Kapitel 1
Donk. Mein Kopf schlug gegen irgendetwas Hartes und ich wurde ruckartig aus meinem Schlaf gerissen.
Ah fuck! Ich rieb mir den Kopf und öffnete währenddessen meine verklebten Augen. Wo war ich? Die Sitzlehne vor mir warf mich ins Geschehen zurück. Ach ja ... die Klassenfahrt. Da war ja was. Ich streckte meine Arme und Beine aus und im Hintergrund war gedämpft Deutschrap zu hören. Ich fing leise an, die Melodie mitzusummen, um meine Sitznachbarin Dini nicht aufzuwecken. Ihre rabenschwarzen Haare fielen ihr strähnig ins Gesicht und ihre karamellfarbene Haut war frei von Verunreinigungen. Sie hatte leicht abstehende Ohren mit zwei Ohrlöchern an beiden Seiten. Ihre schwarze Brille war leicht verrutscht und ein roter Ohrstöpsel von ihrem MP3-Player hatte sich in ihre schwarzen Locken verirrt, als sie sich im Schlaf bewegt hatte. Sie war wirklich hübsch und hatte schöne Kurven an den richtigen Stellen. Als ich sie kennengelernt hatte, war ich wirklich überrascht gewesen, als ich erfahren hatte, dass sie keinen Freund hatte. Ich gähnte einmal und fragte mich, wie lange wir schon fuhren. Eine Stunde oder doch nur eine halbe? Ich wusste es nicht. Bevor ich mich jedoch wieder in den Sitz kuscheln konnte, um weiterzuschlafen, ertönte plötzlich die Stimme meiner Klassenleiterin aus den Lautsprechern.
"So liebe 10e und 10f, wir machen gleich unseren ersten Halt. Dort könnt ihr bei einem der zwei Lokale, die es dort gibt, etwas essen und auf die Toilette gehen. Ihr werdet eine dreiviertel Stunde Zeit haben, also bis 11:55 Uhr."
Dann war es wieder still und mein Blick schweifte zu Dini. Sie war durch die laute Ansage aufgewacht. Ihre Haare standen wirr von ihrem Kopf ab und ihre Brille hing nur noch an einem Bügel an ihrem linken Ohr. Sie gähnte, streckte sich ebenfalls und richtete ihre Brille wieder, während sie zu mir herübersah.
"Man, tut dein Rücken auch so weh?", fragte sie mich, als sie stöhnend ein Hohlkreuz machte.
"Irgendwie nicht so. Kann aber daran liegen, dass ich am Fenster gelehnt geschlafen habe." Ich sah sie triumphierend an und sie schlug mir spielerisch auf die Schulter.
"Bei der Rückfahrt sitze ich da!"
"Gerne doch. Aber erst mal will ich aufs Klo, weil ich wirklich, wirklich dringend muss", antwortete ich ihr, während ich aus dem Fenster sah und die Raststätte entdeckte.
Keine zwei Minuten später bog unser Busfahrer zum Parkplatz ab und stellte den Motor aus. Überall im Bus hörte man, wie in den Taschen herumgekramt und Reißverschlüsse geschlossen wurden. Als ich aus dem Fenster sah, das sich auf der linken Seite - also der anderen Seite vom Gang zwischen den Sitzreihen - befand, konnte ich beobachten, wie der kleinste Bus von den dreien einparkte. Und dann sah ich sie. Sie war meine IT-Lehrerin. Ich hatte seit einiger Zeit einen leichten Crush auf sie und jetzt fuhr sie auch noch mit auf Abschlussfahrt! Zwei Wochen in Berlin mit ihr. Wie sollte ich das nur überleben?
Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, stiegen wir auch schon aus dem Bus. Die Kälte empfing mich und ich zog meine Jacke noch enger um mich. Wieso hatte ich keinen Schal mitgenommen? Sofort bekam ich eine Gänsehaut und ich löste meine aschbraunen Haare aus dem Zopf, damit meine Ohren nicht abfroren.
Ich sah mich um. So viele Schüler hatte ich gar nicht in meinem Jahrgang vermutet. Was meinte Frau Olsen? 160? Ja es waren 160. Oder? Keine Ahnung. Auf jeden Fall war der Parkplatz sehr überfüllt und es hätte mich nicht gewundert, wenn jemand von einem Auto angefahren worden wäre.
Von diesen ganzen Schülern kannte ich jedoch nur einen Bruchteil. Vielleicht fünfzig, wenn es hochkam. Die meisten eben aus meiner Klasse, Wahlfächern, Sport, Ausflügen oder Ethik. Wie sollte ich sie nur unter den ganzen Menschen finden? Sollte ich sie überhaupt suchen?
Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, tippte mich Dini an der Schulter an und folgte meinem Blick.
"Suchst du was?", fragte sie mich und kniff die Augen zusammen.
"Nein alles okay, wir sollten ...", begann ich den Satz, doch ich verstummte, als ich ihren Haarschopf unter den Schülern ausmachen konnte. Sie war nur etwas größer als ich und somit fast immer kleiner als die restlichen Leute um sie herum.
"Das ist es also." Dini sah mich mit einem triumphierenden Lächeln an. Ich hatte ihr schon ziemlich früh gesagt, dass ich auf unsere Lehrerin stand. Kaum einer wusste es. Lediglich einer guten Freundin aus meinem Stadtviertel und ein paar Internetfreunden hatte ich meine Vorliebe für Lehrerinnen gestanden und bisher hatten zum Glück alle ziemlich positiv darauf reagiert.
Ich begann zu spüren, wie mein Herz deutlich schneller schlug, als sie kurz in meine Richtung sah, sich dann aber wieder abwandte und zum Rest der Lehrer ging. Sollte ich auch zu ihnen gehen und sie fragen, ob sie auch so aufgeregt waren? Nein lieber nicht, das käme komisch rüber. Plötzlich wedelte Dini wild mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum.
"Bist du noch anwesend oder ziehst du sie gerade in deinen Gedanken aus?!", fragte sie mich empört. Anscheinend hatte sie mich davor irgendetwas gefragt.
"Nein, so weit bin ich noch nicht, aber das ist eine wirklich gute Idee", meinte ich, biss mir auf die Lippe und grinste pervers zu ihr hinüber.
"Lass das!", lachte sie und wir beschlossen nach weiterem Herumalbern, dass wir uns in das Fast Food Restaurant setzen wollten, um in der Kälte nicht zu erfrieren.
Es war warm, als wir durch die Schiebetür traten. So warm, dass wir erst mal die Jacken auszogen, um nicht zu schwitzen, aber bei Weitem nicht so warm, wie es mir wurde, wenn ich sie sah. Dini fragte mich noch, ob sie mir etwas mitbringen sollte, bevor sie aufstand und zur Theke ging. Solange ich von ihr ein paar Pommes abbekam, war alles gut.
Meine Fingerspitzen trommelten auf den orangefarbenen Tisch, während meine Augen auf die Nummernschilder der Autos gerichtet waren, die vorbeifuhren.
Ich hatte schon welche entdeckt die 'Cola', 'Lips' und 'Bye' hießen, als mein Blick zu der Schlange wanderte, in der Dini stand. Sie redete mit jemandem. Sie redete mit ihr. Man, wieso war ich nicht mitgekommen? Dann hätte ich und nicht Dini mit unserer Lehrerin reden können. Eifersucht kochte in mir hoch. Okay beruhige dich Elea, redete ich mir ein. Ich konnte auch später noch mit ihr reden. Ich konnte zwei Wochen lang mit ihr reden, wenn ich wollte. Ich versuchte, meinen Atem zu verlangsamen, und sah, wie meine Freundin sich mit einem roten Tablett voller Essen auf mich zubewegte.
"Hast du noch für den Rest vom Bus eingekauft oder wer soll das alles essen?", lachte ich, als sie die Sachen auf dem Tisch abstellte.
"Hab' noch was für dich mitgekauft und der Rest gehört mir und Frau Lindner", antwortete sie mir, während sie sich setzte.
Bei der Erwähnung des Namens unserer Lehrerin lief mir ein Schauer über den Rücken.
"Frau Lindner?" Ich hob fragend eine Augenbraue.
"Ja, Frau Lindner", entgegnete sie, während sie mir eine große Pommes und ein Tütchen mit Ketchup zuschob und ihren Hamburger aus dem Papier wickelte.
"Und wo ist sie?", hakte ich nach und musste einen Freudenschrei unterdrücken. Dini war definitiv Gold wert! Wenn nicht sogar Diamanten oder gleich unbezahlbar!
"Sie ist auf die Toilette gegangen."
"Stimmt, da wollte ich auch noch hin, war bloß ein wenig abgelenkt", kicherte ich. "Friss mir ja nicht meine Pommes auf!", rief ich ihr noch über die Schulter hinweg zu, bevor ich auf die Toilette verschwand.
Das Klo war beinahe komplett voll, was man bei 160 Leuten auch erwarten konnte. Jedoch bekam ich sehr schnell eine Kabine und ließ, vor Erleichterung seufzend, meine Jeans runter. Als ich fertig war und nach dem Toilettenpapier griff, bemerkte ich, dass die Rolle leer war und auch kein Nachschub aufzufinden war. Fuck! Musste ich jetzt allen Ernstes die in den Nebenkabinen fragen, ob jemand Klopapier hatte? Aber halt! Ich kramte in meinem Pulli herum und fand eine Packung Taschentücher. Ein Glück, dass meine Mutter manchmal so überfürsorglich war. Wenn es nach ihr ginge, würde ich immer einen Vorrat an Tampons, Taschentüchern, Desinfektionsmitteln, Einkaufstaschen und Regenschirmen mit mir herumschleppen.
Nachdem ich die Spülung betätigt hatte, ging ich über die grauen Fliesen hinüber zum Waschbecken und war positiv erfreut, dass sich noch etwas Seife in den Seifenspendern befand. Als ich mich jedoch dem Händetrockner zuwandte, sah ich sie, wie sie versuchte, das Gerät anzubekommen, es aber nicht schaffte.
"Hier, nehmen Sie die zum Abtrocknen", machte ich sie auf mich aufmerksam. Sie lächelte mich daraufhin dankbar an und fischte ein Taschentuch aus der Verpackung.
Ihre braunen Haare waren dünn, wellig, voluminös und auf der Höhe ihrer Schultern gerade abgeschnitten. Sie sahen sehr flauschig aus und am liebsten hätte ich sie berührt.
Kastanienbraune Augen sahen mich fragend an. Fuck! Hatte ich etwa gestarrt?! Das war definitiv eine sehr schlechte Angewohnheit von mir und ich sah beschämt weg. Schnellen Schrittes trat ich aus der Tür und machte mich auf den Weg zu unserem Tisch, an dem Dini schon auf mich wartete.
"Warum hat das denn so lange gedauert?", brachte sie zwischen dem Kauen raus und ich atmete erst einmal durch, bis mir einfiel, dass unsere Lehrerin ja bei uns essen würde.
Okay Ruhe bewahren. Alles würde wieder gut werden.
"Der Händetrockner hat nicht funktioniert und wir mussten meine Taschentücher benutzen", antwortete ich und hielt die halb leere Packung Tempos in die Höhe.
"Wir?", war Dinis einzige Antwort.
"Ich und Frau Lindner", erklärte ich.
"Der Esel nennt sich immer zuerst", tadelte meine Freundin mich und ich begann, prustend loszulachen.
"Okay stopp, da kommt sie ja schon", kicherte ich. Meine Augen hefteten sich sofort an ihren Körper. Sie hatte zwar noch weniger Kurven als ich, aber ich fand sie wunderschön. Sie setzte sich neben Dini und binnen weniger Sekunden gesellte sich Herr Bartl zu uns hinzu. Er war wirklich sehr nett und hatte einen tollen Humor. Zudem sah er aus wie dreißig, obwohl er schon fast vierzig war.
"Und, freuen Sie sich schon auf Berlin?", fragte ich die beiden Lehrkräfte.
"Ja klar, zwar war ich schon oft in Berlin, aber noch nie auf einer Abschlussfahrt mit Schülern", beantwortete mir Herr Bartl meine Frage. Seine Stimme war voller Euphorie.
"Und Sie?", fragte Dini unsere Lehrerin.
"Ich war das letzte Mal in Berlin, als ich auf Abschlussfahrt war", lächelte sie und ich biss mir bei ihrem Anblick auf die Lippe. Sie strich sich noch eine Strähne hinters Ohr, bevor sie anfing zu essen. Ich und Herr Bartl, der neben mir saß, taten es ihr gleich.
Was ich bei unserer Hinfahrt noch nicht wissen konnte, war, dass sich in diesen zwei Wochen mein komplettes Leben auf den Kopf stellen würde.
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