Wut und andere Sentimentalitäten
„Wie konnte das nur wieder passieren?"
Da waren sie nun also. Gefangen in einem magischen - vor aller Augen und Ohren verborgenen - Käfig. Selbst wenn sie um Hilfe rufen würden brächte dies nichts. Kira sah deprimiert auf ihr Handy.
„Kein Empfang.", stellte sie fest, „Hat das Problem eine Ahnung wie wir hier raus kommen?" Warf sie eine spitze Bemerkung in Kols Richtung, der sie einige Sekunden ignorierte.
„Oh du meinst mich? Tut mir leid das Problem kann da auch nicht weiterhelfen." Er war ratlos. Das Totem über dem Türrahmen wurde ausschließlich von der Präsens eines Urvampirs ausgelöst.
„Na großartig. Wärst du hier nicht aufgetaucht wie der letzte Volltrottel, könnte ich hier einfach raus spazieren, aber der feine Herr musste ja auch unbedingt beweisen, dass er auf nichts und niemanden hört. War es wirklich so schwer meine Warnung ernst zu nehmen?"
„Jetzt hab dich mal nicht so. Könnte schlimmer sein." Kiras Augen verengten sich.
„Schlimmer sein?!", in nur einem Augenblick stand sie bedrohlich vor ihm. Das blau ihrer Augen kühlte sich auf Minusgrade. „Verrate mir mal was schlimmer sein könnte, als mit dir auf 10 Quadratmetern eingesperrt zu sein?"
„4 Quadratmeter?" Wäre in dem Moment der Käfig nicht schalldicht gewesen und Kol kein Vampir, hätte man die Backpfeife bis nach Virginia gehört und das Rollen seines Kopfes gleich mit. „Was ist dein Problem?!"
„Keine Ahnung? Was könnte mein Problem sein? Du definitiv nicht! Warte...", sie überlegte kurz, „...doch, genau DU bist mein Problem Mister Ich verschwinde mal und tauche auf wenn ich Lust und Laune habe."
„Du hast mich erwischt. Eiskalt. Ja ich habe dich gesucht, darum bin ich hier. Aber denkst du wirklich, dass ich es bevorzugt habe in einer Barriere eingeschlossen zu werden?", jetzt war auch Kol aufgebracht. Wie konnte sie es wagen ihm vorzuwerfen, dass er sich um sie sorgte?
„Ich weiß nicht was du bevorzugst. Du verpisst dich ja gerne wenn es...weißt du was? Selbst das weiß ich nicht. Ich habe bald dein ganzes Leben gesehen, aber warum du einfach Versprechen brichst und deine Familie alleine lässt wenn sie dich am meisten brauchen, das kann ich nicht beantworten, also vielleicht willst du mich ja mal aufklären!" Kols Augen weiteten sich ein wenig. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Sie dachte wirklich er hätte sie allein gelassen, weil es ihm so beliebt hatte. Er erkannte den Schmerz in ihren Augen der ihn anschrie, ihn anflehte endlich erstickt zu werden.
Aus einem Impuls heraus zog er sie an sich und presste sie mit dem Rücken gegen seine Brust. Hitze flutete durch ihren vor Wut brodelnden Körper. Liebevoll vergrub er sein Gesicht in ihren Haaren.
„Du weißt gar nicht wie lange ich mir wünschte du könntest mein sein.", flüsterte er sehnsüchtig. Für einen kurzen Moment erlaubte er es sich das Gefühl ihres Körpers an seinem und ihren Geruch in seiner Nase zu genießen, ehe er seinen Griff ein wenig lockerte. Denn es gab Dinge die noch nicht geklärt waren und das musste ein für alle Mal aus der Welt geschafft werden. Somit reichte er ihr sein Handgelenk während er seinen Kopf auf ihrer Schulter bettete.
„Was wird das?", fragte sie immer noch mürrisch. Seine Nähe brachte sie so dermaßen aus dem Konzept, dass ihr Körper sich nicht bewegen wollte, um ihn von sich zu stoßen. Erst nachdem er genug gelitten hätte wäre sie eigentlich wirklich zufrieden.
„Trink! Es gibt etwas das du sehen musst. Ich will dass du die ganze Wahrheit weißt bevor du mich weiter verurteilst." Irritiert nahm sie sein Handgelenk an.
Was konnte er ihr Zeigen, was sie nicht bereits gesehen hatte?
Mit beiden Händen krallte sie sich in seinen Unterarm, bevor ihre Zähne in seinem Fleisch versanken. Um so mehr Blut ihre Kehle hinunter ran, um so weiter drang Kol in ihren Verstand ein. Die Welt um sie herum begann zu verschwinden, genauso wie das berauschende Gefühl, das Kols Nähe ihr verschaffte.
Sie war wieder im Jahre 1496.
Der schmale Waldpfand kam ihr bekannt vor. Es war der Pfad, der vom Anwesen, auf dem sie gewohnt hatte, weg führte. Bald darauf kam sie an einer prunkvollen Villa an.
„Hallo lieber Bruder.", erklang es von einer Brüstung im ersten Stock aus, nachdem die großen Flügeltüren hinter ihm ins Schloss gefallen waren. Dar schwere Rums hallte im Saal wider. Klaus beobachtete jeden seiner Schritte mit Argusaugen. Sein Blick ernst. Kira hatte eher ein schelmisches Grinsen erwartet, aber die Atmosphäre behagte ihr so gar nicht. Doch Kol – durch dessen Augen sie sah – schien dies nicht einmal zu bemerken. Denn er schritt selbstbewusst Stufe für Stufe zu seinem Bruder hinauf.
„Hallo großer Bruder. Was verschafft mir die Ehre deines Empfangs?"
„Mir kamen ein paar üble Gerüchte aus der Stadt zu Ohren. Ein Serienmörder treibt dort seit einiger Zeit sein Unwesen und zufälligerweise passen die Zeitpunkte der Morde immer zu deinen kleinen Ausflügen, die du in letzter Zeit zu pflegen scheinst. Ich hatte zwar unsere liebe Schwester damit beauftragt ein Auge auf dich zu haben, aber ich denke wir wissen alle, dass ihr Herz zu weich ist um dich zu verraten, deshalb werde ich nun selbst dem Ganzen ein Ende bereiten."
Kira erinnerte sich an die Morde. Sobald Kol bei ihr war, hatten sich Bobby und Sarah auf die Jagd begeben, damit sie allein sein konnten.
„Komm schon Nik. Ich habe nichts damit zu tun. Du weißt doch wie sehr ich wunderschönen Frauen verfallen bin. Ich versichere dir: Seit wir hier sind habe ich nichts derartiges getan, das deine Missgunst verdienen könnte...", Kol hielt inne, als er den Dolch in Klaus Händen entdeckte. Der fast schon vorfreudig von seinem Bruder hin und her gedreht wurde. „Nik?" Geschockt wich er einige Schritte zurück. „Nein. Bitte. Das kannst du mir nicht antun! Ich hab nichts getan! Also bitte, tu mir das nicht an.", flehte er verzweifelt.
Bilder eines kleinen glücklichen Mädchens blitzen vor Kols innerem Auge auf. Eine Seite von ihr die Kiki schon seit Ewigkeiten nicht mehr kannte.
Plötzlich konnte sie sich nicht mehr bewegen. Irgendjemand hielt Kols Ellenbogen fest nach hinten gezogen, sodass er nicht vor dem fliehen konnte, das ihn unwiderruflich erwartete.
„Bitte. Nein! Ich flehe euch an.", rief er erneut. Kurz konnte er einen Blick auf Elijah hinter ihm erhaschen, der regungslos auf ihn hinunter sah. Verzweifelt startete er noch einen Versuch sich zu befreien. „Elijah, ich habe nichts getan!", versuchte er an den ältesten zu appellieren.
Urplötzlich verließ ihn die Kraft um sich zu wehren. Wie betäubt sah er auf den Dolch in seiner Brust und dann in die kalten reuelosen Augen seines Halbbruders bevor alles dunkel wurde.
Die nächste Erinnerung begann mehrere Jahrzehnte später. Er erwachte gerade aus seinem Schlaf und Kira erlebte das Gespräch mit, dass Kol mit Rebekka geführt hatte in dem er auch von ihrem Tod erfuhr. Die grausamsten Vorstellungen ihres Todes spielten sich in seinem Kopf ab. Wie das Feuer ihren Körper Stück für Stück verzehrte. Sich durch Fleisch und Knochen brannte. Das war es also gewesen, dass ihn immer wieder geplagt hatte, als er sie ansah. Immer wenn sie ihm erklären wollte wer sie war, hatte diese künstliche Erinnerung dieses kleine glückliche Mädchen überschattet.
Zurück im hier und jetzt.
Sie drehte sich mit ihren neuen Erkenntnissen zu Kol um. Einige Tränen hatten sich aus ihren Augen gestohlen und rannen ihre Wangen hinab. Kira versuchte etwas in seinem Blick zu erkennen. Etwas dass ihr sagen konnte wie er damit klar kam. Doch wie ein verschreckter Welpe zuckte er zurück und wandte sein Gesicht von ihr ab. Er hielt das was er in ihren Augen sah nicht aus. Der Schmerz und die Wut war einer Sanftheit gewichen, die er so niemals mehr dachte erleben zu dürfen.
„Hey.", legte sie behutsam eine Hand an seine Wange um ihn dazu zu bringen sie wieder an zu sehen. „Es tut mir leid.", flüsterte sie. Dies ließ seine braunen Irden wieder zu ihr schnellen. Abrupt löste er sich von ihr.
„Ich brauche kein Mitleid.", erwiderte er nur und wollte sich gänzlich von ihr abwenden. Er hatte gehoft ihre Reaktion besser ertragen zu können. Zögernd hielt Kira ihn auf indem sie nach seinem Arm griff.
„Nein. Du verstehst nicht. Es tut mir nicht leid was dir passiert ist. Mir tut leid, dass ich nicht wusste was mit dir geschehen war, dass ich dich für etwas verurteilt habe worauf du gar keinen Einfluss hattest. Und dafür, dass du nicht eher diese grausame Art meines Todes aus deinem Kopf bekommen konntest. Du hast dir die Schuld gegeben, dass du nicht da warst. Aber die Wahrheit ist du konntest mich nicht beschützen und dennoch hattest du mich bereits gerettet, als du mich aus dem Haus meiner Familie mitgenommen hast. Ich versichere dir mein Tod war schnell und schmerzlos. Klaus war damit wohl im Nachhinein ziemlich gnädig. Wobei ich kurz davor war ihm einen Gehstock ins Herz zu rammen." Grinste sie ihn zum Ende hin vergnügt an. Auch Kol war dieser Vorstellung nicht abgeneigt. „Vielleicht hole ich das noch nach.", seufzte sie schließlich und schloss ihn in eine feste Umarmung. Sprachlos ließ er es geschehen, ehe auch er endlich lächelte und seine Arme um sie schloss.
„Dabei helfe ich dir liebend gern."
*****
Die beiden waren nicht die einzigen, die es geschafft hatten in einer Falle zu landen. Was tatsächlich weniger romantisch war als es klang. Nur nahmen dies die beiden doch um einiges gelassener auf.
„Damit hab ich jetzt nicht gerechnet.", zuckte Rebekka unbeeindruckt mit den Schultern, „Sag mal sehe ich das richtig? Sind das da drüben die Gräber?" Marcel warf einen kurzen Blick zurück.
„Ja, das waren sie wohl einmal, nur leider wieder eine Sackgasse. Sie sind leer." Ebenfalls gefasst griff er nach seinem Handy und wählte eine Nummer. Er bekam sogar ein Freizeichen.
„Dann müssen wir zurück und das den anderen mitteilen. Wie ist dein Plan hier raus?"
„Hi Marcel, was gibt's?", erklang eine junge Mädchenstimme am anderen Ende.
„Hallo Davina. Kannst du den Zauber auflösen der gerade ausgelöst wurde?"
„Warte kurz. Ich muss erst mal herausfinden wo du bist.", dann wurde es recht ruhig am anderen Ende.
„Wer ist das?", wollte Rebekka wissen.
„Meine Hexe.", antwortete Marcel nur und wartete gespannt, dass auf dem anderen Ende was passierte.
Die Luft summte kurz und ein winziger Windhauch streifte die beiden Vampire.
„Dürfte jetzt weg sein.", meldete sich Davina am anderen Ende. Marcel streckte probehalber den Arm aus und als er nichts spürte nickte er kurz.
„Danke Davina. Bis dann."
„Warte! Das war nicht der einzige Zauber den ich spüren konnte, es gab noch einen ähnlichen Anstieg von Energie ungefähr vor einer Stunde. Ich habe schon versucht ihn zu lokalisieren, doch er ist verhüllt. Seid vorsichtig wer weiß wie viele davon noch in eurer Nähe sind."
„Ok, danke für die Warnung." Somit legte er nun endlich auf und ließ das Handy in seiner Jackentasche verschwinden. „Die kleine Doppelgängerin hat es ebenfalls geschafft in einer dieser Fallen zu landen.", teilte er seine Schlussfolgerung mit.
„Dann sollten wir sie suchen." Marcel willigte ein.
Es begann bereits wie aus Eimern zu schütten. Nur in wenigen Minuten waren sie durchnässt bis auf die Knochen. Doch egal wo sie suchten sie fanden nicht den Ansatz einer Spur und nirgends gab es Empfang, um Hilfe zu holen. Um jemanden erreichen zu können, wieder an den Waldrand zu gehen an dem die Gräber lagen machte keinen Sinn, da sie mittlerweile genauso lange dorthin wie in Richtung Stadt bräuchten. Es war bereits dunkel als sie beschlossen den Rückweg anzutreten und den Rest zu informieren.
*****
„Nichts als Ärger mit dieser Gehilfin!", knurrte Klaus, als er von ihrem Dilemma erfuhr.
„Wir werden sie schon finden!", versuchte Elijah ihn zu beruhigen. Oder wohl eher sich selbst. Er machte sich sorgen um Kira, man konnte nie wissen was die Hexen noch geplant hatten.
„Das wäre nicht passiert, hättet ihr nicht auf eigene Faust Hänsel und Gretel nachgespielt. Hat euch den niemand beigebracht, dass man Brotkrumen nicht bis zu einem Hexenhaus folgen sollte? Bonbon denkst du du kannst sie aufspüren?"
„Ich kann es versuchen."
„Das wird nichts bringen.", mischte sich Marcel ein, „Meine Hexe hat es auch schon versucht doch nichts gefunden. Die Falle ist verhüllt."
„Na großartig!", stöhnte Damon, „Ich brauch Bourbon, bei soviel Ratlosigkeit kann ich nicht denken. Zumindest nicht nüchtern"
*****
*klack*
*klack, klack*
*klack*
*klack, klock, klack*
„Ha, mein Steinchen ist zu mir zurückgekehrt.", triumphierte Kira.
„Ist erst dein 2. meine sind schon 5 Mal wieder bei mir gelandet."
„Du Streber. Hör auf mitzuzählen, lass mir den Spaß." Amüsiert lächelte Kol und ging nicht weiter darauf ein, sondern warf den nächsten Kiesel auf das Totem. Sie hatte jetzt schon Stunden in diesem magischen Käfig ratlos herumgesessen und als Rebekka und Marcel sie weder sahen noch hörten und wieder gingen, waren sie es nach einer Weile leid nichts zu tun. Also waren sie gerade dabei das Totem mit Steinen zu demontieren und so hoffentlich den Zauber zu lösen.
„Du hattest gesagt du bist die Jahrhunderte durch die Welt gezogen und hast dir Wissen angeeignet. Wofür war das?"
*klack*
„Ich wollte diese verdammte Verbindung los werden. Die Träume. Endlich Frei sein. Aber egal wo ich hinkam oder wen auch immer ich fragte. Mir konnte niemand helfen, es ist wie...ein Fluch, der mich an dich und deine Familie bindet.", nachdenklich drehte sie die Steine in ihrer Handfläche.
„Wir finden eine Lösung egal wie lange es dauern wird. Sobald wir meine Mutter besiegt haben haben wir alle Zeit der Welt."
*klack*
„Was ist wenn es keine Lösung dafür gibt? Ich...es ist als...nur die Vorstellung sie loswerden zu können lässt mich befürchten, dass es auch einen wichtigen Teil meiner Selbst tötet oder dass es mich gänzlich umbringen könnte."
Schweigen.
*klack*
„Das lasse ich nicht zu. Egal was der Preis ist um dich zu befreien, ich werde an deiner Seite sein. Ich werde dich davor bewahren auch nur etwas derartiges durchzumachen und ich werde ganz sicher nicht riskieren dich wieder zu verlieren, jetzt wo wir wieder ... miteinander reden können.", er hätte am liebsten andere Worte gewählt, nur war es noch nicht an der Zeit ihr zu sagen wie froh er war, dass er sie wieder hatte. Denn das hier war gerade erst der Anfang.
*klack*
*klack, klock, klack*
Das Geräusch von berstendem Holz halte durch die Dunkelheit. Die Augen der beiden weiteten sich. Das Totem war gefallen.
*****
Am Anwesen angekommen.
„Ich hoffe ihr habt mich vermisst.", grinste Kol mit offenen Armen in die Runde nur keiner der anderen Verzog eine Mine. Alle Augen waren auf Kira gerichtet. Verwirrt blickte sie sich um. Diese bedrückende Stille behagte ihr so gar nicht.
Was war hier los?
„Kiki du solltest dich setzen.", erklang Rebekkas Stimme vom Sofa aus. Auch sie konnte ihre Freude, dass es ihr gut ging, nicht so zeigen wie sie es gerne täte.
Ein Kloß bildete sich in Kiras Hals ihr Herz wurde schwer wie 1000 Kieselsteine. Die Dunkelheit der Nacht und die gespenstischen Schatten die die Lampen über die Züge der Anwesenden tanzen ließen machten es nicht weniger unheimlich.
„Was ist los?", sie besah sich noch einmal jedes einzelne Gesicht, bis sie bei Elijah hängen blieb der noch düsterer dreinschaute als alle anderen. Das drückende Gefühl in ihrem Inneren wurde immer stärker. Wenn ihn etwas so sehr bedrückte, konnte es nur die Familie sein oder...
„Wo ist meine Schwester?", fragte sie ihn mit vor Angst zitternder Stimme.
„Kira.", begann Elijah ruhig, „Katharina wurde entführt."
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