Kapitel 12

Ist da jemand?

Ohne Ziel lief ich durch die Straßen. Tränenüberströmt. Verdammt. Was war nur mit mir los? Ich war doch nie so ein Jammerlappen. Mensch Rose, was ist bitte groß passiert, dass du so überreagierst. Gut, du hast mit Darius geschlafen- offensichtlich. Du hast auf ein Neues die Kontrolle verloren- offensichtlich. Aber ansonsten? Nichts. Wahrscheinlich ist auch genau diese Unkontrollierbarkeit der Grund für meine überkochenden Emotionen. Es macht mich unfassbar wütend, dass ich mich nicht unter Kontrolle hatte. Und diese Wut machte mich wiederum unfassbar traurig. Ich konnte es nicht erklären. Plötzlich blieb ich stehen. Ich stand am Bahnhof- genau auf der Brücke- und schaute auf die Gleise unter mir. Wie einfach es wäre jetzt einfach... "Rose!" Eine Stimme lenkte mich von meinen Gedanken zurück in die Realität. Sam lief auf mich zu. Kurz vor mir kam er zum stehen. "Wow. Du siehst scheiße aus. Joint?" Ich schnaubte verächtlich bei seinem Kommentar. Trotzdem nahm ich den Joint dankbar an. Das war genau das, was ich jetzt brauchte. Tief zog ich daran und ließ dieses Gefühl, das der Joint in mir auslöste, durch meinen ganzen Körper strömen. Dann noch ein Zug und noch einer. "Wow, du hattest es offenbar echt nötig.", riss mich Sam wieder aus meiner Bubble. "Hmmm.", brummte ich nur. Ich war ganz benommen von dem Gefühl. Es löste ein wunderbares Kribbeln in meinem Bauch aus und beruhigte mich. Langsam aber sicher fand ich wieder zu mir selbst- zumindest zu dem Ich, wenn ich high war. Ich wurde entspannt und in gewissermaßen auch glücklich, da das Gras meine fiesen Gedanken wegpustete. "Das tut echt gut!", stöhnte ich zufrieden, während ich einen weteren Zug nahm. "Du verrauchst meinen ganzen Joint, wenn du so weiter machst!", protestierte Sam scherzhaft. "Ich ersetz ihn dir irgendwann.", zwinkerte ich ihm zu. Jap. Mir ging es viel besser. Still standen wir nebeneinander und starren auf die Gleise herunter. "Schlechter Tag, hm?", fragte Sam nach einer Weile. "Scheiß Tag", schnaubte ich zurück. Sam sah mich mit erhobener Augenbraue an. Also fuhr ich fort. "Hab einen fetten Bildriss von gestern und bin im Bett meines Erzfeindes aufgewacht.", erklärte ich. Sam nickte zustimmend. "Scheiß Tag." Nun war ich es, der ihn fragend ansah. "Meine Mum hat mich rausgeschmissen.", erklärte er mir schließlich. "Wow. Wie das?" "Sie erträgt es nicht, dass ich so viel kiffe." Sam zuckte mit den Schultern. "Und was machst du jetzt?" Wieder zuckte Sam nur mit seinen Schutern. Ich verstand ihn. Schnell richte ich ihm den Joint. Er nahm ihn entgegen und zog fest daran. "Scheiß Tag!", schrie ich plötzlich laut. Das Echo meiner Stimme hallte in der Ferne immer weiter an den Gleisen entlang. Nun schrie auch Sam. "Scheiß Tag!" Dann standen wir eine Weile nebeneinander und schauten nur unserer Stimme nach. Beide versunken in unsere eigenen Gedanken, während wir immer abwechselnd am Joint zogen.
Nach einer Zeit gluckste Sam plötzlich. Verwirrt hob ich eine Augenbraue und sah ihn fragend an. Was war denn jetzt mit dem falsch? Er vertsand meinen Blick und erklärte somit belustigt: "Erzfeind. Was hat der Arme denn gemacht, damit er zu deinem Erzfeind mutiert ist?" Genervt verdrehte ich die Augen. Ich fand das ganze ganz und gar nicht witzig. "Komm schon...", drängte Sam weiter. "Ich will die Geschichte hören!" Energisch nickte er. Ich seufzte. "Nagut." Ich drehte mich um und setzte mich auf den Boden- mit dem Rücken zur Lehne der Brücke. Sam machte es mir nach und sah mich gespannt an. "Dieser Typ..." Ich schüttelte meinen Kopf verzweifelt. "Er ist dieses Jahr vor keine Ahnung vielleicht fünf Monaten oder so ins Heim gekommen. Lacht die ganze Zeit. Ist gut drauf. Ich weiß nicht, er macht mich einfach wütend." Verwirrt sah mich Sam an. "Sorry, wenn ich das nicht so genau nachvollziehen kann, aber wieso hasst du ihn dann so, wenn er nur gut drauf ist?" Energisch setzte ich mich auf. "Weil... wir leben in einem Heim! Verdammt. Da gibt es kein Friede-Freude- Eierkuchen. Wir sind alle aus einem bestimmten Grund da- keiner wollte uns. Zu diesem Ort, da passt einfach keine gute Laune!", sagte ich aufgebracht. Sam nickte nur und war wieder in seine Gedanken versunken. "Außerdem", fuhr ich schließlich weiter fort und zog so Sam wieder zurück in die Realität, "will er einfach nicht akzeptieren, dass ich nichts mit ihm zu tun haben will." Sam blieb weiterhin still und dachte über meine Worte nach. "Er denkt irgendwie, dass wir Freunde oder so sind und will mir helfen..." Ich lachte verächtlich. "Aber ich will seine scheiß Hilfe nicht. Ich will nur, dass er wieder aus meinem Leben verschwindet, ich..." "Das klingt, als würdest du Ausreden suchen, ihn nicht mögen zu müssen.", unterbrach mich Sam nachdenklich. Ich verstummte- dachte über seine Worte nach. Er hatte recht. Ich will ihn nicht mögen- ich darf ihn nicht mögen. Verdammt ich mag ihn aber! Das hast du jetzt nicht wirklich gesagt, beschwerte sich mein innerer Lucifer, er ist es nicht wert. Schon vergessen, er hat dir gedroht. Er benutzt dich, um sein Gewissen zu beruhigen. "Er benutzt mich um sein Gewissen zu beruhigen oder so.", stellte ich plötzlich fest. "Hmm?" "Sein Bruder hat sich umgebracht.", erklärte ich. "Wegen ihrem ehemaligen Heimleiter. Er soll ihn irgendwie geschlagen haben oder so, ich weiß auch nicht so genau. Auf jeden Fall hat er Angst, dass ich mich auch umbringen will." Sam überlegte wieder. "Wie kommt er da drauf?", fragte er schließlich nach einer Weile. Ich bieb erst still. "Du kannst es mir erzählen. Ich werde es nicht weitererzählen..." Ich zögerte kurz. Schließlich ergab ich mich und seufzte. "Er hat so blaue Fecken an meinen Handgelenken gesehen." "Und wegen blauen Flecken, denkt er gleich, du bist selstmordgefährdet?", überlegte Sam laut. "Es waren tiefe Furchen..." "Was?" Ich sagte nichts mehr, sondern starrte nur geradeaus. Sams Blick lag auf mir- das konnte ich deutlich spüren. "Und", fuhr ich schließlich fort, "er hat eine Panikattacke mitbekommen." "Fett. Du bist also so ein richtiger Psycho?" Sam sah mich an. Empört und wütend sprang ich auf. "Was soll das? Ich bin kein Psycho, ich..." "Beruhig dich. Wir sind alle Psychos.", unterbrach mich Sam. Fassungslos sah ich ihn an. War das jetzt sein scheiß Ernst? Wütend drehte ich mich um und wollte gehen, doch Sam hielt mich auf. "Hey, das war wirklich nicht so gemeint. Sorry, okay?" Zaghaft blieb ich stehen. "Bitte geh nicht. Ich weiß nicht wo ich jetzt hinsoll- was ich machen soll." Ich atmete tief durch und drehte mich dann langsam um um Sam tief in die Augen zu gucken. "Geh zurück zu deiner Mum. Du hast noch Familie. Lerne das zu schätzen! Es ist fucking schieße ohne." Etwas trauriges blitzte in Sams Augen auf. "Du hast recht.", sagte er nach einer Weile leise. "Kannst du mitkommen?"

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