Ankunft in Frankfurt
Als ich aus dem Zug steige, blicke ich mich um. Rahel scheint noch nicht hier zu sein, denn ich kann ihren Blondschopf nirgends entdecken. Ich mache mich auf den Weg zur Rolltreppen, denn dort wird sie mich am ehesten finden.
Während ich warte blicke ich auf mein Handy.
>Hey, bist du gut angekommen? Ich bin jetzt in Essen und sitze alleine im Hotelzimmer. Du fehlst mir. Ich kann es kaum erwarten, dich am Sonntag wiederzusehen. Kisses P.<
Ich lächle. Es tut gut zu wissen, dass man vermisst wird. Zu wissen, dass es jemanden gibt, der einen jetzt lieber bei sich haben möchte. Ich fange an zu tippen.
>Bin gerade am Bahnhof und warte auf Rahel. Sie steckt wahrscheinlich irgendwo im Stau. Vermisse dich auch. Freu mich auf Sonntag. Kisses back<
„Hey So-So, es tut mir leid", Rahel stürmt die Rolltreppe hoch und wir fallen uns in die Arme. „Schön dass du da bist", sagt sie weiter. „Oh ja, es ist schön dich zu sehen", gebe ich zurück und stecke mein Handy wieder in die Tasche.
Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu Rahels Auto. Sie berichtet mir von ihrem Morgen in der Filiale und der Fahrt hier her. „Heute hatte es so viele Autos, ich habe keine Ahnung weshalb."
Ich zeige mit meinem Finger auf ein Plakat. „Vielleicht deswegen?" Rahel blickt auf das Plakat und rollt mit den Augen. „Diese blöde Messe habe ich total vergessen. Jedes Jahr das gleiche Chaos. Kein Wunder."
Rahel wohnt ein wenig ausserhalb von Frankfurt. Nach einer kurzen Fahrt, hält bei einem kleinen Supermarkt an und wir decken uns mit Lebensmitteln und Getränken ein. „Ich denke das könnte eine lange Nacht werden", meint Rahel grinsend. Scheinbar möchte sie, dass ich ihr heute Abend alles ganz genau erzähle.
Rahel wohnt in einer kleinen gemütlichen 4-Raum-Wohnung mit Balkon. Sie hat ein Schlafzimmer, ein Ankleidezimmer, ein Wohnzimmer, eine Küche mit Essplatz, ein Badezimmer und ein Büro. „Für mich alleine reicht diese kleine Wohnung völlig", sagt sie während sie mit mir eine kurze Wohnungstour macht. „So klein finde ich die Wohnung gar nicht", sage ich und beneide sie ein wenig. „Immerhin hast du ein Ankleidezimmer."
Die Zeit vergeht wie im Flug und da wir gegen Abend beide keine Lust haben zu kochen, entscheiden wir uns Pizza zu bestellen und einen Film zu schauen. >The Nanny Diaries< - einer meiner Lieblingsfilme.
Als der Film fertig ist, schaltet Rahel den TV aus und dreht sich zu mir. „Sag mal So-So, was hälst du davon, wenn wir unsere Pyjamas anziehen, uns ins Bett legen und du mir von den letzten Tagen erzählst? Du hast Paddy noch mit keinem Ton erwähnt."
Ich fange an zu lachen. „Du hast aber lange durchgehalten. Ich dachte schon du fragst nie. Dann lass uns die Pijamaparty starten. Ich bin gespannt, wie du reagieren wirst."
"Also jetzt erzähl. Wie war es?" Wir haben uns in Rahels Bett gekuschelt und schauen an die Decke.
"Wie war was?", sage ich gespielt ahnungslos.
„Das Fernsehprogramm natürlich. Was könnte ich denn schon meinen? Hä? Na die Tage mit Paddy", grinst Rahel mich an. Sie hat sich auf die Seite gedreht und blickt mich erwartungsvoll an.
"Ach das meinst du", ich gähne. "War ganz gut."
Rahel schnappt sich ihr Kopfkissen und haut es mir an den Kopf.
"Wahnsinn wie du erzählst! Ich hab das Gefühl ich wäre live dabei gewesen", sagt sie lachend.
"Okay okay ich erzähl dir alles. Leg dich wieder hin", sage ich und halte mir die Hände vors Gesicht.
"Geht doch. Warum nicht gleich so." Rahel legt sich wieder neben mich und sieht mich gespannt an.
"Ich stand am Bahnhof, Paddy hatte mich gerade hingefahren und ich habe gemerkt, dass ich nicht aus Berlin weg will. Also habe ich all meinen Mut zusammen genommen, bin nicht in den Zug eingestiegen, sondern bin zurück zu Paddys Wohnung. Er hatte mir zuvor in einem Gespräch sein Gästebett angeboten. Ich war nur nicht sicher, ob er es ernst gemeint hat." Ich blicke zu Rahel.
Sie sieht mich noch immer gespannt an und bedeutet mir mit einer Handbewegung dass ich weiter erzählen soll. „Das weiss ich ja schon. Erzähl weiter."
"Ich glaube er hat sich gefreut als ich wieder da war. Jedenfalls hat er sich dann jeden Tag etwas Neues einfallen lassen. Wir gingen oft auswärts essen, waren bowlen - das kann er übrigens echt gut - und er hat ein Boot gemietet, mit welchem wir auf den See gefahren sind. Er hat einen Bootsschein, hast du das gewusst?"
"Nen Bootsschein? Wie kommt er denn dazu?", meint Rahel sichtlich beeindruckt. "Keine Ahnung, wahrscheinlich weil sie früher auf einem Schiff gelebt haben." Ich zucke mit den Schultern.
"Stimmt das liegt wirklich nahe. Also hattet ihr eine sehr interessante Zeit. Und hat es vielleicht gefunkt?", fragt Rahel und grinst breit.
Ohne ihre Frage zu beachten erzähle ich weiter. „Er hat mich übrigens bei der oben-ohne-Sonnenbadaktion erwischt."
Rahel lacht laut auf und sagt: "Na dass der dich erwischt, musste ja so kommen. Katrin hatte dich doch noch gewarnt. Steht das nicht irgendwo in Murphys Gesetz?"
"Er fand es witzig - mir war es ein bisschen peinlich. Naja egal, als wir dann auf dem See waren, kam ein Anruf von Paddys Manager - ich glaube er heisst Pino oder so - er sagte Paddy müsse am Abend ins Studio kommen. Da bin ich dann mit und du glaubst nicht, wen ich dort getroffen habe."
"Du warst mit im Studio? Wie ist das so? Ich stelle mir das unglaublich interessant vor." Sie überlegt kurz. „Keine Ahnung, vielleicht einen seiner Geschwister?"
„Es war ganz... interessant... am Anfang. Nachdem Paddy gefühlt tausend Mal die gleiche Textzeile gesungen hat, ging es mir auf die Nerven. Es dauerte knappe zwei Stunden, bis diese eine Strophe endlich fertig eingesungen war. Nein, keine seiner Geschwister, dazu aber später mehr. Rat weiter."
„Zwei Stunden für eine Strophe? Ach du Heiland. War der Meister nicht zufrieden? Keiner der Geschwister? Dann vielleicht irgendeine Ex?"
"Bingo, seine Ex-Freundin Hannah war da. Sie hat am Mischpult gearbeitet und war nie zufrieden...
Paddy mach dies, Paddy mach das... blablabla...
...deshalb ging das auch so lange. Zuerst dachte sie, ich wäre die neue Backgroundsängerin", ich fange an zu lachen.
"Kannst du denn singen? Vielleicht wär das ja wirklich etwas für dich. Ist bestimmt interessant und Paddy hätte sicher nichts dagegen."
"Niemals! Das wäre sein Ruin", sage ich empört.
"Ach so schlimm kann das doch nicht sein" lacht Rahel. „Erzähl weiter, ich will wissen ob ich Recht hab", schiebt sie hinterher.
Ich schaue sie unsicher an. Womit will sie denn recht haben? "Als wir heim gefahren sind, habe ich gefragt, ob das seine Ex-Freundin war. Sie ist so ein Boho-Hippie-Mädchen - also hat in meinen Augen so gar nicht zu ihm gepasst. Jedenfalls hat er nach der Frage kein Wort mehr mit mir gesprochen."
"Was ist denn ein Boho-Hippie-Mädchen? Den Ausdruck kenne ich gar nicht. Oje, da hast du wohl einen wunden Punkt getroffen", seufzt Rahel.
"Na sie hatte so Hippie-Kleidung an, ein Blumenhaarband um den Kopf, Federschmuck und eine Fransentasche. Ah, und eine Million Armbänder, die ständig geklimmpert haben. Echt nervig war das." Es schaudert mich, wenn ich nur schon an das Geräusch denke. „Oh ja, ich habe ihm dann aber gesagt, dass ich es nicht fair finde, wenn er sauer auf sie ist, es aber an mir aus lässt. Habe mich dann auf die Terasse verzogen", ergänze ich.
"Ne Hippie Braut? Ach herje. Paddy sieht gar nicht so aus als ob er auf sowas steht. Hat deine Ansage geholfen?"
„Da bin ich ja beruhigt, dass ich nicht die Einzige bin, die so denkt. Er hat sich später entschuldigt und mir die ganze Geschichte von Hannah und ihm erzählt. Willst du die ganze Geschichte hören oder nur eine Zusammenfassung?"
"Eine Zusammenfassung bitte" lächelt Rahel und sieht mich gespannt an.
"Die Dame wollte nicht in die Öffentlichkeit. Paddy durfte sie draussen weder umarmen noch sonst etwas. Da sie auch aus der Musikbranche ist, gingen sie zu den gleichen Veranstaltung - gingen jedoch getrennt voneinander hin. Er meint, sie habe ihn nie geliebt. Denkst du, sie war drei Jahre mit ihm zusammen ohne ihn zu lieben? Das kann ich mir gar nicht vorstellen", erzähle ich.
Rahel runzelt die Stirn. „Mannomann, das klingt ganz schön kompliziert. Drei Jahre Beziehung ohne Liebe? Niemals. Ich vergeude doch keine drei Jahre mit jemanden ohne ihn zu lieben. Also ich könnte das nicht."
"Vielleicht kann ich mich ja irgendwann mit Hannah unterhalten. Ich würd gerne auch ihre Sichtweise kennen", sage ich vorsichtig.
"Du willst dich mit Hannah unterhalten? Mit oder ohne Paddys Einverständnis?", Rahel schaut mich empört an.
"Naja wahrscheinlich werde ich mich nie mit ihr unterhalten, aber ich fände es schon noch interessant ihre Sicht der Dinge zu kennen."
"Wenn du dich wirklich mit ihr unterhalten solltest, dann sollte das aber nicht hinter Paddys Rücken passieren. Das könnte böse ausgehen", meint Rahel ernst.
"Ich weiss... ich bin einfach nur neugierig", sage ich möglichst unschuldig.
"Dann solltest du auf deine Neugier aufpassen. Ich meine er hat sich dir ja schon geöffnet. Eigentlich erstaunlich. Ihr kennt euch ja erst ein paar Tage. Sei also vorsichtig."
Ich presse die Lippen zusammen, weil ich nicht weiss, was ich antworten soll.
„Ich glaube ich würde das Ganze nicht aufs Spiel setzten, wenn ich an deiner Stelle wäre", schiebt Rahel nach.
„ Du hast Recht. Ich werde es lassen. Die Story geht noch weiter. Nachdem er mir seine Geschichte erzählt hat, habe ich ihm meine mit Chris erzählt. Die kennst du ja bis ins kleinste Detail. Aber weisst du was echt komisch ist?", frage ich und warte kurz ab.
"Was denn?", Rahel schaut mich erwartungsvoll an.
„Mit dir habe ich so oft darüber geschrieben und immer ging es mir danach schlecht. Als ich Paddy die Geschichte erzählt habe, hat sich alles in Luft aufgelöst. Wenn ich jetzt an Chris denke ist alles weg. Weder Liebe noch Hass noch Trauer noch sonst irgendetwas... einfach weg."
"Das klingt ganz so als ob du endlich losgelassen hast", lächelt Rahel.
"Genau so fühlt es sich an. Aber genug von mir, die coolen Sachen kommen jetzt erst. Bereit?"
"Ich bin schon die ganze Zeit schon bereit", grinst Rahel.
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<3 Danke an @tipsie83
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