Kapitel 2


Das Gerät gab ein unbefriedigendes Geräusch von sich. Tut, Tut, Tut. Immer wieder. Fox  holte aus und schmiss das Gerät an die Wand. Es war sein zehnter Anruf und noch immer wollte Linda nicht abnehmen. Es war zum Verzweifeln. Es knackte und er hob das Telefon auf. Die rechte Seite des Telefons hatte einen feinen Riss bekommen und das kleine Display war beschädigt.  Entmutigt wählte er zum letzten Mal Lindas Nummer. Wenn sie jetzt nicht abnehmen würde, gab er es auf. Das wohlbekannte Tuten ertönte. Fox hielt die Luft an, bis das Geräusch solange anhielt, dass er sich sicher war, dass sie nicht abnehmen würde. Er wolle das Gerät schon wieder wutentbrannt in die Ecke pfeffern, als das Geräusch stoppte und dafür das fortwährende Geräusch eines aktivierten Ventilators eintrat.

"Hallo?", kam es leise vom anderen Ende der Leitung. Zitternd hielt Fox das Telefon in seiner Hand. Sie hatte endlich abgenommen.

"Ist da wer?" Ihre Stimme enthielt einen sanften Hauch Angst.

"Rainer. Hier ist Rainer."

"Hallo Rainer...", sie schwieg.

"Ist Relda noch da?"

"Ja..." Fox atmete erleichtert auf. Es war ein Irrtum gewesen. Es ging Relda gut.

"... im Grunde genommen schon.", führte sie ihren Satz zu Ende. Sie klang verängstigt.

"Im Grunde genommen?!"

Stille. Der Ventilator surrte leicht im Hintergrund in Lindas  Wohnung.

"Linda? Hast du mir etwas zu sagen?", fragte er drohend.

"Rainer, es ist so...", sie schwieg, schien nach den richtigen Worten zu suchen. Plötzlich schluchzte sie.

"Linda? Was ist los?"

"Rainer... Es...Es tut mir so leid...", sie begann zu weinen.

Fox starrte aus dem Fenster. In der Sonne glitzerte der Tau auf den Pflanzen in seinem Garten. Es tut mir so leid, hatte sie gesagt. In seinen Lieblingsbüchern und Filmen hieß das immer: sie ist tot. Sorry, Bruder. Mein Beileid. Fertig. Doch noch hatte Linda nichts dergleichen gesagt, ein Funke Hoffnung erwärmte noch sein Herz.

"Linda? Was tut dir leid?", fragte er hoffnungsvoll. Sie schluchzte  wieder.

"Rainer! Ich kann nichts dafür! Ich kam rein und dann lag sie da so..."

Fox musste die Tränen zurückhalten.

"Wie lag sie da?"

Linda stockte. "Ich... sie... sie lag unter der offenen Schranktür..."

"Welche Schranktür?"

"Die zu meinen Messern, du weißt doch, ich habe so viele...", ihre Stimme brach.

Schweigend wartete Fox darauf, dass sie ihren Bericht fortsetzte.

"Also, die Schranktür stand offen und alle Messer waren rausgefallen. Und darunter lag Relda..."

Fox wurde wütend.

"Erzähl weiter!",herrschte er sie durch den Hörer an.

"Die Messer steckten in ihr oder hatten sie gestreift und lagen neben ihr.", sie schluckte hörbar und atmete zittrig ein und aus.

Fox konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. Hemmungslos strömten sie über seine Wangen. Wut stieg in ihm auf.

"Und das hast du mir verschwiegen? Als ihr Ehemann habe ich das Recht..."

"Ich hatte Angst, dass du mir die Schuld zuschreibst!"

"Ach ja? Und die Idee, dass das auffliegen würde ist dir nicht gekommen? Dass durch dein Schweigen dir die Schuld noch eher zugeschoben wird?!"

"Ich...", er ließ sie nicht ausreden.

"Lass mich in Ruhe! Halt einfach die Fresse!"

Er legte auf. Das war zu viel für ihn. Seine Frau war seit ein paar Tagen tot und er hatte nichts davon gewusst. Er schlug das Telefon in die Ladestation und sank zu Boden. Er fühlte sich noch nicht dazu in der Lage, bei der Polizei anzurufen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top