23. Wach

PoV Micha

Es war inzwischen fast eine Stunde her, dass die Klinik mich angerufen hatte. Manu war aufgewacht und am liebsten wäre ich direkt zu ihm gefahren, wenn da nicht noch Melina und Nico gewesen wären, die beide gerade bei mir waren und die ich nunmal weder mitnehmen noch alleine lassen konnte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als auf Anna zu warten, die heute ihren Bruder besucht hatte und deswegen fast dreihundert Kilometer weit weg gewesen war. Zum Glück war sie schon auf dem Rückweg gewesen, als ich sie angerufen hatte, dass Manu wach war und jetzt musste sie jeden Moment kommen. Ich machte mir um ehrlich zu sein leichte Sorgen und befürchtete, dass Manu denken könnte, es würde mich nicht interessieren, dass er wach ist, weil ich nicht sofort kam, aber ändern konnte ich gerade nichts.

Als Anna schließlich endlich kam, nahm ich mir kaum die Zeit, sie zur Begrüßung zu umarmen und mich von Melina zu verabschieden, bevor ich auch schon im Auto saß und auf dem Weg zur Klinik war. Dort fand ich zum Glück gleich auf anhieb einen Parkplatz und meldete mich kurz darauf an der Rezeption, woraufhin ein Pfleger kam, der mich zu Manu bringen sollte. Irgendwann kamen wir vor einer schweren Tür zu stehen, hinter der sich, wie mir erklärt wurde, der Aufwachraum befand. Der Pfleger suchte einen Schlüssel von seinem Schlüsselbund heraus und sperrte die Tür auf, durch die ich hindurch trat und mich erst einmal an das Dämmerlicht gewöhnen musste. An einer wand standen vier Käfige, drei davon leer, in dem dritten, wie ich erkennen konnte, als ich näher herantrat und den Riegel vorsichtig aufschob, in einer Ecke zusammengerollt und anscheinend schlafend Manu. Leise öffnete ich die vergitterte Tür und schlüpfte hindurch, bevor ich mich neben den schlafenden Neko kniete, der friedlich zusammengerollt sein Kuscheltier umklammert hielt und dessen Ohren immer wieder leicht zuckten. Jetzt, da er schlief wirkte Manu noch verletzlicher als eh schon und zur Abwechslung zierte mal kein Hauch von Angst oder Unterwerfung sein Gesicht. Ich liebte es, meinem Neko beim Schlafen zuzusehen, doch jetzt erhob ich langsam die Stimme, um ihn zu wecken. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass es nicht gut war, Manu anzufassen, wenn er schlief, um ihn so zu wecken, das eine Mal, als ich den Fehler gemacht hatte, schien er sofort in irgendeine Erinnerung zurückgefallen zu sein und hatte sich zitternd zusammengekauert.

»Manu. Kleiner, wach auf. Schau mal, Kleiner, du hast Besuch.«

Langsam öffnete Manu seine Augen und schien erst etwas desorientiert, bevor er mich mit großen Augen ansah. Jetzt wusste ich, dass ich ihn berühren konnte und legte ihm sanft eine Hand auf den Kopf, über den ich vorsichtig strich.

»Wie gehts dir, Kleiner? Hast du Schmerzen?«

Manu schüttelte den Kopf, nickte dann jedoch.

»Sir, es ... es ist besser geworden.«

»Sehr gut. Tut mir leid, dass ich nicht früher kommen konnte, Kleiner, ich konnte Nico und Melina nicht alleine lassen.«

»Ihr ... ihr solltet euch keine Vorwürfe machen. Die Kinder gehen vor.«

Ich lächelte leicht.

»Jetzt nicht. Jetzt bin ich hier und hier zählst nur du. Vorsicht, nicht erschrecken.«

Behutsam griff ich unter Manus Arme und hoch ihn mitsamt Kuscheltier hoch, bevor ich selbst aufstand und die Box verließ.

»Bringt Ihr mich zu den Anderen?«

Ich lächelte den Kater leicht an.

»Ja. Erst einmal. Ein paar Tage wirst du noch hier bleiben müssen.«

Tapfer nickte mein Neko aber man sah ihm an, dass er am liebsten nach Hause gewollt hätte.

Ich hatte lange überlegt, ob es schlauer war, Manu in einer Einzelbox oder zusammen mit anderen Unterzubringen hatte mich aber schließlich in Anbetracht seiner psychischen Instabilität für ersteres entschieden, zumal die Patienten, die fit genug waren, tagsüber eh die Möglichkeit hatten, aus ihrer Box in einen Gruppenraum zu kommen, wo sie unter Aufsicht von einem Pfleger, der aber auch ab und zu mit ihnen spielte, in Gesellschaft waren. Inzwischen war es früher Abend und, wie mir der Pfleger erklärte, der mich durch die Flure zu den Boxen brachte, zu spät für den Gemeinschaftsraum, von dem die Nekos kurz vor der Fütterung zurück in ihre Boxen mussten.

Der Käfig, in dem Manu die nächsten Tage schlafen würde war zwar nicht riesig, aber groß genug und in einer Ecke lag eine Decke, auf der der Halbkater würde schlafen können. Außerdem stand dort ein Wassernapf und eine Schüssel mit dem typischen Nekobrei, der Manus Augen sofort größer werden ließ, als er ihn sah. Ich lächelte und stellte den Neko vorsichtig auf seinen Beinen ab, wo er wackelig ein, zwei Schritte ging und sich dann vor dem Napf auf den Boden fallen ließ. Er lehnte sich gegen eine der Gitterwände und hob den Napf auf seinen Schoß, wo er ihn auf seinem eingerollten Schwanz abstellte und, als wir nicht zu widersprechen schienen, seine Finger darin eintauschte, um sie danach abzulecken, wie ich es schon öfters bei ihm gesehen hatte.

Bis auf leise schmatzende Geräusche war nichts von dem Kater zu hören und ich wartete, bis der Napf leer war, bevor ich neben ihm in die Knie ging.

»Schau mal her, Manu. Ich werde jetzt wieder nach Hause fahren müssen. Wenn dir die Leute hier Medizin geben, dann nimm sie bitte und wenn du Schmerzen hast sagst du es ihnen, okay?«

Brav beeilte sich der Neko, zu nicken.

»Okay. Ich kann morgen gegen Nachmittag erst wieder kommen, Anna kann die Kinder erst nach der Arbeit nehmen. Sei so lange brav, okay?«

Wieder nickte der Schwarzhaarige.

»Versprochen?«

»Versprochen.«

Manus Stimme war leise, doch als ich ihm sanft über den Nacken strich begann er sofort, zu schnurren.

»Und wenn irgendetwas sein sollte, können die hier mich anrufen und dann komme ich sofort her, okay?«

Wieder nickte Manu.

»Sehr schön. Morgen früh werdet ihr raus gelassen in einen Gemeinschaftsraum. Vielleicht findest du hier ja sogar Freunde.«

»Sind meine Beine ...«

»Noch nicht wieder ganz gesund. Aber wenn du vorsichtig bist darfst du sie schon ein wenig belasten.«

»Da- Danke.«

»Ach Kleiner.«

Ich lächelte.

»Gewöhn dich daran. Ich will nicht, dass es dir jemals wieder schlecht geht.«

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