15. Abendessen
PoV Micha
Gefühlte Stunden später waren wir endlich fertig, Manu gewaschen und neu eingekleidet, seine Haare gepflegt und entlaust und wir bei einem Tierarzt gewesen, der sich auf Nekos spezialisiert hatte, der uns aber auch nicht mehr hatte sagen können, als dass Manu sich unter allen Umständen schonen sollte, es lange dauern würde, bis er wieder normal laufen könnte und die einzige Alternative dazu eine sehr kostenaufwändige Operation wäre. Jetzt lagen wir auf dem Sofa, Manus Kopf auf meinem Schoß und ich streichelte gedankenverloren über die Haare des Nekos. Im Hintergrund lief eine Kindersendung, die Melina geschaut hatte, bevor Anna mit den Kindern nach Hause gefahren war und die ich bloß auf lautlos gestellt hatte. Manu war am Anfang total begeistert von dem Fernseher gewesen, hatte sich aber inzwischen wieder beruhigt und döste gerade vor sich hin. Vorsichtig begann ich, den Bereich hinter seinen Ohren zu kraulen und ein leises Schnurren rollte aus Manus Kehle. Sofort schien der Kater hellwach.
"Was... was ist das?"
Fast panisch sah er mich an, fasste sich an die Kehle.
"M- Master... warum mache ich das? Was ist das? Macht es weg! Ich flehe euch an, ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat!"
Entgeistert musterte ich den dunkelbraunen Wuschelkopf.
"Psssssht. Beruhig dich, Kleiner. Es ist alles gut. Es ist doch nicht schlimm. Du hast doch bloß geschnurrt."
"Herr, w- warum mache ich das?"
"Das machen Nekos so, wenn es ihnen gut geht."
Manu sah mich nachdenklich an, nickte dann leicht. Dieser Anblick machte mich unglaublich traurig. Manu wusste nicht einmal, was es war, zu schnurren. Wie verdammt scheiße musste es ihm in den vergangenen Jahren gegangen sein? Vorsichtig setzte ich mich auf, woraufhin der Neko sofort von meinem Schoß kletterte und sich neben mich aufs Sofa kniete, so, dass er nicht auf seinen Beinen saß, sondern leicht daneben.
Ich lächelte ihn aufmunternd an, bevor ich aufstand. »Ich mach uns Abendessen. Willst du mit mir essen oder soll ich dir wieder diesen Brei geben?«
»Herr, ich habe heute bereits gegessen.«
Ich zog eine Augenbraue hoch.
»Ja. Zum Frühstück. Wir hatten noch nicht einmal Mittagessen.«
»Eine Mahlzeit am Tag ist viel mehr als ich verdiene, Master.«
»Hey. Sag so etwas nicht, Manu. Das ist Unsinn. Du wirst hier in der Regel drei Mal am Tag etwas zu Essen bekommen. Wenn du keinen Hunger hast, musst du nicht essen und wenn du dazwischen noch Hunger hast, redest du mit mir, dann mache ich dir etwas. Wenn du wieder laufen kannst, kannst du dir auch einfach selbst etwas machen oder nehmen. Du wirst NIE wieder mit Hunger ins Bett gehen, okay?«
»Sir, das ist...«
»Psssst. Kein Widerspruch, Kleiner.«
»Tut mir leid, Master.«
»Bleib einfach liegen, Kätzchen. Ruh dich aus. Ich mach bloß eben etwas zu essen. Was willst du jetzt haben?«
»Der Nekobrei reicht vollkommen, Master.«
Ich strich vorsichtig über die dunkelbraunen Haare des Halbkaters, bevor ich in die Küche ging und begann, mir Nudeln zu machen. Ich hatte keine Lust, etwas aufwändigeres zu kochen. Manus Brei schüttete ich in einen Topf und wärmte ihn leicht auf. Als ich meine Nase darüber hielt und die Luft einsog, konnte ich überhaupt nichts riechen. Das Zeug konnte einfach nicht schmecken. Aber was anderes schien der Neko ja nicht zu essen. Als das Essen fertig war füllte ich den Brei in eine Plastikschüssel, legte einen Löffel rein, damit Manu nicht wieder nur mit dem Mund essen musste, und meine Nudeln mit Pesto aus dem Glas auf einen Teller, bevor ich mit beidem zurück ins Wohnzimmer kam. Sofort schreckte Manu, der gedöst zu haben schien, wieder auf. Ich stellte ihm die Schüssel auf den Schoß und setzte mich selbst neben ihn auf das Sofa.
»Du darfst.«
Ich hatte verstanden, dass Manu anscheinend nur aß, wenn es ihm zuvor explizit erlaubt worden war. Nachdenklich sah Manu auf die Schüssel.
»Herr...?«
»Was ist los, Kleiner?«
»Dürf... dürfte ich mit den Händen essen, Master?«
»Natürlich. Selbstverständlich.«
Eigentlich hatte ich erwartet, dass Manu nun den Löffel in die Hand nehmen würde, was er zunächst auch tat und ihn sogar ableckte bis er glänzte, dann allerdings legte er ihn sich neben die Schüssel auf den Schoß und tauchte stattdessen seine Finger in den Brei, die er daraufhin in den Mund nahm und daran saugte. Ich betrachtete ihn lächelnd und auch wenn das wohl nicht die effektivste Art war, sah es so süß aus, dass ich selbst kaum zum Essen kam und stattdessen nur den Kleinen beobachtete.
»Darf ich dich etwas fragen?«
Manu sah mich halb ängstlich an.
»Master...?«
»Isst du immer so?«
»Wenn ich anders essen soll, sagt es mir, Master, und ich werde es tun. Ich kann auch wieder den Brei mit der Zunge essen. Oder ihr besorgt euch so eine Vorrichtung, an der ich saugen muss, wenn ihr mich hinhalten wollt. Ich kann euch aus eigener Erfahrung garantieren, dass so etwas sehr...«
»Manu. Beruhig dich bitte. Du darfst essen, wie du willst. Du darfst auch den Löffel nehmen, wenn du willst.«
»Herr, ich... Ich habe noch nie so etwas benutzt.«
»Warum wundert mich das jetzt nicht?«
»Ich... weiß es nicht, Master, tut mir leid.«
Von rhetorischen Fragen schien der Schwarzhaarige wohl auch noch nie etwas gehört zu haben.
»Muss es nicht. Schmeckt dir dieser Brei überhaupt?«
»Herr, wie es schmeckt ist irrelevant. Es ist günstig und enthält genügend Nährstoffe, als dass ein Neko davon leben könnte.«
»Also schmeckt es nicht.«
»Es hat keinen Geschmack, Herr. Nur leicht bitter.«
»Tut mir leid, ich habe nicht allzu viel Erfahrung mit Nekos. Vertragt ihr kein anderes Essen oder warum bekommt ihr nur diesen Brei?«
»Es ist wie gesagt das günstigste, Master. Ein Neko verdient kein Menschenessen.«
»Sag so etwas bitte nicht. Du weißt, dass das nicht stimmt.«
»Verzeiht mir, Herr, ich wollte nichts falsches sagen. Tut mir leid.«
»Hast du schon einmal anderes Essen probiert?«
Manu sah mich entgeistert an.
»Natürlich nicht! Das steht mir nicht zu!«
»Du wirst morgen das gleiche wie ich essen.«
»Sir, das...!« Manu war empört, doch ich ließ ihn nicht aussprechen.
»Nein. Keine Sorge, du brauchst keine Angst zu haben, dass du es nicht wert wärst oder so. Das stimmt nicht. Es ist nur Essen. Es ist nichts dabei.«
»Danke, Master. Das ist sehr freundlich von euch.«
Kaum merklich lehnte sich der Dunkelhaarige gegen mich und ich drückte ihn mit einem Arm an mich. Kurz verkrampfte der Neko sich, bevor er sich wenn auch nur langsam wieder entspannte und sogar ruhig blieb, als ich vorsichtig begann, über seinen Hals, eine der empfindlichsten und verletzlichsten Körperstellen, zu streicheln. Irgendwann hielt ich irritiert inne und fuhr erneut mit den Fingerkuppen über die kleine Wölbung an Manus Hals.
»Was ist das?«
Ich drehte ihn so, dass ich die Stelle betrachten konnte, wo sich leicht etwas unter seiner Haut abzeichnete.
»Mein Chip, Master.«
»Dein Chip...?«
»Jeder Neko hier ist gechippt, Sir. Ihr könnt euch eine App auf euer Handy holen, mit der ihr mich dann mithilfe meines Chips orten könnt.«
»Wieso sollte ich dich orten wollen?«
»Falls ich weglaufe, Master.«
»Aber du würdest doch nicht weglaufen?«
»Sir, nein, tut mir leid, Herr. Das wollte ich nicht sagen. Ich will nicht weglaufen, Master, das ist ein Missverständnis. Bitte glaubt mir. Bitte, Herr.«
"Beruhig dich, Manu. Ich glaube dir ja. Und wenn du darüber nachdenkst, abzuhauen, wenn dir irgendetwas hier nicht gefällt, dann sprich bitte mit mir darüber, okay?"
Stumm nickte der Neko.
"Herr, danke."
"Für was denn?«
»Ihr habt mich noch nie bestraft, obwohl ich es schon sehr oft verdient gehabt hätte."
"Du hast dich noch kein einziges Mal so benommen, dass ich dich hätte bestrafen müsen, Kleiner."
"Danke, Master. Versteht mich nicht falsch, ich will es euch damit nicht schwer machen, mich irgendwann zurückzugeben. Was es für euch natürlich sowieso nicht werden wird, schließlich ist das auch kein großer Verlust. Aber ich habe mich noch nie in meinem Leben so wohl gefühlt wie bei euch."
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