Hoher Besuch

Mittwoch - Tag 7 in Berlin


An diesem Morgen bin ich diejenige die zuerst wach ist. Ich ziehe mir eine Jeans und eine Bluse an, stecke mir die Haare hoch und lege ein bisschen Make-Up auf. Ich schnappe mir meine Tasche, ziehe meine Schuhe an und nehme Paddys Hausschlüssel.




Heute möchte ich Paddy mit einem Frühstück und einem Abendessen überraschen. Als Dankeschön für die schöne Zeit hier. Wenn ich an morgen denke, wird es mir leicht übel, denn morgen werde ich nun definitiv von hier weg gehen. Ich bin froh, muss ich nicht direkt nach München, sondern kann noch ein paar Tage zu Rahel nach Frankfurt.




Während ich durch die Strassen schlendere schaue ich mir die verschiedenen Schaufenster an. Klamotten, Schmuck, Taschen, Friseur, Naildesign, Restaurant und dann endlich eine Bäckerei.

„Guten Tag, ich hätte gerne vier Brötchen, zwei Croissants, ein Baguette und zwei Stück Erdbeerkuchen."



In einem kleinen Supermarkt direkt neben der Bäckerei hole ich noch die Zutaten für mein Kokoscurry - ein Rezept, welches mir zum Glück immer gelingt. Ich hoffe Paddy mag Curry.





Als ich zurück komme, schläft Paddy noch immer. Ich verstaue die Lebensmittel im Kühlschrank und bereite das Frühstück vor. Auf Zehenspitzen schleiche ich zur Couch. Wie süss und unschuldig er aussieht, wenn er schläft.



Mit meinen Fingernägeln fahre ich leicht über seinen Oberarm. Murrend beginnt er sich zu drehen und öffnet langsam seine Augen. „Frühstück", flüstere ich. Paddy dreht sich wieder um. Ich streiche wieder mit meinen Fingernägeln über seinen Arm. „Nicht aufhören", nuschelt er vor sich hin. Scheinbar steht er auf Streicheleinheiten.



"Es ist schon 11 Uhr. Steh auf, sonst ist unser letzter gemeinsamer Tag schon bald rum und wir haben nicht mal was gemacht." Paddy setzt sich auf und reibt sich die Augen. „Soll ich Brötchen holen?" fragt er verschlafen. „Nein, habe ich schon gemacht und heute Abend koche ich dir mein berühmtes Kokoscurry - das einzige Gericht, was ich kochen kann."



„Du warst Brötchen holen?" „Äh ja?" „Schön", sagt Paddy und steht auf. Auf wackeligen Beinen macht er sich auf den Weg ins Badezimmer. Ich lasse uns zwei Kaffees aus der Maschine. Was werden wir heute wohl noch machen?




Nachdem wir gefrühstückt haben und gemütlich auf der Couch sitzen, klingelt es an der Tür. „Erwartest du Besuch?", frage ich erstaunt. Seit ich hier bin, habe ich die Türklingel noch kein einziges Mal gehört. „Nein, vielleicht ist es ja der Postbote." Paddy steht auf und geht zur Tür.




„Hey Paddy, ich war grad in der Gegend und wollte meinem Lieblingsbruder einen Besuch abstatten." Die Dame fällt Paddy und um den Hals. Da mir Paddy seine Familie bereits ausführlich mit den Fotoalben vorgestellt hat, weiss ich, dass Maite Kelly gerade zur Tür hereingeschneit ist. Ich stehe verlegen auf. Maite kommt auf mich zu und umarmt mich ebenfalls. Etwas überfordert erwidere ich die Umarmung.




„Du bist also Paddys Besuch", sagt sie und dreht sich zu Paddy. „Nicht schlecht, grosser Bruder." Dann dreht sie sich wieder zu mir. „Ich bin übrigens Maite, Paddys Schwester und alles was er bis jetzt über mich erzählt hat, ist gelogen." Ihr Lachen ist hell und ansteckend.



„Ach eigentlich hat er nur Gutes erzählt. Sollte das also alles nicht stimmen, wärst du ein echt schlechter Mensch." Sie dreht sich wieder zu Paddy. „Die ist gut, die Kleine." Paddy steht einfach nur da und nickt. Scheinbar ist auch er leicht überfordert. Als er seine Sprache wieder findet, fragt er: „Was machst du hier?"



Maite lässt sich auf die Couch fallen und blickt ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Darf ich nicht mal meinen Lieblingsbruder besuchen?" Paddy fängt an zu lachen. „Klar, aber normalerweise tauchst du nur hier auf, wenn du einen Hintergedanken hast. Letztes Mal ging um das Comeback, vorletztes Mal um meine Meinung zu einem Song. Was ist es diesmal?"





Während sich die beiden unterhalten, gehe ich in die Küche und hole mir einen Eistee. Paddy und Maite sitzen auf der Couch und unterhalten sich fröhlich. Maite erzählt von den Kindern und Paddy von seinem neuen Album. Ich habe mich an den Tresen gesetzt und beobachte die beiden. Es ist schön zu sehen, wie Paddy und Maite miteinander umgehen. Sehr respekt- und liebevoll. Wenn ich das so sehe, hätte ich auch gerne eine Schwester oder einen Bruder.





Irgendwann fängt Maite an zu flüstern und ich höre meinen Namen. Paddy blickt immer wieder zu mir und flüstert ebenfalls. Da ich mich dabei nicht wirklich wohl fühle, nehme ich meinen Eistee und gehe nach draussen und lege mich in die Hängematte. Warum sprechen die beiden über mich?





„Hey Sophie, ich wollte mich verabschieden." Maite steht vor der Hängematte. Ich klettere heraus und sage: „Du gehst schon?" „Ja, die Kinder warten. War schön dich zu treffen. Paddy hat gerade so von dir geschwärmt, du tust ihm richtig gut. Vielen Dank dafür." Sie umarmt mich.





„Okay", sage ich, da ich nicht genau weiss, was ich mit dieser Information anfangen soll. „Achja, und als seine Schwester erkenne ich, wenn er jemanden mag. Dich mag er ganz besonders und ich hoffe wir sehen uns bald wieder." Sie lässt mich los und geht wieder nach drinnen.





Sollte ich es mir endlich eingestehen, dass zwischen Paddy und mir vielleicht doch mehr ist, als nur Freundschaft? Bis jetzt habe ich mich immer gefragt, ob diese Gedanken einfach nur Tagträumereien sind. Maites Aussagen sind für mich ziemlich eindeutig. Ich tue Paddy gut, er mag mich sehr und sie möchte mich wiedersehen.





Ich weiss, dass ich Paddy einfach fragen könnte - aber was wenn ich mich dadurch total lächerlich mache? Ich schüttle den Kopf und gehe wieder rein. Heute ist nicht der richtige Tag dafür, denn immerhin muss ich noch eine Nacht bei ihm schlafen. Vielleicht ja morgen am Bahnhof? Dann kann ich im schlimmsten Fall abhauen und nie mehr wieder her kommen.




„Maite ist ein neugieriges Wesen. Ich wusste nicht, dass sie kommt", erklärt Paddy. „Schon gut, war doch süss - ausser dass ihr über mich gesprochen habt. Das fand ich nicht nett." Paddy kommt zu mir und beginnt an den Bändern von meinem Shirt zu spielen.




„Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass sie mich nur ausgefragt hat? Sie wollte einfach wissen, wie wir uns kennengelernt haben und wie wir zueinander stehen." Ich nehme all meinen Mut zusammen und frage: „Und wie war deine Antwort?"




Erwartungsvoll blicke ich in seine Augen. „Ich sagte, ich wisse es noch nicht aber ich würde es mir wünschen." „Was würdest du dir wünschen?", frage ich weiter und hoffe, eine Antwort zu bekommen, die meine Gefühle bestätigt. Anstelle einer Antwort bekomme ich jedoch nur ein freches Grinsen. Paddy dreht sich weg und geht in die Küche.





„Ich brauche heute noch deine Hilfe. Ich habe vorhin beim anziehen gemerkt, dass ich neue Hosen brauche", plappert er, während er sich ein Stück Brot abschneidet. „Du willst shoppen gehen? Mit mir?" „Klar, mit wem denn sonst?", genüsslich beisst er in die mit Wurst belegte Brotscheibe.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top