Kapitel 30 - Mensch oder Vampir?

David sah die Gruppe auf sich zukommen.

Es war früh am Morgen und er war gerade von der Nachtschicht nach Hause gefahren. Müde stieg er aus dem Auto und holte die Tüte mit den Brötchen vom Beifahrersitz. Als er wieder den Kopf hob, sah er vier Menschen auf sich zukommen.

Er wollte eigentlich nur schnell zu Jala ins Bett, um sie zu überreden, heute später zur Villa zu gehen.

Jala kümmerte sich um die Obdachlosen, so wie es Maddox und Arthur gewollt hatten. Sie arbeitete eng mit Konrad zusammen, der sich aus allem was in Ludokar geschah heraus hielt. David hatte sich mit diesem ruhigen Vampir unterhalten und war angenehm überrascht gewesen. Auch Konrad wurde unfreiwillig gewandelt. Anstatt sich aber darüber auf zu regen, hatte er sein Studium beendet und war Arzt geworden, der sich um die Belange von Menschen und Vampiren kümmerte. Aber mit anderen Vampiren wollte  er dennoch so gut wie nichts zu tun haben. Maddox und Arthur bildeten da eine Ausnahme, aber nur weil sie ihm das Blut lieferten. Ansonsten blieb er eher im Hintergrund und fiel nicht auf. Nur im Notfall half er ihnen.

David seufzte und schloss das Auto ab.

Dann hob er seinen Kopf und sah die Leute auf ihn zukommen.

„David?"

Sofort war die Müdigkeit verschwunden.

„Tamara!"

Er legte die Brötchen auf das Autodach und lief ihnen entgegen.

Er umarmte Tamara, was ihm ein Brummen von Cayden einbrachte.

„Ach komm! Reg dich nicht auf. Du weißt, dass wir nur Freunde sind, du Idiot!"

Cayden schlug ihm auf die Schulter.

„Nur deswegen bist du noch am Leben!"

David grinste den Dayak an, dann runzelte er die Stirn.

Beide sahen müde aus. Erschöpft und auch ziemlich hoffnungslos.

„Was ist passiert?"



„Moment mal. Du willst mir also erzählen, dass Arthur nun so ein verfluchter Anführer ist und Cayden ihn geschützt hat, in dem er seine Anwesenheit bei einem Mord verschwieg und alles auf sich genommen hat. Ein Mord, den Gattlin verbrochen hat. Und die zwei, die ihr mitgebracht habt, die sollen nun hierbleiben."

Tamara nickte.

David hatte ihr ruhig zugehört, obwohl sie an manchen Stellen beobachtet hatte, wie er zusammengezuckt war.

Er lehnte sich zurück und trank den Tee, den ihm Jala hingestellt hatte.

„Du weißt aber, dass Tee manchmal dieselbe Wirkung wie Kaffee hat?"

Er zuckte mit den Schultern.

„Es ist ein Kräutertee und kein Schwarztee. Ich werde später wie ein Baby schlafen, obwohl ich mich wirklich im Moment aufrege."

Sie seufzte leise.

„Ich weiß, dass du nicht damit gerechnet hast, dass wir so schnell wieder verschwinden werden."

Er runzelte die Stirn.

„Ich habe nicht damit gerechnet, dass ihr überhaupt noch einmal hierherkommt!"

Er wischte sich über das Gesicht und atmete hörbar ein und aus.

„Hör zu, Tamara. Sie werden nicht hierherkommen. Wenn Arthur nicht gerade ein vollkommenes Arschloch geworden ist, wird er seinen neuen Untertanen erklären, dass ihr nicht hierherkommt, weil das der erste Ort ist, den sie absuchen werden."

Das Wort Untertanen betonte er, in dem er seine Hände hob und zwei Finger krümmte.

Sie nickte.

„Ich denke schon, dass er auch euch schützen will."

Er lächelte breit.

„Dann kannst du ein paar Tage hierbleiben, oder?"

Tamara schüttelte den Kopf.

„Cayden will hier weg. Auch er will euch schützen. Ich bin auch seiner Meinung. Wir schützen euch am besten, indem wir nicht da sind."

David seufzte schwer.

„Weißt du, ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil ich dir nicht auf der verflixten Blutsauger Insel helfen konnte. Und nun kastrierst du mich schon wieder. Wo wollt ihr überhaupt hin?"

Sie lächelte David an.

„Es ist besser, du weißt nichts. Milan und Aba wissen auch nicht, wohin wir gehen."

Er verdrehte die Augen.

„Du kannst wirklich nerven. Denkst du wirklich, ich würde euch verraten?"

Sie schnaubte.

„Spreche nicht über irgendetwas, dass du nicht kennst. Die Dayak sind Raubtiere, auch wenn Cayden oder Arthur auch umgänglich sein können. Nicht alles ist falsch, was die Vampire geschrieben haben. Ich habe Cayden schon im Blutrausch erlebt! Es ist furchterregend und einen Moment war sogar ich wie erstarrt. Selbst wenn Arthur nur die Vernünftigen schickt, können sie einen verheerenden Schaden verursachen."

David schluckte hart, bevor er nickte.

„Ich verstehe. Wann wollt ihr gehen?"

Sie seufzte erneut.

„So bald wie möglich. Ich packe noch ein paar Sachen und dann verschwinden wir."

David stand auf und kramte in der Schublade. Nach einer Weile zog er einen Umschlag hervor. Es war der Umschlag, den sie ihm gegeben hatte.

„Wir haben das Geld bisher noch nicht benötigt. Ich denke, ihr braucht es im Moment dringender als wir."

Er sah sie lange an.

„Und wieder verschwindest du!"

Sie lachte leise.

„Nun ja, es geht nicht anders. Hilf einfach Milan und Aba. Sie haben Ruhe verdient."

Er nickte.

„Das werde ich! Obwohl ich ein schlechtes Gefühl bei der Sache habe. Ich traue ihnen nicht. Besonders Aba scheint nicht gerade zufrieden hier zu sein. Und sie gönnt Jala nicht, was sie hier hat."

Tamara runzelte die Stirn.

Auf Davids Gespür konnte man sich eigentlich gut verlassen.

„Wie meinst du das?"

Er zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Es ist nur so ein Gefühl. Ich habe ihren Blick gesehen, als sie hier herein kam und Jala mit mir gesehen hatte. Sie ist neidisch. Aber das lass meine Sorge sein."

Er reichte ihr noch ein Handy.

„Ein Prepaidhandy. Ich kenne die Nummer auswendig. Wenn du Hilfe brauchst, dann melde dich."

Sie nickte und steckte das Handy ein.

„Du bist ein guter Freund, David. Es tut mir leid, dass ich damals zu dir gekommen bin!"

Er grinste sie an.

„Mir tut es nicht leid. Mein Leben ist um einiges aufregender seit du auf meinem Balkon gestanden hast."

Er umarmte sie fest.

„Pass auf dich auf, hörst du? Und wenn alles vorbei ist, dann reden wir wieder über alles."

Sie erwiderte seine Umarmung.

„Ich hoffe, dass es so kommen wird!"



„Also gibt es wirklich keine Chance ihnen zu helfen?"

Arthur sah William erst an. Beinahe hatte er so etwas befürchtet.

William seufzte.

„Ich konnte nur mit den drei arbeiten, die es auch gewollt hatten. Ich habe gute Fortschritte bei ihnen gemacht. Sie nehmen nur noch Menschenblut zu sich und ich habe es auch mit Psychotherapie versucht, obwohl mich die anderen deswegen sehr verspottet hatten. Doch es hilft. Man kann sich besser mit ihnen verständigen und sie werden ruhiger. Doch die anderen...wie soll ich jemanden helfen, der es nicht will."

Arthur schloss kurz die Augen.

„Ich könnte es ihnen befehlen!"

William schüttelte energisch den Kopf.

„Nein! Ich bin dagegen. Sie müssen es freiwillig wollen. Aber diese Primitiven sind so sehr an ihr Dasein gewöhnt, dass man sie schwer herausholen kann. Die anderen haben es mit Zwang versucht und sie sind gescheitert. Es gab wieder Angriffe auf sie. Ich bin nicht der Meinung, dass man sie anketten soll, damit sie Blut bekommen. Ich biete ihnen meine Hilfe an und sie können es annehmen oder nicht!"

Arthur verstand es.

„Ich will sie nicht vernichten!"

William nickte verständnisvoll.

„Natürlich. Aber wenn sie weiter wild auf Vampire und Menschen losgehen, wird dir nichts anderes übrigbleiben. Sie hören nur auf deine Befehle, die anderen Dayak ignorieren sie im besten Fall. Selbst die Drei, die sich helfen lassen, sind bei den Primitiven nicht mehr willkommen. Sie wurden angegriffen! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Primitiven auch die anderen Dayak angreifen."

Er senkte den Kopf.

„Es ist einfach zu spät bei einigen. Wenn man sie von Anfang an betreut hätte, wäre es nicht so weit gekommen!"

Das wusste Arthur selbst.

Er verabschiedete sich von William und ging in die Kellergewölbe, in denen sie die Primitiven untergebracht hatten. Es waren nicht mehr die Kerker, die Amsu angelegt hatte. Jeder Primitive hatte seinen eigenen Raum. Außerdem hatte er alles mit den neusten technischen Geräten ausstatten lassen, um ihnen zu zeigen, dass sie ihm nicht egal waren.

Doch sie hatten alles zerstört und standen lieber zusammen in einer Ecke. Wie eine Herde Tiere. Auch jetzt standen sie beisammen und knurrten wild, als sie Arthur sahen. Doch als sie ihn erkannten, wurde es ruhiger.

„Anführer!"

Arthur seufzte und setzte sich auf einen Hocker, der vor einigen Tagen bestimmt nicht nur drei Beine gehabt hatte.

„Warum?"

Seine Stimme war traurig.

Einer der Primitiven kam auf ihn zu.

„Anführer traurig!"

Arthur nickte.

„Ich wollte euch helfen. Doch ihr lasst euch nicht helfen!"

Der Primitive setzte sich vor ihm auf den Boden. Man sah in seinem Gesicht, dass er nach Worten suchte.

„Nicht deine Schuld! Wir wollen nicht!"

Arthur lachte spöttisch.

„Das merke ich! Aber ich verstehe nicht, wieso? Ich kann euch ein besseres Leben bieten. Wenn ihr so weiter macht, werdet ihr nie diesen Keller verlassen!"

Der Primitive nickte und suchte wieder.

„Kein Leben für uns. Besser...wenn du...uns vernichtest!"

Arthur schnaubte.

„Rede kein so Blödsinn! Drei von euch haben es geschafft! Und ihr könntet es auch schaffen!"

Der Primitive schüttelte den Kopf und nahm Arthurs Hand. Er legte sie sich auf seinen Kopf.

Arthur verstand, was er damit bezwecken wollte. Arthur sollte in seinen Gedanken lesen.

Er schloss die Augen und suchte nach Antworten.

„Diese roten Augen machen sie noch gefährlicher! Ich bin mir sicher, dass alle vor dieser Armee Angst haben!"

Ein Vampir mit einem weißen Kittel beugte sich über ihn. Er sah also alles aus der Sicht des Primitiven.

„Ich bin mir nicht sicher, Cloud. Tun wir das Richtige?"

Cloud lachte laut auf.

„Ich verstehe nicht, warum du dich so gegen diese Generation sperrst, Maddox. Die erste Generation ist uns gut gelungen und diese hier wird noch besser."

Sein Blick ging auf den Vampir, der an der Tür stand.

Es war tatsächlich Maddox und er sah alles andere als glücklich aus.

„Ich habe Amsu gesagt, dass wir es bei der ersten Generation hätten belassen sollen! Doch er will immer mehr! Wir sollten nicht mit den Genen spielen!"

Cloud lachte.

„Was soll schon passieren? Sie sind dumm und hören auf unseren Befehl!"

Maddox hob einen Finger.

„Und genau das stört mich! Sie sollten ihren eigenen Willen haben und nicht unseren aufgezwungen bekommen. Sie werden für uns sterben, wenn es nötig ist. Sollte man ihnen dann auch nicht Freiheiten lassen?"

Cloud schnaubte.

„Du hörst dich wie ein Weltverbesserer an. Gerade du, der schon viele Menschen und auch Vampire auf dem Gewissen hat!"

Maddox knurrte.

„Das war damals notwendig und ich habe es nicht gerne getan. Ich töte nicht gerne!"

Cloud schnaubte.

„Da habe ich aber etwas anderes gehört, Caius!"

Maddox richtete sich kerzengerade auf.

„Vergiss meine Vergangenheit! Ich werde immer der Meinung bleiben, dass es nicht richtig ist, was wir hier tun!"

Cloud lachte lauthals los.

„Was sollen sie uns schon tun? Sie sind primitiv. Wie Tiere! Mehr sind sie auch nicht! Nur Raubtiere!"

Er merkte, wie er in den Blutrausch kam. Er verstand nicht, was diese Vampire sprachen. Einer war gut, einer schlecht. So viel wusste er.

Und der Schlechte wollte, dass sie für ihn starben.

„Cloud! Hast du ihn gesichert?"

Cloud lachte.

„Du hast Angst? Du bist ein Ältester! Du solltest vor ihnen keine A..."

Er packte Cloud an der Kehle und brüllte ihn an. Dann biss er ihn in die Kehle. Blut schoss in seinen Mund und er trank es, bevor er seinen Kopf hob und seine Wut herausbrüllte.

Der Andere stand wie erstarrt vor ihm.

Er kam auf ihn zu und packte ihn ebenfalls am Hals.

„DU!", brüllt er.

Maddox wehrte sich nicht. Er hielt nur seine Hand fest.

„Ich weiß! Entschuldige!"

Er hielt einen Moment inne. Irgendetwas war anders an ihm. Er hatte kein Bedürfnis ihn zu töten.

„Der Gefährte!", knurrte er und ließ Maddox fallen.

Mit einem Schlag sprengte er die Tür aus den Angeln. Dann drehte er sich noch einmal zu Maddox um.

„Du wirst ihn bringen!"

Maddox runzelte die Stirn.

„Wen?"

Er lachte, doch es war furchterregend.

„Den Anführer!"

Er beugte sich zu Maddox hinunter. Einen Moment hatte er das Gefühl, dass sein Kopf klar war. Dass er nicht so dumm war, wie es sonst immer war.

„Er muss uns töten! Er wird es nicht wollen! Aber du musst es ihm sagen! Wir haben eine Aufgabe und wenn die vorbei ist, muss er uns töten! Er wird uns nicht helfen können!"

Arthur starrte den Primitiven an.

„Maddox weiß es?"

Der Primitive nickte.

„Er gut! Immer! Helfen uns. Aber nun...er weiß es!"

Arthur stand auf.

Er musste mit Maddox reden!

Unbedingt!



Einen normalen Flug zu buchen war eine sehr gute Idee. Allerdings nicht, wenn der Zielort die meisten Sonnentage im Jahr hatte.

Tamara klammerte sich an Cayden, der weniger Schwierigkeiten mit der Sonne hatte, als sie.

Sie waren noch nicht an ihrem eigentlichen Ziel angekommen, sondern erst in Chile gelandet.

Tamara schnaubte leise.

In ihrem richtigen Leben hatte sie sich immer für Südamerika interessiert. Und nun war sie hier und der einzige Gedanke, den sie hatte, war, dass sie einen dunklen Raum brauchte. Und zwar dringend.

Cayden hob eine Hand und pfiff nach einem Taxi.

Tamaras Haut brannte höllisch, doch sie biss die Zähne zusammen.

„Bald haben wir es geschafft, Liebling. Ich kenne hier einen Vampir, der mich nicht umbringen will!"

Er lachte laut auf.

„Ich finde das gar nicht witzig! Bist du sicher, dass er nicht schon mit einer Menge Dayak auf uns wartet?", schimpfte sie.

Cayden schüttelte den Kopf.

„José...nun, wie soll ich das erklären...José ist etwas seltsam. Nicht so wie Maddox, aber...ich glaube, er vergisst manchmal sogar, dass er ein Vampir ist. Ich kannte ihn schon, als ich noch lebte. Er ist Künstler und ich bin bei ihm eine Weile untergekommen, als ich dich noch nicht suchte."

Ein klappriger Wagen hielt vor den beiden und Cayden ließ Tamara zuerst einsteigen.

„Por favor llévanos a la Villa de las Artes.", sprach er den Fahrer an, der nur nickte und gleich losbrauste.

„Du kannst Spanisch?", fragte Tamara.

Er grinste.

„Ich kann so einiges. Wenn man sich verstecken muss, hat man viel Zeit. Und dann lernt man auch einiges. Aber ich muss zugeben, dass ich schon Spanisch konnte, als ich gelebt habe!"

Sie zog den Sonnenhut tiefer ins Gesicht und richtete sich ihre Handschuhe, die sie in Berlin gekauft hatte. Die Sonne schien unbarmherzig in den Wagen und sie war froh, dass sie den Sun Blocker im Flughafen großzügig auf ihren Körper verteilt hatte.

„Wie hältst du das nur aus?", fragte sie leise.

Er kicherte.

Das fiel Tamara auch auf.

Seit sie in Santiago de Chile gelandet waren, verhielt sich Cayden anders. Er war gelöster und hatte oft ein Lächeln auf dem Gesicht. Es schien fast so, als ob sie nicht auf der Flucht waren, sondern auf Urlaubsreise.

„Wir Dayak halten es wohl länger in der Sonne aus, als ihr!"

Der Fahrer schaute kurz in den Rückspiegel.

Cayden hatte zwar deutsch gesprochen, aber mit Dayak konnte er wohl etwas anfangen.

Er drückte das Gaspedal noch etwas mehr durch, als ob er die beiden so schnell wie möglich wieder loswerden wollte.

Cayden grinste.

„Der Aberglaube ist hier weit verbreitet. Das kommt uns nun aber zu Gute. Wir sind bald bei José!"

Sie fuhren aus der Stadt hinaus.

In einem Vorort hielt der Fahrer vor einer Mauer und diskutierte mit Cayden, der nun etwas ärgerlich wurde. Aber nach einer Weile bezahlte er den Fahrer und stieg mit Tamara aus. Kaum hatten sie ihre Koffer aus dem Kofferraum geholt, brauste der Fahrer davon.

„Aberglaube! Sag ich doch!", knurrte Cayden.

Tamara sah ihn fragend an, doch Cayden zuckte mit den Schultern.

„José ist bekannt. Auch für seine Eigenheiten. Viele vermuten, dass er ein Vampir ist, aber da er den Armen hilft, wird er geduldet. Aber sie trauen sich nicht in seine Nähe."

Er seufzte.

„Wir müssen uns beeilen, denn es dauert noch, bis wir an der Villa ankommen."

Er nahm beide Koffer und zog sie mit sich. Sie rannten die Mauer entlang, bis sie an einem großen schmiedeeisernen Tor ankamen.

Cayden drückte einen Knopf und unterhielt sich dann mit einer Stimme aus der Sprechanlage. Er lachte ab und zu, dann knurrte er, was die Stimme zum Lachen brachte.

Leider verstand Tamara kein Wort, da sie sich in Spanisch unterhielten.

Doch dann ging eine kleine Tür an der Mauer auf und Cayden zog sie hinein.

Sofort seufzte Tamara erleichtert auf. Es war dunkel und kühl.

„José hat vergessen, dass wir kommen. Er ist nicht hier. Aber wir können froh sein, dass sein Bruder Fernando nicht so verpeilt ist, wie sein großer Bruder. Er hat vor Jahren schon diesen unterirdischen Gang angelegt. Es ist ein großes Grundstück und wir müssten lange durch die Sonne laufen. Du wärst verbrannt, ehe wir dort angekommen wären."

Er lief voraus.

Tamara zog im Gehen ihre Handschuhe und den Sonnenhut ab. Es schien kein Licht hier, aber sie erkannte sehr wohl, dass die Wände glatt waren. Wie in einem unterirdischen Bunker eben. Es gab auch einige Türen, aber Cayden lief an ihnen vorbei. Er schien sich wirklich gut hier aus zu kennen.

„Das sind alles Fluchtzimmer. Sie waren aber noch nie im Gebrauch. Du glaubst nicht, was für ein Labyrinth Fernando hier angelegt hat. Aber die Villa ist doch etwas gemütlicher. Doch im Prinzip hat Fernando hier einen Fluchtort für Vampire angelegt, die damals vor Amsu und seinen Jägern geflohen sind."

Irgendwann kamen sie an einem Fahrstuhl an und Cayden drückte wieder einen Knopf. Die Türen öffneten sich geräuschlos und Cayden trat ein.

Die Fahrt dauerte nicht lange, doch als der Fahrstuhl stehen blieb, öffnete sich die Tür nicht sofort.

„Stecken wir fest?", fragte sie ängstlich.

Cayden schüttelte den Kopf.

„Nein. Aber ich denke, dass Fernando noch nicht ganz fertig mit den Vorbereitungen ist. Er ist schon alt und braucht eine Weile."

Sie warteten einige Minuten, dann öffnete sich endlich die Tür.

Ein alter Mann stand vor ihnen und grinste Cayden schelmisch an.

Wieder folgte ein Schwall von spanischen Wörtern, als er Cayden umarmte.

Tamara lächelte. Fernando hatte schlohweißes Haar, das wild zu allen Seiten abstand.

Cayden legte den Arm um ihre Schulter und sprach nun auf Deutsch.

„Das hier ist meine Gefährtin. Tamara. Sie ist aus Deutschland und versteht unser Spanisch nicht. Aber wie ich sie kenne, wird sie es bald lernen!"

Fernando lächelte sie an und sprach dann im gebrochenen Deutsch.

„Ich heiße sie willkommen. Es tut mir leid, dass mein Bruder nicht anwesend ist. Doch José ist Künstler und wenn man ihn nicht seinen Terminkalender an die Stirn tackert, vergisst er alles. Ich zeige ihnen nun ihre Räume. Ich denke, sie werden Ruhe haben wollen!"

Er drehte sich um und Tamara wunderte sich, dass er sich so schnell bewegte. Er brachte die beiden in einen dunklen kühlen Raum.

„Ruhen sie sich aus. Ich bin mir sicher, dass José bald erscheinen wird!"

Er deutete eine Verneigung an und verließ sie dann.

Tamara sah verdutzt auf die geschlossene Tür.

„Er ist aber kein Vampir, oder?"

Cayden lachte.

„Nein! Fernando weigerte sich von Anfang an, sich wandeln zu lassen. José war zwanzig, als er gewandelt wurde und Fernando zehn. Irgendwann stellte José ihm die Frage. Aber er bleibt lieber ein Mensch. Ich finde es erstaunlich, dass er so beharrlich ist. Du wirst die beiden mögen."

Sie legte sich auf das Bett und Cayden legte sich zu ihr.

„Können wir denn eine Weile hierbleiben?"

Cayden nickte.

„Fernando ist in solchen Sachen sehr pfiffig. Er wird uns warnen, wenn wir verschwinden müssen!"

Sie seufzte.

„Das wäre wirklich schön, wenn wir eine Weile Ruhe hätten."

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