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"Ich hoffe, du hast deinen Alpha kontaktiert". Spitzel hatte sich im Aufzug zum Esssaal zu mir gesellt. Ich hatte meinen Mate darum gebeten, aber jetzt wusste ich nicht wie die Lage stand, ob jemand von meinem Rudel kooperierte oder nicht. Dennoch nickte ich ihm zu. Einen Versuch war es Wert. Ich öffnete meine Gedankenverbindung für minimale Sekunden zu Carlson.

"Du hast doch Alpha Bruno von Spitzel erzählt".

"Er wird sich in 5 Minuten bei ihm melden. Ich sorge dafür".

Gleich darauf schloss ich die Verbindung. Gleichzeitig hielten wir mit dem Aufzug an. Geübt schritten wir den Weg an und hielten unseren Mund bis die Eisentür ins Schloss fiel und die Küchendamen aus dem Raum verschwanden. Ich bemerkte, wie die Menge sich wieder untereinander austauschte. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich wieder zu Spitzel zu setzen. Seine Augen verharrten auf meinen. Er schien über Gedanken zu kommunizieren. Ich wusste, er nutzte die Gedankenverbindung. Mein Herz pochte im Wissen, es war Alpha Bruno gewesen.

Seine Miene versteinerte sich. Irgendetwas schien  Spitzel nicht zu gefallen. Instinktiv trat ich zurück. Man roch meine Angst. Der Typ war um einiges größer und stärker als ich. Es war klar, einen Kampf könnte ich nicht gewinnen. Rogues galten als gefährlich und nicht kontrollierbar. Sie hatten einen wilden Wolf, der keine Tabus kannte.

"Carlson", suchte ich ihn auf. Mein Mate konnte mir nicht helfen. Aber dennoch rief ich nach ihm.

"Hast du jemanden in deiner Nähe, der dir helfen könnte?"

Carlson wusste etwas, dass mir Ärger brachte.

"Carlson", wieder suchte ich nach ihm und wieder trat ich weitere Schritte zurück. Aus dem  Seitenwinkel beobachtete ich, wie sich Chris mir annäherte.
"Was ist passiert?"
"Ich weiß es nicht", flüsterte ich zurück, bevor mich Spitzel's wütender Schrei zusammenzucken ließ.

"Carlson!"
Ich klang verzweifelt. Ich dachte, es wäre geregelt, aber anscheinend hatte ihn Alpha Bruno nicht wiederaufgenommen.
"Es wird ihm nicht vergeben, Clementine", meldete sich mein Mate endlich über unsere Verbindung.
"Was?!", fragte ich empört nach. Kein Wunder, dass mich Spitzel gerade angriffslustig anstarrt.
"Er hat seine beste Freundin umgebracht. Ihr Mate ist daraufhin mitgegangen, Clementine. Er hat ein Rudelmitglied brutal umgelegt. Ihre Familie will ihm nicht gegenübertreten. Alpha Bruno kann da nichts machen! Er muss nach dem Rudel handeln".

Natürlich verstand ich die Eltern. Ich hätte damit auch nicht leben können, wenn meinem Kind so etwas schreckliches wiederfahren wäre.
"Er wurde nicht aufgenommen", nuschelte ich zu Chris rüber, der gerade auf Spitzel zuging.
"Du hast mich angelogen!"
Ich hatte ihn nicht angelogen. Ich hatte mein Versprechen gehalten, aber das würde er nicht mitbekommen. Sein Essenstablett fiel, als er sich abrupt vom Tisch erhob.

"Sprich mit mir, Clementine. Ich kann deine Angst spüren", erhielt Carlson meine Aufmerksamkeit.
"Er ist wütend, Carlson",
Carlson fluchte etwas, was ich nicht wagen würde auszusprechen.
Die Menge im Raum verhielt sich dementsprechend still. Keiner wagte es nur einen Ton abzugeben.

"Es hat bestimmt seinen Grund, Spitzel. Du willst hier keine Aufmerksamkeit ergattern", versuchte Chris beruhigend auf ihn einzureden.
Meine Schuhe quietschten, als ich einen weiteren Schritt zurück trat.
Ohne das ich es bemerkte, wurde ich zu Boden geworfen. Meine Augen nahmen die Rage in Spitzel's Augen auf, während Chris ihn so gut es ging zurückhielt.
"Komm runter", hörte ich Chris knurren. Ich hatte keine Hilfe von irgendwem erwartet, doch zu meiner Überraschung kam mir Tyra zur Hilfe. Sie sah nicht weitaus besser als gestern aus, dennoch war sie so freundlich und half mir hoch.

Chris schien an Oberhand zu gewinnen und schmiss Spitzel an die Wand, bis sich sein Wolf wieder beruhigte. Er jaulte, bevor er zu Boden glitt und Chris zurücktreten konnte.
"Wir sollten ihn in Ruhe lassen", meldete sich Tyra.
Ich hätte ihn nicht einmal einen Blick geschenkt. Nicht, nachdem Alpha Bruno ihn abgelehnt hatte. Langsam nickte ich Tyra zu. Chris schenkte mir ein Nicken in Richtung eines anderen Tisches.

Doch Tyra zog mich auf einen anderen Leeren hin. Ich wollte nicht unhöflich sein, somit zuckte ich meine Achseln, als Chris eine Augenbraue hob.
"Danke, das war vorhin sehr nett von dir", setzte ich ein Lächeln an. Sie erwiederte es nicht, stattdessen kam sie mir mit ihrem Gesicht näher. Ihre Augen verharrten auf Höhe meiner Gesichtszüge. Ich wusste nicht, was sie hinterfragte, jedoch gefiel mir ihre Nähe gerade nicht wirklich. Sie hatte meine Komfortzone überschritten. Ich wich mit meinem Kopf zurück.

"Oh Entschuldige", schnappte sie aus ihrer Trance.
"Ich dachte nur.." Sie schwenkte ihren Kopf.
"Vielleicht bilde ich es mir nur ein. Musste ich..."
"Nein, nein", unterbrach ich sie.
"Was meinst du?" Ich wollte nicht aufdringlich sein, aber ich kannte das Gefühl, wenn man alleine war und ich niemanden zum Reden hatte. Vielleicht fühlte ich Mitleid. Es konnte aber auch Sympathie sein. Was es auch war, ich wollte, dass sie mit mir offen war.

Tyra seufzte.
"Ich dachte nur, ich hätte meinen Bruder an dir gerochen". Sie begann zu lachen.
"Ich weiß, komplett dumm. Es liegt am Essen", witzelte sie und wandte ihre Augen in Richtung ihres kalt gewordenen Essens. Sie tat mir Leid. Es musste für sie schwer sein.
"Hast du keinen Kontakt mit ihm?" Damit meinte ich die Verbindung zu den Gedanken. Sie schwenkte ihren Kopf.
"Ich bin, bevor ich das Erlernen konnte entführt worden". Das saß tief.
"Tyra, wie alt bist du, wenn ich dich fragen darf?"
"16". Ich hielt kurz inne. Sie war jünger als ich. Ich fürchtete mich vor der nächsten Frage, dennoch brannte sie mir auf der Zunge.
"Mit wie vielen.. Jahren bist du.."
"Ich war damals 14". Meine Lippen teilten sich. Sie tat mir unheimlich Leid.

"Es tut mir Leid", flüsterte sie mir nach meinem inneren Gefühlskram zu.
"Ich hätte nicht denken sie sollen.. "
"Nein, nein das ist schon okay". Ich schenkte ihr ein zierliches Lächeln.
"Erzähl mir von ihm" Vielleicht brachte sie das auf bessere Gedanken.
"Von meinem Bruder?" Ich nickte ihr heftig zu.
"Er ist toll". Ihre Augen begannen größer zu werden.
"Weißt du, er ist um einiges älter als ich. Er hat immer die zweite Vaterrolle übernommen. Manchmal, wenn er spät von seiner Schicht gekommen ist, hat er sich in mein Zimmer geschlichen und mich teilweise aufgeweckt, nur weil ich so interessiert an die Bösen war", lachte sie fröhlich vor sich hin.
"An die Bösen?", fragte ich nach.
"Naja, damit meinte ich die Leute, denen er Strafzetteln gab", grinste sie mich an.

"Strafzettel?" Das Lächeln auf meinem Gesicht fiel.
"Ja, er ist Polizist".

Oh Gott.

"Tyra, wie heißt dein Bruder?" Ich hatte eine Ahnung, aber das war unmöglich.
"Thorsten. Wieso?"

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