2. Kennenlernen
Toll. Wirklich toll. Danke, Mama! Danke, dass du mir ohne meine Erlaubnis, ein Date mit einem komplett fremden Mädchen organisierst. Junis, hatte sie zu mir gesagt, morgen gehst du auf ein Date mit der Tochter einer Arbeitskollegin von mir. Und allein der Ton in ihrer Stimme duldete kein Wort Widerspruch. Und trotzdem hatte ich widersprochen, und direkt hatte ich einen Blick kassiert, der eindeutig sagte: Widersprich mir noch einmal, und du lernst mich richtig kennen.
Also hatte ich zugestimmt und jetzt stand ich vor dem großen, quaderförmigen Spiegel, um den ich Sticker geklebt hatte, als ich neun war. Sticker mit Formel 1- Autos, Sticker mit irgendwelchen Tieren, die ich nicht definieren konnte, und rechts oben entdeckte ich einen Sticker mit einer Blume. Was mein neunjähriges Ich wohl sagen würde, wenn es mich in dem Anzug von meinem großen Bruder sehen würde? Bestimmt würde es schreien und mich dann auslachen. Wozu es auch alle Gründe hätte.
Andererseits, dachte ich mir, was sollte schon schiefgehen? Außer dass das Mädchen komplett verwöhnt war? Dass sie erwartete, dass ich ihr furchtbar teures Essen, was in ihren Augen "Nur ein Snack" war, bezahlte? Was ich sowieso machen würde. Bestimmt redete sie gerade mit ihren Freundinnen. Oder sie überlegte, was sie für unser Date anziehen sollte. Wo würden wir überhaupt hingehen? Mit fiel ein, dass mir das meine Mutter noch nicht gesagt hatte. "Mama?" schrie ich die Treppe hinunter zu meiner Mutter. "Was?" kam als Antwort zurück und ich stellte meine Frage: "Wo gehen wir eigentlich hin?" "Das schreibe ich dir dann noch!" Bitte was? Was sollte das werden? Ein Überraschungsausflug? Vielen Dank auch. Ich kam mir wie das Versuchsobjekt meiner Mutter vor, die so lange herumprobierte, bis eine Beziehung entstand. Und einen Moment mal! Wie sah das Mädchen überhaupt aus? Wie sollte ich sie bitteschön finden, wenn ich nicht wusste, wie sie aussah? Da war meine Mutter mir eine Erklärung schuldig. Also ging ich in dem Anzug die hölzerne Treppe hinunter und fragte sie in einem vorwurfsvollen Ton: "Sagst du mir wenigstens, wie sie aussieht? Oder ist das auch ein Geheimnis?" Sie schien sich prächtig zu amüsieren, jedenfalls lächelte sie, bevor sie mir ein Bild von einem Mädchen zeigte. Sie war nicht mein Typ, aber irgendwie war kein einziges Mädchen mein Typ. Also nickte ich einfach nur. Womit die "Liebe auf den ersten Blick" schon fehlgeschlagen war.
Um halb 3 klingelte es an meiner Haustüre. Das wurde mir noch mitgeteilt: Sie wird hierherkommen und dann gehen wir zu zweit irgendwohin. Wohin, wusste ich immer noch nicht. Ich ging, um die Haustüre zu öffnen, und mir schwirrten viele Gedanken im Kopf herum. Was, wenn sie unhöflich war? Wenn sie mich direkt hässlich finden würde und sofort wieder nachhause fahren würde? Doch nichts dergleichen geschah. Ich öffnete die Türe, und sie stand einfach nur da. Mit einem schiefen Lächeln, das mir mitteilen sollte, dass mich im Club der "Wir- wurden- von- unseren- Müttern- zu- einem- Date- gezwungen." begrüßen sollte. Und ich lächelte zurück: "Hi." begrüßte sie mich, und ich begrüßte sie auch. Und dann kam schon der Zeitpunkt, von dem ich mich so sehr gefürchtet hatte: Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Zögernd fragte ich: "Weißt du, was wir machen?" Im Nachhinein eine dumme Frage. Wäre sie arrogant gewesen, hätte sie wahrscheinlich mit "Wir stehen hier rum." geantwortet. Doch das tat sie nicht. Sie zuckte mit den Schultern und meinte: "Keine Ahnung. Meine Mutter hat mir nichts gesagt." Im ersten Moment war ich froh, dass sie nicht arrogant war, doch im zweiten Moment war ich genauso planlos wie schon vor zwei Minuten. "Meine meinte, sie schreibt es mir noch. Warte, ich schaue kurz." Mit einem Blick auf mein Handy erhellte sich mein Gesicht: Eine neue Nachricht von meiner Mutter:
Geht zum Hauptbahnhof.
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