Kapitel 9
"Das Mädchenklo, hmm?" Darius kam auf mich zu. "Das war ein mieser Trick", grinste er. "Darf ich?" "Nein!" Er lachte nur und setzte sich trotzdem neben mich auf die Bank. Wir hatten Mittagspause. Ich verstand gar nicht, wie Darius überhaupt herausgefunden hatte wo ich war, denn ich saß versteckt am letzten Eck des Pausenhofes- auf meinem Lieblingsplatz. Er packte sein Brot aus und biss genüsslich hinein. "Ich weiß, du willst nicht mit mir befreundet sein, aber es spricht ja nichts dagegen, sich als Klassenkameraden zu unterhalten." "Darius, ich will allgemein nicht mit dir reden. Entweder du bist wirklich so dumm wie du aussiehst oder du hörst einfach echt schlecht, dass du das nicht kapierst." Er lachte. "Ich seh dumm aus? Das hat mir jetzt auch noch keiner gesagt." Ich stöhnte genervt und wollte aufstehen um so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, doch Darius hielt mich auf. "Wir sollten reden, findest du nicht?" "Nein, eigentlich nicht", erwiderte ich kalt und wollte verschwinden. "Heute morgen... du hattest eine Panikattacke oder? Da war kein Pärchen in der Nebenkabine." Ich blieb aprupt stehen. Shit. Was wusste er alles? "Doch...", log ich. "Rose, lüg mich nicht an. Ich habe niemandem etwas von der Nacht erzählt- nicht einmal James- aber wenn du mir nicht endlich sagst, was mit dir los ist, dann fühle ich mich dazu gezwungen." Empört drehte ich mich um und kam Darius bedrohlich nah. "Du wagst es mir zu drohen?" "Rose, diese Panikattacken... die blauen Stellen an deinen Handgelenken hatten etwas damit zu tun... stimmt's?" Ich hielt in meiner Bewegung inne und versuchte meine Nervosität wegzublinzeln. "Ich kenne das. Ein Freund von mir hatte das gleiche...", fuhr er fort. Seine Stimme brach. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals. Vorsichtig ließ ich mich neben ihn sinken. "Was ist mit deinem Freund", fragte ich schließlich leise. "Tod", quetschte Darius verzweifelt hervor. "Selbstmord." "Das tut mir leid..." Darius schaute zu mir auf. Tränen glitzerten in seinen Augen. "Er hatte regelmäßig Panikattacken. Ich hatte nie herausgefunden wieso, bis..." , wieder brach seine Stimme. "Hey Darius. Es ist in Ordnung..." "Nein, ist es nicht!" Er kramte in seiner Jackentasche und holte einen Zettel heraus. Wortlos übergab er ihn mir. Für Darius stand draußen geschrieben. Verwirrt sah ich ihn an. "Lies!" Vorsichtig entfaltete ich das Papier und begann zu lesen:
Liebster Darry,
wenn du das hier liest, dann habe ich dich verlassen. Es tut mir leid, dass ich dir nie den wahren Grund für meine Panikattacken gesagt habe, aber jetzt sollst du es erfahren. Es kostet mich unbeschreiblich viel Überwindung, dir das zu schreiben, denn ich wurde missbraucht. Fast jede Nacht musste ich das aushalten. Es tat unfassbar weh, Darry, aber ich konnte niemanden etwas davon erzählen. Er hatte gedroht, dass er noch erbarmungsloser sein würde, wenn ich auch nur ein Sterbenswörtchen erzählen würde. Ich halte das nicht mehr aus. Bitte versteh mich, aber ich kann einfach nicht mehr. Versprich mir bitte du wirst ihn zur Strecke bringen. Zeig diesen Brief der Polizei. Mach, dass er hinter Gitter kommt, damit er nie mehr jemandem weh tun kann. Es... es war Karl. Ja, unser Heimleiter, Karl. Ich bitte dich, Darry, denke nicht zu schlecht von mir.
Ich liebe dich
Spencer
Langsam ließ ich das Blatt sinken und blickte Darius mitfühlend an. "Das tut mir leid..." "Ich habe ihn hinter Gitter gebracht. Ich hab Spences letzten Wunsch erfüllt. Aber ich hätte etwas tun müssen. Ich hätte das verhindern können, wenn ich auch nur..." "Hey Darry, guck mich an. Das hättest du nicht gekonnt. Es hatte sich entschieden." "Aber weißt du... ich hätte herausfinden müssen, weshalb er diese Panikattacken hatte. Ich hätte ihm helfen können, aber ich hatte zu große Angst, er würde mich dann entgültig von sich schieben." Eine Träne kullerte ihm über die Wange. Schnell wischte er sie weg. "Dich trifft keine Schuld..." "An dem Tag, als er gestorben ist, habe ich mir eines geschworen... Ich werde nie wieder eine Person sich selbst überlassen, wenn es ihr nicht gut geht..." Er sah mich eindringlich an. "Rose... ich weiß, du vertraust mir nicht, aber lass mich dir helfen. Ich weiß doch, dass es dir nicht gut geht. Die Panikattacken. Die blauen Flecken. Was stimmt nicht mit dir?" Ich schluckte schwer. So sehr ich es auch wollte, ich konnte es ihm einfach nicht erzählen. "Mir geht es gut, okay?" Ich setzte ein falsches Lächeln auf. "Rose, das glaube ich dir nicht! Niemand tut das. James nicht. Miss Charles nicht." Ich sagte nichts, sondern blickte nur stumm auf den Boden. "Du hast recht", sagte ich nach einer Weile, "ich vertraue dir nicht." Dann stand ich auf und ging.
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