3. Schweigen
PoV Zombey
Ich konnte meinen Blick einfach nicht von dem Neko abwenden, der nun neben uns die Gänge zwischen den Boxen entlangging, den Blick unterwürfig gesenkt und die Schultern ängstlich hochgezogen. Die Leine zu seinem Halsband war genau so gestrafft, dass er den Zug spüren müsste, doch jedes Mal, wenn ich ihm mehr Freiraum geben wollte, suchte er sofort wieder diesen Abstand. So wie er sich benahm, wollte ich wirklich nicht wissen, was all die Leute, die versucht hatten, ihn zum Sprechen zu bringen, ihm angetan hatte. Tatsächlich schien er den Weg, den wir nun einschlugen schon zu kennen, denn er wurde immer verspannter. Der beißende Geruch der Stallungen wurde immer schwächer und die Geräuschkulisse verstummte zunehmend, als wir uns von den Boxen entfernten. Irgendwann blieb der Geschäftsführer stehen und schloss zu unserer Linken eine Tür auf, die er einladend aufhielt. Die Wände des Raumes dahinter waren steinern und kahl, kein Möbelstück stand hier und als ich durch die Tür trat, begann ich sofort an der kühlen Luft zu frösteln. Besorgt sah ich zu dem Neko, der einen halben Meter hinter mir sich auf den kalten Boden gekniet hatte, den Blick immer noch unterwürfig gesenkt. »Ich lasse Sie dann einmal alleine«, fing der schmierige Mann neben mir an und ich nickte. »Wenn etwas ist, ich werde im Raum gegenüber sein, ansonsten werde ich so in einer halben Stunde vorbeisehen, wenn es Ihnen passt? Oder brauchen Sie länger?« Sofort schüttelte ich den Kopf. Der Junge neben mir, der mir auch im Stehen gerade einmal bis zur Schulter zu gehen schien, was für einen Neko allerdings nicht ungewöhnlich war, trug nichts weiter als eine kurze Hose und ich hatte Angst, dass er schon in dieser kurzen Zeit in diesem kalten Raum krank werden würde. Gerade wollte der Mann gehen, als mir eine letzte Frage einfiel: »Entschuldigung? Hat der Neko einen Namen?«, erkundigte ich mich und mein Gegenüber schien kurz zu zögern, bevor er antwortete: »Manu.« Kaum war der uniformierte Mann mit einem höflichen Lächeln verschwunden und hatte die Tür hinter sich geschlossen, ging ich vor dem Kleineren in die Hocke. »Hey, Manu. Du brauchst keine Angst haben. Ich bin Michael«, stellte ich mich behutsam vor, doch der Kleine zeigte keine Reaktion. »Nicht erschrecken, ich mache dir bloß die Leine ab«, warnte ich den Neko, bevor ich langsm die Hand hob und an der Leine entlang bis hin zu seinem Hals fuhr, wo ich vorsichtig den Haken aus dem Halsband löste, das eng um seinen Hals lag. Wieder rührte sich der Neko keinen Zentimeter. »Komm, steh auf, du wirst noch krank, wenn du hier so auf dem halten Boden kniest«, wies ich ihn sanft an und das erste Mal, seitdem wir diesen Raum betreten hatten, kam Leben in den Kleineren. Es wirkte unglaublich süß und tappsig, wie er sich vom Boden hochstemmte, bis er schließlich mit unterwürfig angelegten Ohren und hängendem Schweif vor mir stand. Immer noch hielt er den Kopf gesenkt und seine schwarzen Haare fielen ihm zerzaust fast bis zur Brust, wodurch ich keine Möglichkeit hatte, sein Gesicht zu sehen. »Manu? Du darfst mich ruhig ansehen, wenn du willst«, klärte ich den Kleinen auf und tatsächlich hob er nur wenige Sekunden später vorsichtig den Blick. Aufmerksam musterte ich das filigrane Gesicht des Halbkaters, seine fein geschwungenen Lippen und die unnatürlich dunkelgrünen Augen. »Du bist hübsch«, sprach ich offen meine Gedanken aus, was zur Folge hatte, dass sich die Augen des Nekos fast unmerklich weiteten. Ich musste bei diesem Anblick leicht lächeln. Ich hatte selten jemanden gesehen, der so süß war wie dieser Junge vor mir. Vorsichtig hob ich die Hand, worauf der Neko sofort ängstlich die Augen schloss. »Pscht, ganz ruhig. Ich tu dir nicht weh. Versprochen«, versuchte ich den Kleinen zu beruhigen, doch er zuckte bloß beim Klang meiner Worte zusammen. Seufzend legte ich eine meiner Hände an seinen Kopf und stich ihm behutsam die Haare aus dem Gesicht, die ihm bis über die Schultern fielen. Im Gegensatz zu den verkäuflichen Nekos wirkte er lange nicht so sauber und gepflegt, seine Haare waren ungepflegt, glanzlos und verknotet und man merkte, dass nicht damit gerechnet worden war, dass er zur Sicht kommen würde. Vorsichtig fuhr ich mit den Fingern durch seine Haare, um die gröbsten Knoten zu lösen und als ich das nächste Mal in das Gesicht des Kleineren sah, hatte er die Augen wieder geöffnet. Ängstlich sah er mich an, während ich mich nicht in meiner Arbeit beirren ließ und ihm nur ein beruhigendes Lächeln schenkte. Erst als ich aus Versehen an seine weichen Katzenohren kam und er zusammenzuckte, hielt ich inne. »Tut mir leid. Tut das weh?«, entschuldigte ich mich und schon fast panisch schüttelte der Neko den Kopf. Ich glaubte ihm nicht ganz und versuchte, nicht mehr in die Nähe der anscheinend sehr empfindlichen Ohren zu kommen, während ich weiter mit meinen Fingern seine Haare entwirrte. Nach einigen Minuten war ich halbwegs zufrieden und musterte den Neko, Manu, lächelnd. Mir fiel auf, wie verkrampft er vor mir stand, doch mir fiel nichts ein, was ich tun könnte, um das zu ändern. Schließlich trat ich einfach wortlos ein paar Schritte zurück, bevor ich mich an der Wand auf den Boden runter ließ. »Setz dich doch zu mir«, wies ich den Neko an, der sichtlich ratlos herumstand und sofort eilte er neben mich, um sich dort auf die Knie zu lassen. Auf meine erneute Frage, ob ihm kalt sei, schüttelte er bloß den Kopf. »Du willst bloß nicht reden, oder? Du könntest schon.«, wollte ich wissen und vorsichtig sah mich der Schwarzhaarige von unten heraus an, bevor er nickte. Nervös und sichtlich ängstlich kaute er auf seiner Unterlippe herum, was ihn so süß aussehen ließ, dass ich schmunzeln musste. Nachdenklich musterte ich seinen Schweif, der unruhig hin und her zuckte. »Wie lange bist du schon hier?«, wollte ich von Manu wissen, der kurz zu überlegen schien. Dann zuckte er mit den Schultern. »Schon lange?«, fragte ich weiter und er nickte. »Mehrere Jahre?« Wieder nicken. Auch als ich ihn fragte, ob er dazwischen nie einen festen Besitzer gehabt hatte, nickte er wieder und hielt dann vier Finger hoch. »Vier Besitzer?«, hakte ich nach und er bestätigte es wortlos. »Aber sie haben dich immer wieder zurück gegeben?« Nicken. »Warum?«, wunderte ich mich und wenn ich ihn so ansah, konnte ich es echt nicht verstehen. Manu war einfach unglaublich süß und zudem schien er gut erzogen zu sein. Alles, was man von einem Neko wollte. Wo war der Haken? Auch der Schwarzhaarige schien es nicht zu wissen oder mir nicht sagen zu wollen, denn er zuckte erneut mit den Schultern. »Wärest du lieber bei einem Besitzer als hier?«, fragte ich weiter und erst nickte er, bevor er den Kopf schüttelte. Ich betrachtete ihn nachdenklich. Gerade wollte ich erneut ansetzen, als die Tür aufging. Erschrocken zuckte mein Gegenüber zusammen und kauerte sich an die Wand, den Blick wieder streng an den Boden geheftet. »Die halbe Stunde wäre um. Hatten Sie Erfolg?«, wollte der Geschäftsführer wissen, der in der Tür stand. Ich zuckte mit den Schultern, bevor ich aussprach, wessen ich mir inzwischen vollkommen sicher war. »Ich, weiß, er ist nicht verkäuflich. Aber könnte man darüber verhandeln? Ich würde ihn gerne haben.«
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