Soundcheck vs. Gefühlscheck
„Wie war euer Date mit Justin Timberlake?", frage ich grinsend, als die Mädels aus dem Wachsfigurenkabinett heraus kommen. Rahel und ich haben uns entschieden vor dem Museum zu warten und haben uns im Shop daneben je einen Frozen Joghurt geholt. „Er sieht auf dem Foto leider nicht sehr begeistert aus", antwortet Katrin und hält mir das Handy unter die Nase.
Nachdem Rahel und ich uns alle Fotos angeschaut haben, machen wir uns auf den Weg zum Bus. Wir wollen noch zum Alexanderplatz und von dort aus zurück ins Hotel um uns für den Abend fertig machen. „Ich brauch noch eine neues Kleid für heute Abend", meint Alice und zieht uns alle in eine schicke Boutique. Während die Mädels verschiedene Outfits anprobieren, schreibe ich Paddy eine Nachricht.
>Wir sind bei Station 7 angelangt und ich werde langsam nervös wegen heute Abend. Ich freue mich dich bald zu sehen.<
Im Schaufenster habe ich einen schwarzen Jumpsuit mit tiefem Ausschnitt gesehen, den ich mir schnappe und damit in der Kabine verschwinde. Ein Glücksgriff, der Jumpsuit sitzt super und auch die Mädels finden ihn toll. „Denkt ihr der Ausschnitt ist zu gewagt?", frage ich unsicher und drehe mich vor dem Spiegel hin und her. Amelie stellt sich neben mich und grinst. „Sex sells und Paddy wird es bestimmt gefallen." „Na dann ist er gekauft. High Five!"
Amelie kauft sich eine neue Jeans, Alice ein Sommerkleid mit Blumenmuster und Spitzenbordüre, Katrin und Tanja kaufen sich neue T-Shirts und Rahel eine weisse Bluse. Tabea geht leer aus, da sie keine Lust auf Klamotten anprobieren hat.
Mit unseren Tüten machen wir uns anschliessend auf den Weg zurück ins Hotel. Den Jumpsuit werde ich wahrscheinlich heute Abend anziehen - je nach dem ob ich mich traue damit raus zu gehen oder nicht. Bevor ich unter die Dusche hüpfe schaue ich auf mein Handy.
>Jetzt wo du es so sagst, werde ich auch nervös. Nein, ich freu mich auf euch. Das wird bestimmt ganz toll. Bis später. Ruf an wenn ihr da seid. Hugs and kisses from Station Nr. 8<
Ich runzle die Stirn. Hugs and Kisses? Mal sehen was da heute Abend noch passiert. Vielleicht hat er aber auch schon ein Bier intus und wird mutiger. Ich lege das Handy aufs Bett und verschwinde im Badezimmer.
Eine Stunde später stehen wir alle frisch geduscht, geschminkt, frisiert und ziemlich schick angezogen in der Lobby. „Man könnte meinen wir gehen zu einem Fashion-Event", stellt Rahel grinsend fest, als Amelie auf ihren hohen Hacken um die Ecke stöckelt. „Auf gehts Mädels, der Herr Kelly wartet auf uns." Tabea scheucht uns aus der Lobby. „Dafür dass dich seine Musik am wenigsten interessiert, hast du es ja ganz schön eilig", bemerkt Katrin trocken. „Ich habe mir Fotos der Band angeschaut und Basti find ich echt ganz nice. Ob wir den wohl nachher auch treffen? Falls ja, der gehört mir!"
>Hallo?<
>Ich bins.<
>Wer ist ich?<
>Haha sehr witzig. Wir sind in zwei Minuten am Backstageeingang.<
>Perfekt ich mache mich gleich auf den Weg. Ich glaube es hat nur zwei oder drei Weiber da, die schon auf mich warten. Die kann der Türsteher aber in Schach halten. Bin also gleich da.<
>Okay dann bis gleich.<
Nachdem ich aufgelegt habe schaue ich in die gespannten Gesichter der Mädels. „Also scheinbar stehen da ein paar Weiber am Hintereingang, aber Paddy kommt uns persönlich abholen." „Echt? Da stehen Weiber? Vier Stunden vor Konzertbeginn? Haben die nichts Besseres zu tun?", schimpft Rahel und schüttelt den Kopf. Ich zucke mit den Schultern. „Die werden Augen machen, wenn Paddy uns abholt." „Boah das wird super! Die werden sowas von neidisch sein", meint Amelie grinsend und klatscht in die Hände.
Als wir um die Ecke biegen, stehen da wirklich ein paar Mädels und sogar ein Junge - der aber ziemlich genervt drein schaut und vermutlich von seiner Freundin mitgeschleppt wurde. „Zwei davon kenne ich sogar von Fotos", flüstert Katrin. „Stürmen wir die Bude", meint Tabea und prescht voraus in Richtung Glastüre. „Halt junge Dame. Dieser Eingang ist gesperrt." Ein Security versperrt uns den Weg. „Wir haben ein Date mit Herrn Kelly", antwortet Tabea schnippisch. Als der Securitymann den Kopf schüttelt und die Arme verschränkt, gehe ich zu ihm hin. „Herr Kelly wird uns hier abholen, wir warten einfach." Das Grinsen in dem Gesicht des Securitys sieht aus, als würde er uns für völlig verrückt halten. Als dann aber plötzlich die Türe hinter ihm auf geht und Paddy uns rein lässt schaut er ziemlich dämlich aus der Wäsche. „Ja, da guckst jetzt! Merk dir dieses Gesicht damit du nächstes Mal nicht nochmal den gleichen Fehler machst Mister." Tabea fuchtelt mit ihrem Zeigefinger vor ihrem Gesicht herum. Hoffentlich sehen wir diesen Security nie wieder.
Nachdem Paddy die Mädels begrüsst hat kommt er bei mir an. Er gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Na alles gut?" Ich nicke. „Ja alles prima und bei euch?" Paddy dreht sich zu den Mädels. „Wir haben jetzt Soundcheck. Kommt mit, ich zeige euch eure Plätze." Er zeigt mit seiner Hand in die Richtung einer grossen Türe und wir machen uns auf den Weg. Paddy und ich laufen ganz hinten. Er legt seinen Arm um meine Hüfte und kommt ganz nah an mein Ohr. „Hübsch siehst du aus. I like your...", er blickt nach unten und grinst. Ich werde rot.
„Wow ich wollte schon immer mal in der ersten Reihe sitzen", freut sich Alice und setzt sich hin. Paddy, der noch immer den Arm um meine Hüften gelegt hat sagt: „Das werden auch eure Plätze beim Konzert sein. Ich gehe jetzt mal nach hinten zur Band und dann gehts auch schon los. Viel Spass euch. Danach stelle ich euch die Band vor und zeige euch den Backstagebereich." Er lässt mich los und zwinkert mir zu. Ich bin leicht irritiert. Irgendwie fühle ich mich heute in seiner Nähe komisch. Vielleicht liegt es daran, dass er heute der „berühmte Paddy" ist und nicht der „private Paddy", mit dem ich gestern stundenlang auf dem Sofa sass und seinen Geschichten gelauscht habe. Ich setze mich neben Rahel.
Zuerst kommt die Band von der Seite auf der Bühne uns stimmt das erste Lied an. Paddy erscheint hinten in der Mitte der Bühne - wie ein Phönix aus der Asche - und beginnt zu singen. Der erste Ton geht mir mitten ins Herz. Ich habe den Song gestern schon auf der CD gehört, aber jetzt singt Paddy es live vor mir und es berührt mich extrem. Mir wird bewusst, dass ich tatsächlich bei einem Star auf der Couch sass. Dass ich hinter die Fassade dieses Bühnen-Paddy blicken durfte, beruhigt mich. Er ist mehr als das was ich hier vor mir sehe. Viel mehr.
„Der mag dich", flüstert Rahel mir zu. „Meinst du?" „Natürlich, das sieht man doch. Schau mal wie er dich während dem Singen immer wieder anlächelt. Uns schaut er kaum oder nur ganz kurz an." Gerade als Rahel das gesagt hat, setzt sich Paddy direkt vor mir an den Bühnenrand. Während er singt blickt er mir immer wieder tief in die Augen und ich spüre, dass ich nervös werde. Was ist zwischen gestern und heute mit mir passiert? Gestern war Paddy einfach ein netter, interessanter Mann - der ziemlich nett anzusehen ist. Heute ist er ein heisser Feger der über die Bühne flitzt und mir Blicke zuwirft, die ich nicht zu deuten wage. Vielleicht gehört das aber alles nur zur Show, geht es mir durch den Kopf. Ist sozusagen Teil seiner Rolle - Fans glücklich zu machen. Dass ich kein Fan bin ist ihm aber hoffentlich klar.
Nach diesem eher ruhigeren Song wird es wieder rockig. Paddy schwingt sein Mikro und turnt über die Bühne. Dass der Mann 40 Jahre alt ist, sieht man ihm überhaupt nicht an. Würde man mir sagen, er sei gerade erst 30 geworden, würde ich es sofort glauben. Zwischendrin stoppt die Band immer mal wieder und Paddy gibt Anweisungen, wie irgendwelche Dinge anders eingestellt werden müssen. Manche Lieder spielen sie ganz durch, andere wiederum spielen sie nur kurz an.
Je länger ich Paddy zuschaue, desto mehr spüre ich das Verlangen ihm nahe zu sein. Dieses Gefühl fühlt sich jedoch ziemlich schräg an, denn wirklich nahe, war ich ihm ja noch gar nicht. Irgendetwas in mir drin scheint sich zu verändern. Fange ich an mich in Michael Patrick Kelly zu verlieben? Bei diesem Gedanken fange ich an zu lachen. „Alles in Ordnung?" Rahel schaut mich irritiert an. „Ja, alles gut", gebe ich grinsend zurück. Es fühlt sich gut an. Richtig gut.
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