Kapitel 7
Irgendwie kann ich mir sehr gut vorstellen, wie der Herr sich den Karrieros anschließt. Ich schiebe den Gedanken beiseite und verlasse das Gespräch, indem ich mich wieder dem Braten auf meinem Teller zuwende.
"Aah!!"
Ein lautes Kreischen entfährt meiner Kehle, als die junge Frau aus dem Kapitol einen Wachsstreifen im Bereich meiner Bikinizone abzieht. Ein genervtes Seufzen entfährt den beiden weiblichen Arbeitern.
"Wir verstehen ja, dass es dir wehtut, Herzchen. Kannst du trotzdem etwas leiser sein?", säuselt dieselbe Frau, die mich gerade Stück für Stück auf unsanfte Weise enthaart. Heiße Tränen laufen an meinen Augenwinkeln herab und tropfen an meinem Ohr vorbei auf die türkise Liege. "I-ich versuche es", flüstere ich mit leicht zitternder Stimme und presse die Lippen fest zusammen. Wieso hat mir niemand gesagt, dass Körperenthaarung so verdammt stark wehtut!? Als die drei Farbkästen mir erklärt haben, dass die folgende Prozedur etwas schmerzhaft werden könnte, etwas schmerzhaft, hahaaa, dachte ich mir nur so: 'Ach, ich wurde schon oft genug verprügelt, habe mich schon oft genug geschnitten und mir auch den ein oder anderen Stromschlag verpasst, so schlimm wird das doch nicht sein.' Und jetzt liege ich hier und heule wie ein Baby am Spieß, und das bloß, weil man mir bis auf die Haare auf dem Kopf alles unsanft herunter reißt. Gute Güte, ist das UNANGENEHM!
"Ach Darling, du armes Ding", jammert ein Arbeiter, dessen neonpinke Haare heller leuchten als meine Zukunft. Er ist der einzige, der meine Schmerzen zu verstehen scheint. Als er vor dem nächsten Abziehen meine Hand nimmt und mir liebevoll über den Kopf streichelt, nehme ich diese Geste dankbar an. Solange es mich etwas ablenkt, bin ich zufrieden. Und ich bin sowieso ganz sicher nicht der erste nackte Körper auf seinem Tisch.
"Hör auf so nett zu ihr zu sein, Cobalt", schnarrt eine der beiden Frauen. Ich weiß nicht, welche, da beide exakt das gleiche Aussehen und die gleiche Stimme haben. Knallblaue Haare, schwarze Augen, schwarze Haut, weißer Eyeliner und was weiß ich noch alles. Normalerweise würde ich versuchen, einen Unterschied zu finden, doch gerade habe ich andere Sorgen. Zum Beispiel, wie ich mir nicht die Hälfte meines Wassers heute noch ausheule. Dabei ist es mein erster Tag im Kapitol. Wer hätte gedacht, dass ich mehr Angst vor Wachsstreifen als vor der Arena haben würde? "Ach komm, Lapis, das arme Mädchen wurde noch nie enthaart. Lass sie doch."
Genau, Lapis. Lass mich einfach in Ruhe leiden!
"Man muss sagen, für ein dünnes Distriktmädchen ist dein Arsch ziemlich fetthaltig", kommentiert nicht Lapis, sondern die andere, und zieht gnadenlos den nächsten Streifen ab. "Deine Brüste lassen allerdings eine Menge zu wünschen übrig. Ein Jammer, dass du nicht gewinnen wirst. Ein paar große Melonen würde hervorragend zu deinem Hintern passen." Wimmernd lehne ich mich gegen Cobalts Hand und heiße die Liebkosung willkommen. Schön, ich habe also einen fetthaltigen Arsch. Für Armenverhältnisse. Und der einzige Grund, wieso sie meinen potentiellen Tod bereut besteht daraus, dass sie mich unbedingt unterm Messer haben will. Soll ich mich für den Kommentar jetzt etwa bedanken?
"Sei doch nicht so unhöflich, Lazuli!", ruft Cobalt empört aus. Innerlich danke ich Cobalt tausende Male für die moralische Unterstützung. Der ist viel zu lieb für diesen Job. Oder wohl eher genau richtig, ansonsten wäre ich jetzt so ziemlich alleine.
Schon wieder seufzen Lapis und Lazuli im Chor auf. Ich habe schon eine Menge Geschwisterpaare gesehen, die eng zusammenhalten, vor allem in meinem Viertel hast du anders oft gar keine Chance zum überleben. Lapis und Lazuli jedoch übersteigen jedes Duo, dass mir bisher begegnet ist. Trotz deren nicht vorhandener Geduld meiner Schmerztoleranz bezüglich Enthaarung gegenüber möchte ich beide gern etwas näher kennenlernen. Sie sind alle drei insgesamt sehr interessante Leute.
Doch bevor ich mich so etwas widme, überlebe ich erstmal diese Enthaarung fertig.
Als sie endlich fertig sind, fühlen sich meine Augen immer noch dick und verklebt an. Sie haben die leichte Schwellung zwar notwendigerweise mit einer Creme behandelt und mir sogar Augentropfen gegeben, ein wundervolles Mittel der Augenmedizin, dass in Distrikt 3 so selten ist wie Regen mitten in der Wüste, trotzdem geht das Gefühl nicht weg. Wie auch immer. Jetzt werde ich sowieso erst einmal von dem Designer wie ein rohes Stück Fleisch gemustert.
Et voilà, meine Vorahnung wird Realität. Als wäre ich eine Puppe werde ich von dem Designer für Distrikt 3 umkreist. Diesen Mann exzentrisch zu nennen ist eine elegante Untertreibung. Sein Anblick besteht aus einer puren Form aus Überreiz und Bizzarerie. Mein Versuch, den Mann in meinem inneren Monolog zu beschreiben, scheitert kläglich an intensiver Verwirrung und einem Knoten im Hirn. Ich bin viel zu beschäftigt damit, mich zu sammeln, als dass ich mich über sein Verhalten mir gegenüber auch nur ansatzweise aufregen könnte.
"Hmm, dein Hintern macht definitiv was her", murmelte er und musterte meine Hüfte von allen Seiten. "Trotzdem wird dein Outfit definitiv eine Herausforderung. Es ist an der Zeit, dass Distrikt 3 auch mal wieder etwas hermacht auf den Wägen."
Mhm. Ich möchte Sie ja nicht zu schnell beurteilen, mein Herr, Sie könnten immerhin tatsächlich ein guter Designer sein. Meine Erwartungen sind allerdings keinesfalls hoch.
"Also dann, nehmen wir doch mal deine Maße."
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