Zwölf
Taehyung
Der Dienstag in der Schule war leichter zu ertragen als der Tag zuvor. Wann immer meine Gedanken drohten, zu weit abzuschweifen, konnte ich zu Kookie sehen und bekam von ihm ein Lächeln geschenkt. Er gab mir die Kraft, weiterzumachen und mich nicht mehr unterkriegen zu lassen.
Ich hatte mich nach dem Aufwachen leichter gefühlt, als ich mich an das Gespräch mit meinem besten Freund erinnerte. Er hatte mir sofort geglaubt und mich komplett unterstützt. Er hatte mit mir geweint. Und Kookie zeigte sonst niemandem seine Tränen, er versuchte immer stark zu wirken.
Ein paar Leute hatten mich auf den blauen Fleck an meinem Hals angesprochen, doch mit der Hilfe meiner Freunde blieb ich bei der Controller-Unfall-Geschichte und niemand behauptete noch was anderes. Hoseok war so aufgedreht wie immer und brachte uns viel zum Lachen, allerdings war mir aufgefallen, dass er mir nicht zu nah gekommen war. Eine kurze Umarmung als Begrüßung und ein durch die Haare Wuscheln zum Abschied, mehr nicht.
Ich hatte mich teilweise sogar wohlgefühlt und dafür hatte bereits eine sanfte Berührung von Jungkooks Arm gereicht. Ich war so glücklich, ihn zum Freund zu haben.
Am Nachmittag saßen wir an den Hausaufgaben, als er mich ernst anschaute und damit meine Aufmerksamkeit auf sich zog.
"Wir müssen etwas unternehmen. Er muss bestraft werden."
Ein Schauer lief über meinen Rücken und ich schüttelte den Kopf.
"Aber Tae", ich ließ ihn nicht aussprechen. "Nein, niemand wird mir glauben!"
Mein Hals wurde zugeschnürt von dem Gefühl, zu ersticken. Ich konnte es niemandem erzählen. Ich versuchte Luft in meine Lungen zu bekommen, doch ich bemerkte nur diesen unangenehmen Geruch, die Übelkeit beherrschte meine Gedanken und die Angst.
Ein Stromschlag fuhr durch meinen Körper und ich kam wieder zu mir, keuchend schaute ich in Kookies dunkle Augen, die mich eindringlich musterten. Er hatte seine Hände an meine Wangen gelegt und hielt mein Gesicht fest, sein Atem strich über meinen Hals. Ich spürte meinen Herzschlag durch meinen Brustkorb hallen und versuchte, mich zu beruhigen.
Der Geruch meines besten Freundes verdrängte die Übelkeit und ich schloss die Augen, konzentrierte mich nur auf seine Anwesenheit, seine Berührungen.
"Ich glaube dir."
Ich sah wieder auf, musste aber lachen und verdrehte dabei die Augen. Ich fühlte mich von meiner Verzweiflung überwältigt.
"Du würdest alles glauben, was ich dir erzähle. Weißt du noch, als ich dir erzählt habe, dass dich die Aliens holen, wenn du mir nicht dein Lieblingsauto schenkst?"
Ich machte die Augen zu und dachte lächelnd daran zurück.
"Wir waren fünf." Er schmunzelte etwas, doch die Sorge war nicht zu übersehen und es tat mir leid.
"Ich hätte mich einfach mehr wehren müssen, ich war halt zu schwach."
Seine Hände um mein Gesicht verhinderten, dass ich den Kopf senkte, also schaute ich ihm in die Augen. Er sah traurig aus und das machte mich ebenfalls traurig.
"Taetae. Es ist nicht deine Schuld. Es gibt Worte für das, was er mit dir gemacht hat."
Ich erzitterte und realisierte zum ersten Mal aus einer etwas weniger subjektiven Perspektive, was mir passiert war.
"Und du hast nichts falsch gemacht. Wer weiß, was er mit dir gemacht hätte, wenn du dich mehr gewehrt oder ihn provoziert hättest!" Seine Augen blitzten auf und er ließ mich einen kleinen Teil seiner Wut und seiner Aufregung erahnen. Er atmete kurz durch, bevor er ruhig weitersprach. "Und du hast dich gewehrt. Du bist geflohen und hast dich in Sicherheit gebracht. Du bist zu mir gekommen."
Ich nickte langsam und versuchte, die nervigen Tränen zurückzuhalten. Ich wollte nicht mehr deswegen weinen. Kookie strich sanft mit dem Daumen über meine Wange und wischte dabei eine Träne weg, wobei meine Haut kribbelte.
"Und du hast mich beschützt." Meine Stimme war schwach, doch er hatte mich verstanden. Er nickte lächelnd und beugte sich zu mir, ich lehnte mich erschöpft an seine Schulter und genoss, wie seine Finger sanft über meinen Rücken strichen.
"Ich passe immer auf dich auf. Ich lieb- bin doch dein bester Freund."
Meine Wangen wurden heiß, als ich verstand, was er eigentlich hatte sagen wollen. Nickend rückte ich näher an ihn und kletterte schließlich auf seinen Schoß. Ob er wirklich das sagen wollte, was ich dachte? Ich hatte nie darüber nachgedacht. Mein Kopf tat weh.
Nachdem ich mich noch etwas an ihn gekuschelt hatte, überredete er mich, die Hausaufgaben fertigzumachen. Das ursprüngliche Thema sprach er nicht nochmal an, wofür ich ihm dankbar war.
Ich musste erstmal über alles nachdenken.
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