Goodbye Berlin
„Da wären wir." Paddy öffnet dir Tür und ich betrete die Wohnung - bereits zum zweiten Mal an diesem Wochenende. Ich ziehe meine Schuhe aus und lege meine Tasche auf den Boden. Paddy stellt meinen Koffer daneben. Die Wohnung sieht unverändert aus - ausser der Schreibtisch. Dieser ist übersät mit irgendwelchen Papieren und Zettel. Ich gehe hin und nehme mir ein Blatt. „Schreibst du neue Songs?" „Es sind nicht alle neu, einige sind schon alt und ich überarbeite sie - in der Hoffnung etwas Neues daraus kreieren zu können. Bis jetzt hat es aber noch nicht so wirklich geklappt." Auf dem Zettel stehen Noten und darunter Textzeilen, welche immer wieder durchgestrichen und abgeändert wurden. Wie dieser Song wohl klingen mag? Ich lege das Blatt zurück auf den Schreibtisch.
Paddy steht in der Küche und schenkt uns zwei Gläser Limettenwasser ein. „Das ist super erfrischend", meint er und hält mir ein Glas hin. „Danke." Ich nehme einen Schluck. Es schmeckt tatsächlich sehr lecker und tut bei diesen warmen Temperaturen richtig gut. Ich setze mich auf einen der Hocker am Tresen. „Was hast du die nächsten Tage geplant? Du hast ja frei oder?", ich blicke ihn fragend an. „Keine Ahnung, wahrscheinlich entspannen und an den Songs arbeiten. Morgen Nachmittag habe ich noch einen kurzen Termin mit meinem Manager bezüglich dem neuen Musikvideo. Irgendetwas scheint damit noch nicht in Ordnung zu sein. Und du? Ab Morgen wieder im Kosmetikstudio?" Ich schnaube. „Leider ja, die Tage hier waren so befreiend und wenn ich an morgen denke, habe ich gar keine Lust nach Hause zu fahren." „Dann bleib hier." Ich verdrehe die Augen. „Klar, wenn das so einfach wäre." „Ist es. Du kannst gerne hier wohnen - solange du möchtest. Ich bin ja eh meistens weg." Ich lache und blicke auf meine Uhr. Noch knapp zwei Stunden bis mein Zug fährt. „Nein, ich muss zurück. Mein Studio wartet und irgendwann muss man ja schliesslich wieder in die Realität zurück." „Muss ja aber nicht unbedingt heute sein."
„Du wolltest mir doch noch einen Song vorspielen", erinnere ich Paddy. Dieser schnappt sich sofort seine Gitarre und setzt sich auf die Couch. Ich nehme mein Wasser und setze mich daneben. Während Paddy spielt und dazu summt, kribbelt es in meinem ganzen Körper. Jetzt kann ich die Melodie nicht nur hören sondern auch fühlen. Jeder Ton geht direkt unter die Haut. Die Melodie hört sich unglaublich stimmig an - so als gäbe es nur diese eine Möglichkeit, die Töne aneinander zu reihen. „So in etwa habe ich mir das vorgestellt", sagt Paddy als er fertig ist und die Gitarre wieder an seinen Platz stellt. „Das klang richtig schön." „Naja, wie auch immer. Sollen wir uns draussen in die Sonne setzen?" Ich nicke und wir gehen auf die Terrasse.
Paddy öffnet den Sonnenschirm, damit die Lounge nicht in der prallen Sonne steht. Wir setzen uns hin und blicken uns stumm an. Das macht mich irgendwie nervös. „Kennst du eigentlich einige der Mädels, die dir zu den Konzerten nachreisen und immer in Reihe 1 sitzen?", versuche ich das schweigen zu brechen. „Ja, aber das ist mir ehrlich gesagt egal. Solange sie sich benehmen ist alles in Ordnung. Sie bezahlen ja dafür und der Kunde ist König." „Es hatte gestern zwei Damen, die haben sich benommen als gehöre die Halle ihnen." Paddy zuckt mit den Schultern. „Solche gibt es eben immer. Das gehört einfach dazu. Manchmal mache ich mir einen Spass draus und setze mich vor dem Konzert zu ihnen dazu. Da erfahre ich immer ganz interessante Insider-Infos. Teilweise erschreckend über was da alles so diskutiert wird." „Dann bin ich froh, habe ich keine Ahnung. Ich mag solches Geschwätz überhaupt nicht und vor allem kennen sie dich ja gar nicht richtig." „Da bist du ihnen um einiges voraus." Ich merke wie ich rot werde und schnappe mir mein leeres Wasserglas. „Ich hole mir Nachschub, für dich auch?"
Als ich zurück komme hat sich Paddy auf der Couch ausgebreitet. „Sieht gemütlich aus", ich ziehe den Liegestuhl daneben und lege mich hin. „Zähl mir mal ein par Pro- und ein paar Kontrapunkte vom Berühmtsein auf." Ich höre Paddy schnauben. „Wo fange ich denn da bloss an... positiv... man ist beliebt, begehrt, Leute himmeln einen an, man fühlt sich toll, es macht Spass, man kann sich alles wünschen was man möchte, man ist so gut wie nie alleine unterwegs, man verdient viel Geld, reist viel herum, trifft neue Leute und sieht viele tolle Orte."
„Klingt eigentlich ganz angenehm." „Es gibt aber auch einige negative Dinge. Dieses angehimmelt werden, kann auch einengend sein. Wenn Fans vor der Tür stehen und man eben nicht mehr alleine raus gehen kann. Fans zu haben birgt auch eine Menge Verantwortung. Man muss immer zweimal überlegen, ob man etwas bestimmtes tut oder eben nicht. Die Presse ist überall und macht aus dem kleinsten Ding eine riesige Story. Presse allgemein ist Fluch und Segen zugleich. Stars brauchen die Presse um im Gespräch zu sein, andererseits kann einem die Presse das Leben aber auch echt zur Hölle machen. Einsamkeit ist auch noch ein Thema. Am Tag ist man nie alleine, man hat die Fans, die Band, den Manager - aber am Abend ist man alleine. Viele Stars leiden sehr unter diesen zwei Extremen."
„Jetzt klingt es doch nicht mehr so angenehm", sage ich traurig. „Früher habe ich die Schattenseiten mit voller Wucht zu spüren bekommen, heute jedoch kann ich besser damit umgehen. Das ist auch ein Grund warum ich solo unterwegs bin. Da muss ich nur für mich selbst bestimmen, keine Kompromisse machen und kann einfach mein Ding durchziehen. Meine Fans habe ich grösstenteils im Griff und die Presse kann man eh nicht zu 100% unter Kontrolle haben. Somit bin ich heute viel entspannter." „Und die Einsamkeit?" „Ich habe durch die Zeit im Kloster gelernt, mit mir alleine zu sein und mir nicht zu sehr auf die Nerven zu gehen. Klappt meistens ganz gut", meint er lachend. „Aber natürlich hätte ich gerne eine Freundin an meiner Seite zu der ich Nachhause komme, mich zu ihr auf die Couch kuscheln kann und mich einfach nur geborgen fühle." Ich seufze. „Wer hätte das schon nicht gerne." „Irgendwann werde ich diese eine Frau bestimmt treffen. Da bin ich mir ganz sicher", sagt Paddy weiter.
Ich blicke auf meine Uhr und schrecke hoch. „Verdammt mein Zug!" „Keine Sorge, du kommst schon nicht zu spät. Ich hab die Zeit im Griff." Mein Herzschlag beruhigt sich wieder. „Ich gehe mich kurz frisch machen, dann müssen wir los", sage ich rasch und verschwinde im Badezimmer.
Während der Fahrt zum Bahnhof werde ich mal wieder wehmütig - momentan wohl mein Dauerzustand. „Alles in Ordnung?", fragt Paddy, der mir meine Traurigkeit wohl ansieht. „Ja, alles ok. Ich bin nur traurig, dass der Berlin-Trip schon vorbei ist. Naja wie schon gesagt, mein Studio wartet."
Paddy parkt vor dem Bahnhof und steigt aus. Er nimmt den Koffer aus dem Kofferraum und steht etwas unsicher daneben. „Danke für deine Zeit und das Konzert, das war ein richtig schönes Wochenende", ich falle Paddy um den Hals. „Fand ich auch", höre ich ihn sagen. Ich löse mich aus seiner Umarmung und schnappe mir den Koffer. „Machs gut Paddy." Ich drehe mich um und laufe zum Haupteingang. Ich drehe mich nicht mehr um, obwohl ich gerne würde aber ich will nicht, dass Paddy mich weinen sieht.
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