und merke nur eine schlechte Popsong-Länge später, warum meine beste Freundin so süffisant gegrinst hat.

Der gutaussehende Typ an der Bar hat es tatsächlich darauf abgesehen angesprochen und gesehen zu werden. Allerdings nicht von mir, sondern von dem durchtrainierten Barkeeper und genau das teilt er mir lallend und sehr verzweifelt mit. „Fuck", fluche ich und bin kurz versucht mir verzweifelt durch die Haare zu fahren. Aufgeben kommt aber nicht in Frage. Ich muss meiner besten Freundin einfach beweisen, dass ich nicht so simpel gestrickt bin, wie sie denkt und dass ich allen voran sehr, sehr gut alleine klar komme.

Dieser durchaus optimistischen Ansicht bin ich drei Abfuhren und einer fast-Cocktail-Dusche durch eine eifersüchtige Freundin nicht mehr. Luisa lächle ich siegessicher zu und auch den Spaß am Tanzen versuche ich mir nicht nehmen zu lassen, doch sobald ich dem Tisch mit meinen Freunden den Rücken zudrehe, seufze ich genervt auf und bestelle ein weiteres Glas von dem süßen Cocktail.

„Auch nicht so dein Tag heute, was?" Eine raue und doch weiche Stimme quatscht mich plötzlich von der Seite an. Als ich mich zu ihm drehe, merke ich nicht nur, wie mir der Alkohol langsam zu Kopfe steigt, sondern auch, dass ich meine Selbstachtung zusammen mit meiner Jacke am heutigen Abend an der Garderobe abgegeben habe.

„Willst du eine ehrliche Antwort?" Zuerst ext er sein Bierglas und dann erst sieht er mich nickend an. „Ich hab' mit meiner Freundin gewettet, dass ich mich erst ehrlich für einen Typen interessiere und ihn dann erst eventuell abschleppe."

„Interessant." Mehr sagt er nicht dazu und für einen Moment verunsichert es mich. Nur deswegen - okay, vielleicht auch weil er wirklich gut aussieht - mustere ich ihn. Sein hellgraues Hemd harmoniert auf seltsame Art und Weise mit seiner hellen Haut und den faszinierenden, stählernen Augen. In dem spärlichen Licht kann ich nicht genau sagen, ob sie nun bläulich-grün oder doch eher blau-gräulich sind und genau dieses Farbspiel gefällt mir gut. Von dem leicht definierten Bizeps und den dunklen, weichen Haaren einmal abgesehen, gefällt mir auch der Klang seiner Stimme sehr. Warum ist er mir nicht schon früher aufgefallen? Geheimnisvolle Typen in schwarzen Lederjacken sind eigentlich ein direkter Blickfang.

„Willst du mich weiter so anstarren oder fragst du endlich mal, ob wir uns verpissen, damit wir deiner herrischen Freundin vorgaukeln können, dass du dich für mich interessierst?" Völlig perplex starre ich ihn an und bekomme keinen Ton heraus. „Was denn? Ich kann einen netten Abend auch ganz gut gebrauchen. Beruflich läuft es gerade nicht so, also habe ich vielleicht Glück im Spiel? Spielst du Billard?" Noch immer starre ich den namenlosen aber anziehenden Fremden an, doch jetzt bin ich wenigstens in der Lage dümmlich zu nicken.

 

„Ich sage ihr nur noch kurz Bescheid, dann treffen wir uns am Ausgang -äh" „-Anton. Angenehm dich kennen zu lernen."

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