Kapitel 4: Sicht Tessa
Befand ich mich tatsächlich wieder dort, wo ich eingeschlafen war? Die Wände waren die selben, der Boden auch, die Heizung drückte mir noch immer in den Rücken. Aber es sah trotzdem so verändert aus. Überall waren Glassplitter verteilt, In der Wand fehlte ein Stück, so dass man in das Zimmer dahinter sehen konnte. Um mich herum lagen etwa 50 Menschen. Sie waren voller Blut und hatten große Wunden. Nicht wenige lagen seltsam verdreht da.
Die Flüssigkeit, die mich vorhin umgeben hatte war nun getrocknet. Es war das Blut einer jungen Frau, die mit der Brust nach unten neben mir lag.
Vorsichtig versuchte ich, sie auf den Rücken zu drehen, da kippte ihr Kopf in meine Richtung.
Ein spitzen Schrei ausstoßend sprang ich auf die Füße.
An der gesamten linken Gesichtshälfte der Frau fehlte die Haut. Man konnte ein Stück ihres Schädels sehen. Der Augapfel war nicht mehr da. Eine Sehne spannte sich durch die Höhle, in der er eigentlich hätte liegen sollen.
Viele ihrer blonden Haare klebten in der Wunde fest.
Viel besser sah ich aber auch nicht aus. Meine Hände waren voller Blut und etwas lief aus meinem Mund. Es klebte in meinen Haaren und an meinen Klamotten.
Was war hier bloß geschehen?
Und wie zur Hölle hatte ich dabei schlafen können?
Alle im Umkreis von zwanzig Metern zu mir waren tot. Aber ich nicht.
Hatte vielleicht doch noch jemand überlebt. Es musste doch so sein.
Bei all dem Blut, der die Körper umfloss konnte ich es mir zwar nicht vorstellen, aber vielleicht verdeckte das auch nur diejenigen, um die es nicht so schlecht bestellt war.
Ich bewegte mich hin zu einem Mann der auf dem Rücken lag und aussah, als wäre er in einigermaßen guter Verfassung. Mit einer Hand rüttelte ich leicht an seiner Schulter. Keine Reaktion. Vorsichtig lehnte ich mich über ihn und lauschte nach seinem Puls. Nichts.
Aber er konnte noch nicht allzu lang tot sein.
Ich wusste nicht, weshalb ich mir dessen so sicher war, aber irgendwas sagte es mir.
Einer plötzlichen Eingebung folgend fasste ich ich mit zwei Fingern seiner Wimpern an und zog sie nach oben.
Ein Wort tauchte in meinen Gedanken auf: eisblau.
Auf einmal war da ein Stimme: dunkelgrün mit gold-braunen Sprenkeln
Wo war die hergekommen? Außer mir befand sich niemand in diesem Flur. Versteckte sich jemand hinter der nächsten Biegung? Ich wollte aufspringen und nachsehen. Mein Verstand hielt für einen Moment an, aber meine Hände fuhren fort.
Während die beiden Finger noch immer die Wimpern festhielten und damit das Augenlid hochhielten, drehte ich mit einem Finger meiner anderen Hand in seinem Auge, bis die Iris oben lag.
Der Mann hatte dunkelgrüne Augen mit Gold-braunen Sprenkeln.
Da erklang ein Lachen im Flur.
Es klang böse. Verbittert. Wie, als würde es von einer Person ausgestoßen, die schon viel Übel in ihrem Leben mitmachen musste. Die nie etwas glückliches erlebt hatte.
Jedoch war da noch etwas anderes. Es klang vertraut, aber ich konnte es nicht zuordnen.
Eine Wärme, die so gar nicht zu dem Rest des gruseligen Geräusches passte.
Als wäre ich nach langer Zeit zuhause angekommen.
Erschrocken sah ich mich um.
Die Lache hallte durch den Gang. Sie prallte an den Wänden ab und kam wieder zurück. Erschuf versetzte Echos. Sie kam von überall aber gleichzeitig auch von nirgendwo.
Verzweifelt hielt ich mir Ohren zu, aber das Geräusch wurde nur lauter.
Panisch sah ich mich um. Nirgendwo etwas zu sehen. Keine Person, Kein Schatten, nichts.
Ich rannte los, ohne zu wissen wohin. Lief ich nun direkt auf das Lachen zu? Ich wusste es nicht. Aber es war genauso wahrscheinlich, wie das ich davon weglief. Also rannte ich.
Mit hoher Geschwindigkeit bog ich um die Ecke. Direkt in eine Wolke des grauen Nebels.
Ich konnte nichts mehr sehen und stolperte über etwas, das mit im Weg lag. Ich fiel darüber. War das eine Person?
So schnell es ging rappelte ich mich wieder auf. Ich wollte weiter. Aber schon nach wenigen Schritten merkte ich, dass ich so nicht weit kommen würde. Hier lagen genauso viele Körper wie in dem Gang davor. Wenn nicht mehr.
Ich kam nur mühsam vorwärts und alle paar Schritte stolperte ich über eine andere Leiche.
Darum ließ ich mich auf die Knie sinken und krabbelte auf allen Vieren weiter.
Auf einmal brach die dicke Decke um mich herum. Ich war wieder raus aus dem Nebel. Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich gerade befand. Aber am Ende des Flures gab es keine Abbiegung mehr. Da war eine Tür mit einem leuchtenden Schild, auf dem Fluchtweg stand. Vor der Tür waren noch mehr tote Menschen als in den Gängen davor. Sie stapelten sich vor dem Ausgang, als hätte jemand sie dort mit Absicht so platziert. Um raus zukommen würde ich die wegräumen müssen.
Aber noch etwas anderes beunruhigte mich. Erst war ich mir nicht sicher, was es war. Ich spürte nur ein seltsames Ziehen im Magen. Aber dann fiel es mir auf: es herrschte Stille. Das Lachen war verschwunden!
Dann drehte ich mich um und sah zurück und sah in die Wolke.
Nachdenklich betrachtete ich den Nebel. Es war seltsam, was innerhalb dieses Tages mit meinem Leben passiert war.
Heute Morgen war ich noch ein normales Mädchen gewesen, das zwar in einer Anstalt lebte, aber wenigstens nicht volle Blut war.
Jetzt war ich voller Blut und das ich noch weiter in dieser Anstalt lebte bezweifelte ich auch. Als erstes wollte ich aus diesem Gebäude raus. Aber darüber, was ich dann anstellte hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht.
Da fiel mir etwas auf in dem Nebel. Es war nur ein kleiner Unterschied. Aber an einer Stelle war es eindeutig dunkler. Diese Stelle ergab einen Umriss. Einen Schatten. Von der Form her sah es aus wie die Person aus meinem Traum.
Das setzte das Lachen wieder ein.
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