Kapitel 4
-Princesses don't cry-
Ich stellte das Wasser an. Es war eiskalt, doch es machte mir nichts aus. Wortlos stand ich da in der Dusche und ließ die Tropfen auf meine mit blauen Flecken und Blutergüssen übersähte Haut prallen. Jede einzelne Berührung brannte wie Feuer. Ich stand mindestens eine Stunde so unter dem Wasserstrahl und ließ das kalte Wasser auf meinen Körper fließen. Schließlich stellte ich es ab, wickelte mich vorsichtig in einen Bademantel und verließ mit meinen dreckigen Klamotten auf dem Arm das Bad. Zuück in meinem Zimmer angekommen stellte ich mich vor den Spiegel. Meine Lippe war eisblau. Die nassen Haare klatschten mir nass über das ganze Gesicht. Meine Augen hatten ihren Glanz verloren und schauten mich jetzt nur noch emotionslos und trüb an. Vorsichtig ließ ich den Mantel fallen und stand nun vollkommen entblößt vor dem Spiegel. Tiefe Furchen machten sich an meinen Handgelenken bemerkbar. Mein Rücken war zerkratzt. Sofort kamen mir wieder die Bilder des langen Astes, der auf meinen Rücken gepeitscht wurde, ins Gedächtnis. Wortlos und mit leerem Blick starrte ich auf die Wunden. Sicher würden daraus Narben entstehen. Wieder wurde mein Körper mit Hass und Abscheu durchströmt. Ich begann heftig zu zittern. Allerdings konnte ich nicht genau sagen, ob das an der abscheulichen Erinnerung oder der viel zu kalten Dusche lag. Schnell ging ich zum Kleiderschrank um mir eine warme lange Hose und einen dicken Pulli anzuziehen. Eigentlich total unpassend zu dieser Jahreszeit. Dann legte ich mich schlafen.
Ich spürte die dreckigen Hände des Mannes auf meinem nackten Rücken und seinen abscheulichen Atem in meinem Nacken. Meine Haare stellten sich auf, während mir ein Schauer über den Rücken lief. Trostlos und einfach grausam lachte der Mann. Wieder konnte ich das Brennen der Brennnesseln meine Seite hinunterfahren spüren. Schmerzverzehrt verzog ich mein Gesicht. "Aufhören... bitte", flehte ich, doch das brachte ihn wieder nur zum Lachen.
Schweißgebadet setzte ich mich kerzengerade in meinem Bett auf. Alles ist gut, Rose. Das war nur ein blöder Albtraum. Verzweifelt versuchte ich mich zu beruhigen, doch mein ganzer Körper war mit Panik durchzogen. Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Die Sonne ging schon langsam auf. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon halb sechs Uhr morgens war. Ich fühlte mich, als wäre ich von einem Zug überrollt worden. Nach einer Weile beschloss ich, da ich sowieso nicht mehr schlafen konnte, aus meinem Bett zu schlüpfte. Mit einer schwarzen langen Leggins und einem langen Pulli bewaffnet machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer.
Mein Outfit:
Schnell hüpfte ich unter die Dusche. Mit kreisenden Bewegungen massierte ich vorsichtig das Duschgel auf meine Haut ein- immer darauf bedacht nur ganz leicht meine Wunden zu berühren. Dann trocknete ich mich ab, schlüpfte in meine alten abgelaufenen Turnschuhe und das Outfit und machte mich auf den Weg in den Speisesaal. Es musste mittlerweie schon fast sechs Uhr sein, da einige Kinder schon fleißig dabei waren, sich ein Nutellabrot oder ähnliches zu schmieren. Langsam schlürfte ich in den Raum und ging zur Essenstheke. Ich entschied mich letztendlich für eine Schüssel Milch mit Cornflakes und setzte mich auf den Platz im hintersten Eck des Raumes. Ich hatte eigentlich keinen Hunger. Gedankenverloren rührte ich in meinem Frühstück. Die Cornflakes waren schon ganz aufgeweicht. Immer wieder spielten sich die Bilder von gestern Nachmittag in meinem Kopf ab. Ich zuckte immer wieder leicht zusammen- war aber bedacht darauf, es niemanden sehen zu lassen.
"Kein Hunger?" Eine Stimme ließ mich aus meinen Gedanken schrecken. Erschrocken blickte ich direkt in funkelnd grüne Augen- Darius. Ein verschmitztes Lächeln kräuselte sich auf seinen Lippen. Na toll. Der hatte mir nun wirklich noch gefehlt. Langsam senkte ich meinen Blick wieder und ignorierte ihn. In Gedanken zurück versunken, rührte ich weiter in meinen Cornflakes. Ich hatte gehofft, Darius würde einfach wieder verschwinden. Allerdings dachte er nicht einmal daran. "Also bist du Typ Ich-weiche-meine-Cornflakes-bis-zum-geht-nicht-mehr-auf?" Verwirrt und mit einem fragenden Blick sah ich wieder zu ihm auf. Das fand er anscheinend besonders komisch, denn er lachte amüsiert auf. Was für ein Idiot! Ich beschloss ihn einfach wieder zu ignorieren- in der Hoffnung, er würde endlich verschwinden. Darius hingegen ließ sich aber nur stöhnend auf den freien Platz vor mir sinken. "Was für eine Nacht. Sind die Better hier immer so ungemütlich?" Fragend sah er mich an. Stille. "Nicht sehr gesprächig heute", stellte Darius nach einer Weile fest. Ich verdrehte genervt die Augen und stand vorsichtig auf. Jeder Muskel meines Körpers tat dabei furchtbar weh, doch ich bemühte mich darum, mein Wimmern zu verbergen. Weiterhin lag sein Blick nur auf mir. Gekonnt wich ich ihm weiter aus und stellte meine immer noch volle Schale an die Geschirr-Theke, bevor ich schließlich aus dem Saal schlürfte. Und wohin jetzt? Ich entschied mich dafür zurück in mein Zimmer zu gehen.
Als ich an der Tür ankam, konnte ich dumpfes Kichern aus dem Inneren hören. Was war hier los? Schwungvoll öffnete ich die Tür und trat ein. Da wusste ich was passiert war. Lore und Sindy. Als sie mich bemerkten, drehten sie sich schlagartig um und grinsten mich frech an. Was taten sie da? Verwirrt sah ich sie an. "Weißt du Rose... wir dachten uns, es ist nur zu deinem Besten. Du solltest mehr im hier und jetzt leben, als du weißt schon..." Was? Ich verstand gar nichts und glotzte sie nur weiter dumm an. Dann bemerkte ich, wovor sie standen- meinem einzigen Schatz. Mein Bücherregal! Als sie meinen Blick bemerkten kicherten sie wieder nur bösartig und verließen schließlich so schnell sie konnten den Raum. Fassungslos starrte ich auf meine Bücher- oder besser gesagt auf das, was davon noch übrig war. Sie lagen in einem unordentlichen Haufen vor dem Regal. Zerrissen. Verbrannt. Zerstört. Meine Brust schnürte sich zu. Verletzt ging ich in die Knie. Mein Kopf begann zu dröhnen, während ich alles um mich herum ausblendete. Kaputt. Alles. Das Einzige was mir über die Jahre blieb. Weg. Unbrauchbar.
"Rose", ertönte eine Stimme hinter mir, doch ich blendete sie aus. "Hey Rose" Plötzlich berührte mich jemand an der Schulter- direkt auf einem blauen Fleck. Ich wimmerte auf vor Schmerz und schlug die Hand weg. Schnell stand ich auf. Ich musste hier weg. Als ich mich umdrehte, konnte ich den Besitzer der Hand ausfindig machen- Darius. Was wollte er nur die ganze Zeit von mir? Mit fragendem Blick sah er mich an. Ich stieß mich jedoch an ihm vorbei und lief aus dem Raum. Wohin sollte ich nur jetzt gehen? Ich konnte das Gelände nicht verlassen, geschweige denn auch nur in die Nähe des Ortes gehen, an dem ich gestern entwertet wurde. Da war zu viel Angst, sie könnten es nochmal tun. Doch wo sonst hatte ich die Möglichkeit ungestört zu sein?
Mir fiel der große Baum im Garten- mein Lieblingsplatz- auf. So steuerte ich also darauf zu. Zerstört ließ ich mich davor sinken. Ich konnte nichts mehr spüren. Alles was sich in mir breit machte war Wut und Hass. Plötzlich konnte ich Darius auf mich zu stürmen sehen. Mein Blut fing an zu brodeln. "Rose. Was verdammt war da drin los?" Darius sah mich fassungslos und ein wenig außer Atem an. Es reichte! Wer war er, dass er sich erlauben konnte, mit mir zu reden, als wäre ich ein Freund? Langsam und bedrohlich erhob ich mich und starrte ihm direkt in seine Augen. Mit Nachdruck erwiderte ich ihm: "Verschwinde." Für einen kurzen Moment war er verwirrt. Doch dann fing er sich wieder. "Ist dir nicht warm?" Eindeutig ein Ablenkungsmanöver. Perplex starrte ich auf meinen Klamotten. Ich hatte mich extra für die langen Sachen entschieden, damit niemand meine Wunden und Verletzlichkeit sehen würde. Ich schüttelte den Kopf um wieder klar denken zu können.
"Ich. Sagte. Du. Sollst. Verschwinden." Betonte ich nochmals bedrohlich, doch Darius dachte nicht daran. "Nicht bevor du mir sagst, was mit dir los ist." Nur mit Mühen konnte ich mich zusammenreißen. Alles in meinem Körper schrie danach, ihn zu schlagen- solang, bis ihm endlich sein verdammtes Grinsen verging. Andererseits wusste ich aber, dass ich mir keinen Fehler mehr erlauben durfte. Das würde nämlich ziemlich große Konsequenzen nach sich ziehen- da war ich mir sicher. Also warf ich Darius einen wütenden Blick zu und ging zurück ins Gebäude. Zumindest war das mein Plan. Doch Darius hielt mich am Handgelenk fest. Zischend atmete ich ein. "Fuck. Lass los, Darius!", giftete ich ihn an, während ich mich zu ihm umdrehte. Doch wieder einmal dachte Darius nicht daran. Während er strikten Blickkontakt zu mir hielt, zog er langsam aber behutsam meinen Ärmel ein Stück nach oben, sodass meine Handgelenke frei wurden. Ich versuchte mich seinem Griff zu entreißen, doch er war deutlich stärker als ich. Langsam glitt sein Blick auf mein Handgelenk. "Oh Gott", entfuhr es ihm. Sein Blick schweifte zurück in meine Augen. Schnell sah ich weg. Beschämt. Verletzt. "Wer war das?", fragte Darius nun. Sein Tonfall wurde härter. Wut? Ich sah ihn weiterhin nicht an. Da nahm er seinen Daumen und seinen Zeigefinger, legte sie behutsam an mein Kinn und lenkte meinen Kopf in seine Richtung, wodurch ich ihn ansehen musste. "Wer. War. Das.", wiederholte er mit Nachdruck. Ich konnte die Besorgnis in seinen Augen aufblitzen sehen. Warte was? Sorge? Das war mir zu viel. Die Berührung, die Verwirrung- einfach diese ganze Situation. Ich riss mich aus seinem Griff und schlug ihm heftig ins Gesicht. "Fass mich nicht an!" Und mit diesen Worten machte ich kehrt und wollte weiter ins Haus. Allerdings kam ich wieder nicht weit, denn plötzlich stand James mit einer hochgezogenen Augenbraue, Sindy und Lore gehässig grinsend im Schlepptau, vor mir. Er sah mich einfach nur an. Enttäuscht. "Siehst du James. Sie hat nicht mehr alle Tassen im Schrank!", ertönte Sindys Stimme hinter ihm. Dieser Unschuldston. Diese... argh. Ich konnte mich nicht mehr halten und wollte auf Sindy losgehen. James jedoch hielt mich unsanft am Arm fest. Wieder wimmerte ich vor Schmerz. Streng sah er mir in die Augen. "Zimmerarrest. Zwei Monate." Das war alles, was er sagte. Dann zog er mich mit ins Haus.
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