15. Kapitel - Die Armee

„Wir können sie nicht mehr bändigen, Lucas! Ich denke, nicht einmal du wirst zu ihnen vordringen können!"

Lucas nicke.

Ean hatte völlig Recht. Sie waren nicht dazu bestimmt, die Dayak anzuführen.

Er sah hinunter in die Grube, in der die Dayak eingepfercht waren. Sie verhielten sich wie Tiere.

„Es ist wirklich schade, dass sie einfach so im Stich gelassen wurden. Hätten sie ihren jeweiligen Gefährten gleich bei sich gehabt, wären sie nicht so ausgeartet!"

Lucas schnaubte Ean an.

„Meine Gefährtin weiß nicht einmal etwas von meiner Existenz. Und der, der kommen wird, um uns zu führen, hatte auch lange gebraucht, bis er wusste was es mit dem Gefährten auf sich hat." Er zeigte hinunter. „Sie waren einfach nur schwach. Ich denke, dass die Gefährten auch nichts gebracht hätten. Du weißt, dass wir es mit einigen versucht haben."

Ean lachte leise.

„Oh ja. Das war ein Massaker! Ich habe noch nie so viel Wut erlebt. Und wie sie die Vampire angefallen haben war einfach nur lustig! Die ach so tollen Vampire wurden innerhalb von Sekunden zerfleischt!"

Lucas fand das nicht belustigend. Er hatte ausprobieren wollen, ob die niederen Dayak sich wieder zurückwandeln konnten, wenn man sie mit ihren Gefährten zusammenführte. Doch es endete in einer Katastrophe. Sie wurden wütend, als sie ihre Gefährten sahen und gingen auf sie los. Nichts und Niemand hatte sie aufhalten können. Danach hatten sie geheult wie Wölfe, doch im Gegensatz zu ihnen taten sie sich nichts selbst an, wenn sie den Gefährten verletzten oder sogar töteten. Im Gegenteil. Sie wurden noch wilder!

Man konnte sie nicht bändigen.

Das Orakel hatte einmal eine Vision gehabt. Sie beschrieb einen Dayak, der sie alle beherrschen konnte. Lucas wusste auch, dass er es nicht war. Doch er hatte dennoch angefangen, alle um sich herum zusammen zu scharren.

Die Dayak, wie zum Beispiel Ean, die noch bei klarem Verstand waren, hatten ihm geholfen. Sie waren mit ihren Gefährten zu ihm gekommen.

Lucas schnaubte, als er teilweise gesehen hatte, dass die Dayak mit ihren Gefährten auch nicht viel besser umgingen, als Vampire mit ihren Blutsklaven. Sie hatten die Gefährten in Ketten hinter sich hergeschleift und einige hatten sich sogar von ihnen ernährt. Lucas konnte nicht einmal sagen, warum sie nicht zu diesen Bestien geworden waren.

„Sie fangen schon wieder an! Das gibt es doch nicht!"

Ean zog einen Teaser hervor, das einzige Gerät, das sie wenigsten in Schach halten konnte.

Unter ihnen gingen wieder Kämpfe los.

Lucas ging an das Geländer.

„Was ist hier los?"

Alle Dayak starrten nach oben.

„Wir...Stück Vieh!"

Lucas lächelte böse.

„Ihr meint, wir behandeln euch wie ein Vieh? Und das wundert euch?"

Einige knurrten, andere brüllten ihren Frust Lucas entgegen.

Lucas fletschte die Zähne.

„Wir haben euch die Möglichkeit gegeben uns zu zeigen, dass ihr anders seid. Doch ihr habt es nicht getan. Ihr habt eure Gefährten getötet! Und nun verhaltet ihr euch auch wie Tiere!"

Einer der Dayak trat vor.

„Du...versprochen...töten...Vampire!"

Seine Stimme klang unmenschlich und seine roten Augen veränderten sich.

Lucas nickte ihm zu.

„Ich habe es versprochen und wir werden unser Versprechen halten!"

Wieder brüllte man ihm entgegen.

„Wir...nicht hören...auf dich! Du nicht Anführer!"

Lucas nickte erneut.

„Das weiß ich auch. Wir warten schon sehnsüchtig auf ihn. Aber ich bezweifle, dass ihr loyal zu ihm stehen werdet."

Der Dayak, der gesprochen hatte, fletschte die Zähne.

„Wir...Anführer...hören!"

Ean lachte gehässig.

„Ich glaube nicht daran!", murmelte er.

Von unten hörte man dieses unmenschliche Brüllen nach dem Anführer.

Lucas wischte sich über sein Gesicht.

„Wir müssen ihn suchen."

Ean verzog seinen Mund.

„Wie denn? Wir haben keine Ahnung, wer er ist!"

Lucas lachte.

„Sucht nach dem neuen Orakel! Der Anführer ist in ihrer Nähe!"



Maddox hörte sich die Geschichte der Blutsklavin an.

Alle saßen bei ihm in der Bibliothek. Arthur, Cayden, Tamara, David und Jala.

Noch vor ein paar Wochen hätte er das nicht für möglich gehalten, doch nun sah er es vor sich.

Selbst die Blutsklavin schien sich nicht vor dem Dayak zu fürchten.

Doch was sie erzählte, erschreckte ihn.

Er hatte diese verdammte Glocke vergessen.

Zitternd nahm er Arthurs Hand.

„Sie werden kommen!", flüsterte er. „Alle werden nach Tamara suchen!"

Er sah zu ihr.

„Armes Kind!"

Cayden stellte sich demonstrativ hinter sie.

„Ich werde sie schützen!"

Maddox lächelte leicht.

„Wir alle werden das versuchen, Cayden. Auch mir ist sie ans Herz gewachsen."

Er stand auf und ging ans Fenster.

„Ich sage es nicht gerne, Tamara, aber wir sollten Gattlin Bescheid sagen!"

Cayden knurrte leise, während Tamara seufzte.

„Er wird mich nach Ludokar bringen. Das weiß ich. Ich will da nicht hin. Ich will nicht das zweite Orakel für den König werden."

Maddox nickte.

„Aber er kann dich dort beschützen!"

Tamara stand auf.

„Ich will da nicht hin! Ich war nicht erwünscht und nun will ich da nicht sein! Außerdem wäre ich alleine!"

Jala schüttelte den Kopf.

„Ich würde mit ihnen gehen, Herrin!"

Tamara lächelte die Blutsklavin an.

„Du sollst mich doch nicht Herrin nennen, Jala. Und ich danke dir für das Angebot. Aber ohne Cayden gehe ich sowieso nirgends hin!"

Arthur lachte heiser. Sein Handgelenk war bandagiert, doch sonst sah man nichts mehr von seinem Wutausbruch. Auch Maddox Wunden waren verheilt.

„Ich sage es nicht gerne, meine Kleine, aber Maddox hat Recht. Wenn du hierbleibst, bist du Freiwild für alle. Und sie werden dich suchen. Die Dayak, die so sind wie ich und Cayden. Die Jäger. Die Vampire, die ihre Stellung in Gefahr sehen, wenn du auftauchst. Und Cayden kann dich nicht nach Ludokar begleiten. Niemand dort würde akzeptieren, dass ein Dayak der Gefährte des zweiten Orakels ist!"

Tamara schnaubte.

„Warum dann nicht die Dayak?"

Maddox schüttelte den Kopf.

„Alle kochen ihr eigenes Süppchen. Auch die Dayak."

Tamara stand auf und lehnte sich an Cayden.

„Gehen wir fort? Irgendwo hin? Egal wo, aber bring mich hier weg!"

Er legte seine Arme um sie und hob seinen Kopf.

„Sie würden uns immer jagen, Tami. Wir hätten nie Ruhe!"

David hob die Hand.

„Ich weiß, dass ich am wenigsten zu sagen habe. Aber sie wissen ja nicht, dass es Tami ist, oder? Es wäre doch wirklich möglich, dass die beiden verschwinden. Es muss doch einen Ort geben, wo sie Ruhe haben?"

Maddox schüttelte den Kopf.

„Sie bekommen es heraus. Khedri wird schon nach ihr suchen. Und sie ist Gattlin zugetan. Da sie aber auch Amsu Bericht erstattet, werden es auch andere herausbekommen."

Cayden knurrte erneut.

„Also Gattlin. Aber wie bringen wir ihm bei, dass ich an ihrer Seite bleiben werde?"

Arthur stand auf und beugte seinen Rücken. Er kniff ein Auge zusammen und seine Stimme knarzte wieder.

„Tarnung, junger Freund, ist alles!"

Cayden schnaubte.

„Ich werde mich nicht als Guhl ausgeben!"

Arthur lachte und richtete sich wieder auf.

„Nein! Aber als Vampir. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass Gattlin uns beide nicht erspähen kann. Er kommt schon Jahrzehnte in unser Haus und hat mich nie als Dayak erkannt."

David hob wieder die Hand.

„Aber er hat Cayden vorher gejagt!"

Arthur nickte.

„Das ist ein weiteres Geheimnis, das wir wohl gelüftet haben." Er wandte sich an Cayden. „Seit wann bemerkt er dich nicht mehr?"

Cayden lachte verblüfft.

„Seit ich Tami als Gefährtin erkannt habe!"

Arthur schnalzte mit der Zunge.

„Genau. Besorge dir farbige Kontaktlinsen und versuche deine Wut unter Kontrolle zu halten. Gattlin wird enttäuscht sein, weil er Tamara an einen fremden Vampir verloren hat, aber wenn ihr ihm glaubhaft versichert, dass ihr zusammen seid, wird er es wohl akzeptieren. Und wie ich das gerade sehe, dürfte das euch nicht allzu schwerfallen!"

Tamara lachte und wollte sich von Cayden entfernen, doch der behielt sie in seinen Armen und grinste auf sie herab.

„Wir müssen doch üben!"

Maddox sah wieder in die Nacht.

„Ich werde auch mitkommen! Mir gefällt das alles nicht und ich habe mich schon lange genug von Ludokar ferngehalten."

Arthur ging zu ihm und küsste ihn leicht auf den Mund.

„Du weißt aber, was das heißt!"

Maddox nickte.

„Natürlich, mein Liebster. Du kommst auch mit!"

David schnaubte.

„Na toll! Und ich bleibe unwissend zurück!"



Kaum war Gattlin in der Menschenwelt bekam er schon eine Nachricht von Maddox.

Hatte der Kerl ein Gespür dafür, wenn ein Vampir wieder hier war?

Verstimmt sah er zu Jesse.

„Ich soll mich bei Maddox melden!"

Jesses Augen wurden groß.

„Beim Ältesten? Woher weiß er denn, dass wir hier sind?"

Maddox zuckte mit den Schultern.

„Wer weiß das schon? Aber ich rufe ihn an. Er weiß immer mehr, als wir im Stande sind zu wissen."

Er zückte sein Handy.

Auf Ludokar brauchte er solche Sachen nicht. Deswegen hatte er es an manchen Tagen auch schon vergessen. Aber als ob er es geahnt hätte, war er noch einmal in seine Räume gegangen und hatte es mitgenommen.

Es dauerte eine Weile, bis er die knarrende Stimme von Arthur vernahm.

„Es ist schön, dass der Herr sich gleich meldet. Ich stelle zum Ältesten durch!"

Gattlin verdrehte die Augen.

Doch dann hörte er Maddox. Er klang aufgeregt und verrückt. Wie immer eigentlich.

„Gattlin! Wo bist du?"

Gattlin schnaubte.

„Ich grüße dich auch, Maddox. Es ist schön mal wieder von dir zu hören. Ja, es geht mir gut, danke der Nachfrage!"

Maddox gab ein kicherndes Geräusch von sich.

„Es tut mir leid, dass ich all meine Höflichkeit für den Moment vergessen habe. Doch ich bin wirklich aufgeregt. Zufällig weiß ich, warum du schon wieder hier bist!"

Gattlin stieß seinen Atem aus.

„Du weißt es?"

Himmel, das durfte doch nicht wahr sein.

„Du suchst das zweite Orakel. Und zufällig weiß ich, wo es ist!"

Gattlin starrte Jesse verwundert an.

„Du weißt, wo das Orakel ist?"

Maddox schnaubte.

„Das habe ich doch gerade gesagt, oder? Hör zu, wir wollen, dass du sie nach Ludokar führst. Aber wir haben Bedingungen!"

Gattlin rieb sich über das Gesicht.

„Du wagst es, mir Bedingungen zu stellen? Ich will nicht wissen, wie lange du schon von dem Orakel weißt und es niemand gesagt hast."

Maddox knirschte mit den Zähnen und auf einmal hörte er sich absolut arrogant an.

„Pass auf, wie du mit mir redest, mein Freund! Ich bin der Älteste und du hast mir Respekt zu zollen. Wenn ich Bedingungen stelle, dann hast du auf sie ein zu gehen. Ansonsten wende ich mich an eine andere Ebene und ihr könnt das Orakel getrost vergessen!"

Gattlin schloss einen Moment die Augen.

Er hatte wirklich vergessen, dass Maddox um einige Ränge höher einzustufen war, als er selbst.

„Ich entschuldige mich, Maddox. Natürlich gehe ich auf die Bedingungen ein. Sag mir, was ihr fordert!"

Er konnte Maddox wieder kichern hören.

„So ist es gut. Also, das Orakel wird nach Ludokar gehen. Doch sie will, dass ihr Gefährte sie begleitet. Ohne ihn will sie nicht reisen."

Gattlin nickte, was Maddox natürlich nicht sah.

„Das ist selbstverständlich. Ist das alles?"

Maddox lachte.

„Oh nein. Ich und Arthur werden ebenfalls nach Ludokar reisen."

Gattlin starrte wieder Jesse an.

„Du willst nach Ludokar? Wieso das?"

Maddox schwieg eine Weile.

„Ich denke, dass meine Anwesenheit dieses Mal von Nöten sein wird. Nicht nur, dass das Orakel Angst hat, weil sie auf einmal von einem Niemand zu einer sehr wichtigen Person geworden ist. Es wird etwas passieren und ich will ihr beistehen! Ich mag sie nämlich!"

Gattlin nahm das Handy einen Moment vom Ohr.

Er kannte sie? Ein Niemand, der zu einem Jemand geworden war?

Konnte es wirklich wahr sein?

„Maddox! Sei ehrlich zu mir! Ist es Tamara? Ist sie das neue Orakel?"

Maddox druckste eine Weile herum.

„Nun ja, ich weiß ja nicht, wie du reagierst. Und sie will es ja auch gar nicht. Sie hat sich wirklich gewehrt!"

„Maddox! Ist es Tamara?"

Gespannt wartete er auf die Antwort.

„Ja! Sie ist es!"



Xavier lachte höhnisch.

Das konnte doch nicht wahr sein!

Die kleine Vampirin, die von Amsu so abgelehnt wurde, war wirklich das neue Orakel!

Wenn die ganze Situation nicht so ernst wäre, hätte man wirklich amüsiert sein können.

Aber das war nicht einmal das Schlimme.

Der Älteste wolle wieder nach Ludokar.

Das gefiel Xavier überhaupt nicht.

Er hatte zwar gehört, dass der Älteste etwas verrückt geworden sei, doch er wusste auch aus Erfahrung, dass Maddox sich sehr gut verstellen konnte. Und er wusste immer mehr, als jeder andere Vampir. Nicht umsonst war er Jahrhundertelang Amsus Berater gewesen, bis er sich aus unbekannten Gründen zurückgezogen hatte.

Das konnte wirklich nur bedeuten, dass sich etwas anbahnte.

Xavier war Gattlin heimlich gefolgt und hatte das Telefonat belauscht.

Und nun nahm ein neuer Plan in seinem Kopf Gestalt an.

Er brauchte nicht mehr lange suchen. Er musste nur abwarten. Sobald sie in Ludokar war, würde er sie abpassen. Schließlich war er Berater und sie würde ihm folgen, wenn er es verlangte. Und dann würde er seinen Spaß mit ihr haben.

Doch es gab noch etwas, was ihn störte. Ein unbekannter Faktor!

Sie hatte einen Gefährten! Und er wusste nicht, wer der Unbekannte war. Das hatte Maddox nicht gesagt. Aber es musste ein Vampir sein, der nur in der Menschenwelt lebte. Ansonsten hätte Maddox nicht diese Bedingung gestellt, dass der Gefährte sie begleiten durfte.

Wieder lachte er höhnisch.

Es musste Gattlin eine Qual sein, dass die Vampirfrau, die er für sich gewandelt hatte, einen anderen gewählt hatte.

Doch für Xavier war es gut.

Lieber hatte er einen unbedeutenden Vampir vor sich als Gattlin.

Das wäre die Schlimmste Situation, die man sich hätte vorstellen können. Der General und das Orakel!

Xavier hätte keine Chance gehabt, sie je in seine Finger zu bekommen.

Er gab dem Piloten ein herrisches Zeichen.

„Bereiten sie alles vor. Ich fliege sofort wieder zurück!"

Die Menschen duckten sich und rannten aufgescheucht umher, während Xavier böse grinste.

Er strahlte Macht aus und das genoss er. Und er würde alles dafür tun, um diese Macht zu behalten.

Und nicht nur das. Er wollte mehr!

Amsu war schwach! Er hatte nicht mehr den Rückhalt der anderen Vampire. Seine Schwester war bisher das einzige Hindernis gewesen, um Amsu zu stürzen. Aber mit dem Orakel, einem Vampir, den er nach seinem Willen noch formen konnte, war Amsus Ende in greifbare Nähe gerückt.

Er musste es nur schaffen, dass er das Orakel in seine Finger bekam. Und zwar bevor Amsu dem Orakel seinen Willen aufdrücken konnte.

Er grinste diabolisch.

Gattlin sollte das Orakel nur nach Ludokar bringen.

Er wäre bereit. Und dann schlug seine Stunde.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top