Musik liegt in der Luft - und ein bisschen Hannah

Nach einer Weile verschwindet Paddy wieder hinter dem Steuerrad und beginnt umherzufahren. Ich lasse mir weiterhin die Sonne auf den Bauch scheinen und lasse ihn seinen Spass haben. Es duftet nach Sommer, Sonne, See und heile Welt. Nichts könnte mich in diesem Moment aus der Ruhe bringen.



Paddys Handy klingelt.



„Hey Pino... och nein, ich hab doch frei... heute Abend?... wenns nicht anders geht... ja schon klar... ich werd da sein aber ich bring jemanden mit... Sophie... sie ist auch da?.... na super....gut dann bis später... ja, ich werde pünktlich  sein.... Bye."



Hatte ich nicht gerade noch  gedacht, dass mich nichts aus der Ruhe bringen kann? „Sophie ich muss heute Abend ins Tonstudio und eine neue Strophe einsingen." Ich stütze mich auf meinen Ellenbogen auf und blicke ihn an. „Okay und das ist jetzt gut oder schlecht?" „Keine Ahnung, willst du mitkommen?" „Du hast mich ja schon angekündigt." „Du musst nicht wenn du nicht willst." Ich lächle. „Natürlich will ich." Ein Tonstudio von innen zu sehen, ist bestimmt spannend und ich finde es schön einen Blick in Paddys Arbeitswelt werfen zu können.




Während Paddy das Boot wieder zurück in Richtung Hafen fährt, fange ich an unsere Sachen einzupacken. Danach setze ich mich neben Paddy auf den Beifahrersitz. „Es tut mir leid, dass wir schon zurück müssen", sagt Paddy traurig. „Ach mach dir keinen Kopf, der Tag war bis jetzt wunderschön und ich bin echt gespannt, wie das im Tonstudio ablaufen wird." „Mach dir nicht zu viele Hoffnungen, eigentlich ist es da eher langweilig." „Dir zuzuhören ist nie langweilig."

Hello Flirty-Sophie....





„Na dann wollen wir mal zurück in die hektische Grossstadt fahren." Paddy hat zuvor das Boot abgegeben und dem Herrn erklärt, warum wir denn jetzt schon wieder zurück sind. Der Mann dachte wohl, es wäre etwas mit dem Boot nicht in Ordnung. Jetzt sitzen wir im Auto und fahren zurück nach Berlin. Ich schliesse die Augen und höre der Musik aus dem Radio zu.




'Cause every time we touch

I get this feeling

And every time we kiss

I swear I could fly

Can't you feel my heart beat fast?

I want this to last

Need you by my side '




Der Geruch von Kaffee steigt mir in die Nase und ich öffne die Augen. Paddy hält mit einen Starbucks Kaffeebecher hin. „Gut geschlafen?", fragt er belustigt. „Du hast einen sehr entspannenden Fahrstil. Danke für den Kaffee." Bereits nach dem ersten Schluck spüre ich, wie ich langsam wieder wach werde.



Diesmal haben wir kein Glück und müssen ein paar Meter weiter vorne parkieren. Wir steigen aus und gehen nach oben in die Wohnung. „Du kannst zuerst duschen und während du dir dann die Haare föhnst, kann ich ja unter die Dusche springen", meint Paddy während er die Tupperdosen aus der Tasche räumt. „Aber der Fön ist doch im Badezimmer", sage ich irritiert. „Und wo ist das Problem? Mich stört es nicht zu duschen, wenn du im Bad stehst. Die Dusche ist mit einer Milchglasscheibe abgegrenzt und da siehste eh nix durch. Ausserdem haben wir nicht so viel Zeit. Du könntest den Fön aber auch ganz einfach ausstecken und hier draussen deine Haare trocknen." Paddy grinst schelmisch. Kommt es mir nur so vor, oder will er sich mir ständig nackt zeigen?


„Schon gut, mich stört es auch nicht - ich wusste nur nicht, ob du es genau so meinst, wie es bei mir angekommen ist", gebe ich zurück. „Wie ist es denn angekommen?" Ich fange an zu grinsen. „Na dass du dich mir schon wieder nackt präsentieren willst." „Gut, dann ist es richtig angekommen." Jetzt grinsen wir beide.





„Dusche ist frei!", rufe ich nach draussen und hoffe Paddy schlüpft nicht gleich nackt zur Tür herein. Meine Gebete werden erhört, denn er trägt seine Kleider noch... noch...


Durch den Spiegel blickt er mir in die Augen. Schnell öffne ich den Schrank und nehme den Fön heraus. Wie kann ich Paddy denn nicht  beim Duschen zuschauen, wenn ich durch den Spiegel ja trotzdem alles sehen kann. „Ich hole rasch meine Haarbürste.", sage ich schnell und schlüpfe samt Haarbürste - welche ich natürlich nicht wirklich suchen muss - in meiner Hand durch die Tür.


Nach ein paar Minuten höre ich von drinnen endlich das Wasser plätschern und gehe wieder hinein. Während ich meine Haare föhne höre ich Paddy ein Liedchen pfeifen. Es kommt mir ein bisschen so vor, wie damals mit Chris. Wir waren oft gemeinsam im Badezimmer - wie wohl jedes normale Pärchen. Nur gibt es hier einen grossen Unterschied - Paddy und ich sind kein Pärchen.



Als Paddy aus der Dusche kommt, hat er sich ein Handtuch um die Hüften gewickelt. Zu gerne würde ich daran ziehen und schauen, wie er reagiert - aber ich lass es. Paddy stellt sich neben mich und putzt sich die Zähne. Immer wieder treffen sich unsere Blicke durch den Spiegel.


Im Badezimmer steht eine kleine Kommode. Paddy öffnet die obere Schublade und nimmt eine Boxershorts heraus. Mein Blick klebt förmlich an ihm - auch als er das Handtuch auf den Boden fallen lässt  und in seine Buxe steigt.


Wie versteinert stehe ich da und glotze - völlig bekloppt! Paddy dreht sich um. „Ich dachte du wolltest nicht schauen." Ich drehe mich wieder zum Spiegel und sage nichts. Paddy stellt sich dicht hinter mich und flüstert mir ins Ohr: „Nächstes Mal duschen wir einfach zusammen, das wär nur fair", und dann verschwindet er nach draussen. Mein Herz klopft wild und mein Puls rast. Warum bringt er mich ständig so durcheinander?





„Hey Pino, da sind wir." Paddy begrüsst einen Mann mit Handschlag. „Das ist Sophie - Sophie, das ist Pino mein Manager." Ich reiche ihm die Hand. „Freut mich sie kennenzulernen." „Wollen wir uns nicht duzen?", schlägt Pino vor und ich nicke. „Sind Marco und Hannah schon da?", fragt Paddy und blickt sich um.


Wir stehen in einem Raum, der mich an einen Sitzungsraum in einem Büro erinnert.Ein grosser Tisch mit vielen Stühlen und in der Ecke steht ein Flip-Chart. An der Wand hängt ein grosses Whiteboard und auf dem Tisch steht ein Beamer. „Marco ist schon da, Hannah lässt auf sich warten."



Hannah? Doch wohl nicht diese Hannah?



Paddy zieht seine Jacke aus und schmeisst sie auf den Tisch. Gemeinsam mit den beiden Männern laufe ich einen kleinen Flur entlang und betrete dann einen weiteren Raum. Darin befindet sich ein Riesenteil von Mischpult. So viele Knöpfe auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen. Hinter dem Mischpult ist ein kleiner Raum, der durch eine Glasscheibe abgetrennt ist. Darin erkenne ich ein Mikrofon, welches in der Mitte des Raumes steht.


Die Wände sind mit schwarzen Schaumstoffmatten verkleidet. „Damit der Sound möglichst rein klingt", erklärt Marco. Während wir auf Hannah warten, hat er angefangen mir das Studio zu zeigen und alle möglichen Dinge zu erklären. Paddy und Pino haben sich in den Sitzungsraum zurückgezogen. Scheinbar haben sie noch einiges zu besprechen.



„Boys, ich bin daaaaaa!", ruft jemand durch den Flur. Hannah. Ich spüre wie ich nervös werde. Wie sie wohl aussieht? Was macht sie überhaupt hier? Ist sie wirklich Paddys Ex oder hat sie einfach nur  den gleichen Namen? Wäre das nicht ein zu grosser Zufall?



„Endlich! Du bist fast eine Stunde zu spät!", meckert Marco sie an. Hannah ist eine hübsche schlanke junge Frau. Sie hat braune lange Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat. Ein Haarband mit Blumen schmückt ihren Kopf. Sie trägt kurze Jeans, eine weisse Bluse und darüber eine Art Kimono in schwarz-weiss. Dazu schwarze Boots. Ihr Handgelenk zieren ganz viele silberne Armbänder und an ihren Fingern trägt sie mindestens 10 Ringe. Eine grosse Kette und Ohrringe mit Federn runden das ganze Outfit ab. Ein Boho-Mädchen also. Ich fühle mich daneben wie eine kleine graue Maus.



Ich kann mir gerade gar nicht vorstellen, dass Paddy und sie einmal ein Paar gewesen sein sollen. Das muss wohl tatsächlich eine andere Hannah sein, alles andere scheint mir unwirklich. Sie dreht sich zu mir und hält mir die Hand hin. Ihre Armreifen klimpern dabei ziemlich laut. 


„Hi, ich bin Hannah und du?" „Sophie." „Machst du den Backgroundgesang?", fragt sie weiter. „Ich? Nein, ich hab nur Paddy begleitet." „Oh, okay, wo ist er denn?" Sie zieht ihren Kimono aus und legt ihn zu ihrer weissen Fransentasche, die sie neben die Tür gestellt hat. „Mit Pino im Besprechungsraum", antwortet Marco. Hannah verschwindet und ich gehe ihr nach. Sie stürzt in das Besprechungszimmer und ruft laut: „Paddybooooy da bist du ja, lange nicht gesehen." Sie fällt ihm um den Hals. 


Ich bleibe in der Tür stehen und beobachte die Szene. Paddy begrüsst Hannah nur kurz und lässt sie dann einfach stehen. Er kommt auf mich zu, nimmt meine Hand und zieht mich zurück ins  Tonstudio. „Können wir anfangen?", fragt er an Marco gewandt. Dieser hält Paddy ein Blatt Papier hin, welches Paddy nimmt und sich auf eine Couch im hinteren Teil des Raumes setzt.


Ich setze mich daneben und versuche einen  Blick auf das Blatt zu werfen. Es sieht aus wie ein Blatt aus meinen Musik-Schulbüchern - viele Linien mit Noten und einem Text darunter. Damit kann ich nichts anfangen. Mir kommt es jedenfalls vor, als wäre das eine sehr lange Strophe. Paddy spricht die Wörter leise vor sich hin und macht mit der linken Hand irgendwelche Bewegungen. Vermutlich hat das was mit der Tonleiter zu tun - das ist das Einzige was ich noch kenne. 


Geh - Du - Alter -  Esel - Hole - Fische. So ging doch die Eselsbrücke...


Hannah und Pino kommen zurück und Hannah setzt sich zu Marco ans Mischpult. Pino schliesst die Tür und lehnt sich dagegen. „Na dann wollen wir mal", sagt Paddy und steht auf. Bevor er in der Kabine verschwindet schenkt er mir noch ein Lächeln. 


Hannah würdigt er keines Blickes. Was geht hier eigentlich vor?

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