Mon Bijou
Freitag - Tag 2 in Berlin
„Auch schon wach Schlafmütze!" Tabea begrüsst mich lauthals durch den gesamten Frühstücksraum. Einige Leute drehen sich erschrocken um und ich werde rot. „Schrei doch nicht so", ermahnt sie Rahel und haut ihr gegen den Arm. „Aua!"
Ich mache mich auf den Weg zum Buffet und hole mir ein Brötchen, Marmelade und einen Kaffee. „Das ist alles?" Tabea schaut auf meinen Teller. „Ja, ich esse morgens nicht so viel." „Da würde ich ja verhungern", gibt sie zurück und beisst genüsslich in ein Brötchen mit Käse, Wurst und Nutella. Ich überlege zu fragen ob das lecker schmeckt, lasse es dann aber.
„Wann kommen die anderen an?", möchte Rahel wissen. „Katrin meinte gegen 13 Uhr." Ich blicke auf meine Uhr - 10.30. „Was wollt ihr denn machen bis um 13 Uhr?" Ich nehme einen Schluck Kaffe und verbrühe mir die Lippe. Typisch ich. „Vielleicht shoppen gehen", sagt Tabea. „Ich brauche unbedingt neue Schuhe", meint Rahel. „Mir ist nicht so nach shoppen. Ich denke ich bleibe hier und lese ein bisschen. Ich kann Katrin und Tanja auch alleine begrüssen, dann braucht ihr euch nicht zu beeilen." „Ach quatsch, das will ich mir doch nicht entgehen lassen!" Rahel schaut mich entsetzt an. „Tschuldigung." Ich hebe meine Hände in die Luft. Rahel fängt an zu lachen.
Nachdem wir fertig gefrühstückt haben, verabschiede ich mich von den beiden. „Wir sehen uns dann um 13 Uhr hier in der Lobby." „Viel Spass beim Lesen", ruft mir Tabea noch hinterher als ich zum Aufzug laufe.
Zurück in meinem Zimmer schaue ich auf mein Handy.
>Guten Morgen Sophie, was hast du heute noch vor?<
>Guten Morgen zurück, um 13 Uhr kommen zwei weitere Mädels an. Bis dahin werde ich wohl ein bisschen lesen oder schreiben. Du?<
>Lust auf einen Spaziergang?<
>Klar<
>Cool, in welchem Hotel bist du? Ich hole dich ab<
>Hotel Ibis direkt neben dem Hauptbahnhof<
>Bin in 10 Minuten da. Bis gleich<
Mein Herz fängt an zu rasen. 10 Minuten? Ich sehe aus wie eine Vogelscheuche. Männer sollten wissen, dass eine Frau mehr als 10 Minuten braucht um sich fertig zu machen!
>Okay, es könnten aber auch 15 Minuten werden. Ich komme runter in die Lobby. Bis gleich.<
Schnell husche ich ins Badezimmer. Haare kämmen und zu einem Dutt binden, schnelles Make-Up, Zähne putzen, Deo und dann noch rasch in ein netteres Outfit schlüpfen. Da es draussen sehr warm ist, entscheide ich mich für einen luftigen dunkelroten Jumpsuit und meine schwarzen Riemchensandalen mit einem kleinen Absatz. Ich schnappe mir meine Handtasche und schmeisse Handy und Geldbeutel hinein. An der Tür ziehe ich die Zimmerkarte aus dem Kasten, der die Stromzufuhr regelt. Karte drin = Strom. Karte draussen = kein Strom. Ganz simpel. Ich darf dieses Ding nur einfach nicht verlieren.
Als ich im Aufzug stehe wird mir ganz warm. Warum treffe ich mich mit Mike? Ich fand ihn doch gestern gar nicht so mega toll. Oder doch? Irgendwie kann ich mich nicht mehr erinnern. Wie sah er denn überhaupt aus? Warum werde ich jetzt so nervös? Jetzt nur nicht hysterisch werden...
Die Aufzugstür öffnet sich und da steht er schon. Er trägt Turnschuhe, schwarze kurze Hosen und ein graues Shirt. Auf seinem Kopf eine Mütze und in der Hand hat er einen Sonnenbrille. Als er mich sieht fängt er an zu grinsen. „Na das waren aber mehr als 15 Minuten." Er gibt mir einen Kuss auf die Wange. Genau wie gestern bleibe ich einfach wie angewurzelt stehen. Begrüssungen und Verabschiedungen waren noch nie mein Ding. Ich fühle mich unwohl, wenn ich fremden Menschen einfach um den Hals falle und sie abknutsche. „Sorry, aber das war ein bisschen sehr kurzfristig." Mike setzt seine Sonnenbrille auf. „Los gehts. Ich will dir meinen Lieblingsort zeigen. Der ist nicht weit weg und wir können zu Fuss hin. Ich hasse U-Bahn fahren."
Während wir die Strasse entlang laufen fraget mich Mike zum gestrigen Abend aus.
Was habt ihr gemacht? Wars schön? Was habt ihr denn gegessen? Magst du die Mädels? Versteht ihr euch?
Ich beantworte ihm vergnügt jede Frage und merke, wie wohl ich mich hier fühle. Ob es an den Mädels oder an Mike liegt weiss ich nicht genau. Oder vielleicht liegt es ja einfach nur an der Berliner-Luft? Jedenfalls bin ich froh hier zu sein und kann das Wochenende mit den Mädels kaum erwarten.
„Was kam denn gestern mitten in der Nacht für ein wichtiger Anruf?" Jetzt bin ich an der Reihe mit Fragen stellen. „Nur mein Ma... kler." „Du suchst eine neue Wohnung?" „Äh, ja genau aber bis jetzt war noch nicht das passende dabei." „Und der ruft dich so spät Abends an?" Mike kratzt sich am Kopf. „Ja. Das ist ein Freund von mir." „Achso, was für eine Wohnung suchst du denn?" „Nichts bestimmtes. Kennst du eigentlich die Geschichte des Monbijoupark?"
Vor lauter plaudern habe ich gar nicht bemerkt, dass wir mitten in einen Park gelaufen sind. „Nein, aber du wirst sie mir bestimmt gleich erzählen." Mike steuert auf eine Parkbank zu und setzt sich. Ich setze mich daneben und blicke über eine saftig grüne Wiese. „Also früher stand hier ein Schloss. Eine Art Lustschloss und eine kleine englische Kirche. Wie das zusammenpasst weiss ich auch nicht. Jedenfalls wurde das Schloss während des Krieges stark beschädigt und da kein Geld für einen Wiederaufbau vorhanden war, wurden die Überreste abgerissen. Heute ist es ein Freizeit- und Erholungspark mit viele Wiesen und es hat sogar ein Kinderfreibad. Ich komme gern hier her zum nachdenken." „Was du alles weisst. Hast du im Zug nicht gesagt, dass du dich gar nicht auskennst in Berlin?" Ich stupse ihm meinen Ellenbogen in die Seite. „Tja, es gibt vieles, was du nicht über mich weisst." „Dann erzähl mir etwas über dich."
Mike steht auf und steckt seine Hände in seine Hosentaschen. „Komm mit." Dieser Typ ist mir plötzlich wieder sehr suspekt. Warum reagiert er so? „Habe ich wieder etwas falsches gesagt?" Ich stehe auf und laufe neben ihm her. „Nein alles gut. Siehst du die grosse orange Rutsche da vorne?" Auf der linken Seite taucht ein Kinderspielplatz auf. „Was ist damit?", möchte ich wissen. „Wenn du dich traust runterzurutschen verrate ich dir ein Geheimnis über mich." Ich blicke von ihm zur Rutschbahn und wieder zurück. Sein Grinsen spornt mich an. Der denkt bestimmt ich trau mich nicht. Ohne zu zögern stapfe ich zur Rutschbahn, klettere nach oben und sause die Rutsche hinunter. Ich muss zugeben, es macht Spass. Mike lacht laut auf, als ich unten auf meinem Po im Sand lande. „Da war wohl jemand leicht übermütig." Er hält mir seine Hand hin und zieht mich hoch. Ich klopfe mir den Sand von meinem Jumpsuit.
„So und jetzt will ich ein Geheimnis hören." Ich verschränke die Arme. Mike kommt näher und ich befürchte schon, dass er mich küssen will. Warum denke ich überhaupt an sowas? Sein Mund geht ganz nahe neben mein Ohr. „Ich heisse Michael und nicht Mike."
Ich lege meinen Kopf schief. „Ach tatsächlich? Ich dachte mir schon, dass Mike nur eine Abkürzung ist. Das ist kein richtiges Geheimnis. Ich will ein echtes Geheimnis hören." Ich komme mir vor wie ein schmollendes kleines Kind und fange bei dem Gedanken an zu lachen. „Na gut, dann eben ein anderes. Ich habe insgesamt 11 Geschwister." Meine Augen werden grösser. „11? Halleluja das ist ja krass." Michael fängt an zu lachen. „Krass ist das richtige Wort. Lass uns zurück gehen, es ist schon fast halb eins." Erschrocken blicke ich auf das Display meines Handys. Tatsächlich 12.26.
„Keine Sorge du bist pünktlich zurück." Im Schnellschritt legen wir den Weg zum Hotel in Rekordzeit zurück und tatsächlich stehen wir um Punkt 13 Uhr vor dem Hotel. „Danke für den Spaziergang Michael." „Nenn mich bitte Paddy." „Okay, dann eben danke Paddy." Diesmal bin ich diejenige die ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange drückt. „Bis bald." Paddy nickt mir kurz zu und macht sich dann auf den Weg. Wohin er geht habe ich vergessen zu fragen.
Ich setze mich in der Lobby auf eine Couch und beobachte den Eingang. Von Rahel und Tabea weit und breit keine Spur. Keine fünf Minuten später betreten Katrin und Tanja die Lobby und blicken sich um. Ich springe auf und falle beiden gleichzeitig um den Hals. Wie drei aufgescheuchte Hühner springen wir herum. Ob das jetzt bei jeder Begrüssung mit einem neuen Mädel so wird? Also ich finds toll.
Katrin und Tanja haben ihr Zimmer einen Stock tiefer. Es sieht genau gleich aus wie meines, nur haben sie einen besseren Ausblick. „Ich hoffe die Autos auf der Strasse da unten sind nicht so laut." Tanja schmeisst ihre Reisetasche auf das Bett. „Immerhin schaut ihr nicht gegen eine Betonwand", sage ich und schiebe die Gardine wieder zurück. „Eigentlich wollten Rahel und Tabea auch hier sein wenn ihr ankommt. Ich hoffe es ist nichts passiert." „Ach die werden einfach die Zeit vergessen haben. Es ist so schön dich zu sehen So-So", meint Katrin und umarmt mich. „Es kommt mir gar nicht so vor als würden wir uns das erste Mal sehen." „Mir auch nicht", entgegne ich. Tanja sitzt auf ihrem Bett und tippt auf ihrem Handy herum. „Wollt ihr euch ein bisschen ausruhen? Wir können uns ja nachher mit Tabea und Rahel treffen und irgendwo etwas trinken gehen?", schlage ich vor. „Perfekt. Treffen wir uns in einer Stunde unten?", Tanja blickt von ihrem Handydisplay hoch. „Prima, dann bis nachher", ich verabschiede mich und mache mich auf den Weg in mein Zimmer.
>Danke für den Spaziergang, Sophie.<
>Ach kein Problem, hatte eh grad nichts besseres zu tun *joke*. Der Park war echt schön, können wir gerne jederzeit wiederholen. Wo bist du?<
>Jederzeit klingt gut. Ich bin Zuhause warum?<
>Nur so, ich dachte du hast vielleicht noch etwas Wichtiges zu tun. Du kannst mich übrigens So-So nennen. Ich darf dir ja auch Paddy sagen. Gleichberechtigung und so.<
>So-So klingt cool. Dann wünsche ich dir noch einen schönen Nachmittag. See you soon - hopefully.<
>Maybe Baby<
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