Kapitel 8

Nachdenklich blickte Lucy auf das Bild vor sich auf dem blauen Kopfkissen. Schon fast über einen Monat hatte sie das Bild und konnte einfach nichts damit anfangen. Nicht mal dieser Instagrammodel, der laut Alexis Jazz hieß, wurde vermisst oder seine Leiche gefunden, wenn das auf dem Bild wirklich ein Mordanschlag war. Von ihr gestellt war er auf jeden Fall nicht und das konnte sie durch den Förster bezeugen, welcher ebenfalls nichts von den Jungs wusste. Eine Leiche oder die Jungs auf dem Foto habe er nach eigener Aussage weder gefunden noch gesehen und als Alexis und Lucy dort vor Ort waren, hatten sie ebenfalls nichts Auffälliges gefunden. Doch das verwirrende waren die Bilder, die er in letzter Zeit gepostet hatte. Da Alexis durch das Bild eine Art Deketivmodus entwickelte, hatte sie spontan seine gut besuchte Instagramseite gefollowert. Dabei hatte sie bemerkt, dass er nach dem geschossenen Bild zwei Wochen lang nichts postet hatte, was untypisch für ihn wäre, wenn man den Zeitraum betrachtete in dem er immer Bilder oder andere Sachen postete. Doch das verwirrende waren die Bilder, welche er nach den zwei Wochen postete. Das verwirrten nicht nur die zwei Mädchen, sondern auch seine ganzen Follower, die sofort kommentierten was mit ihm los sei.

Nach dem Posten der ersten Bilder berichtete Alexis, dass seine Followerzahl drastisch sank, aber er nichts dagegen machte, sondern weiter Bilder von sich postete in verstellten Stellung, aber seine Sonnenbrille war bis jetzt immer auf. Jedoch meinte sie auch ab und zu auf Bildern Stellen von verrottetem Fleisch gesehen zu haben und sie meinte, dass sie einer der letzten war, die die Seite noch folgt bis gestern.

Lucy bekam auf einer Polizeikonferenz eine Nachricht von ihrer schwarzhaarigen Freundin, dass die Instagramseite von Jazz gelöscht wurde, nachdem ein Bild von ihm in einem totalen verrotteten Zustand gepostet wurde. Jedoch war kein Kommentar unter dem Bild vom Ersteller und es war nur ein paar Sekunden online, aber solange um einen Screenshot zu machen. Laut Alexis war jedoch das auffälligste, dass die Leiche nass war, so als versuchte jemand durch Wasser den Verwesungsprozess zu verzögern. Somit wurde bestätigt, dass dieser Jazz tot war, jedoch wussten das wahrscheinlich die wenigsten, da nur noch eine Handvoll Leute seine Seite folgten und das Bild so kurz online war, um es wirklich angeschaut zu haben. Doch wenn Lucy sich so das Bild anschaute, konnte sie nicht wirklich feststellen, ob es wirklich dieser Jazz war, da der Verwesungsprozess die wichtigsten Erkennungsmerkmale eines Menschen unkenntlich gemacht hatte. Somit würde es wahrscheinlich auch nichts bringen zur Polizei zu gehen, da sie es eher als Scherz abstempeln würden. Wenn ich nur genügend Beweise hätte und wüsste was mit diesem Bild auf sich hat., dachte die Brünette enttäuscht und vergrub ihren Kopf in das Kissen. Das Bild rutschte aus ihren Händen, welche sie von sich streckte.

Ein leiser Seufzer entkam ihren Lippen, bevor sie sich aufrichtete und das Bild zwischen ein paar Büchern schob, welche auf einem kleinen Regal über ihrem Kopfkissen standen. Danach ließ sie sich lustlos auf ihr Bett fallen und blickte die Unterseite des Regals an. Gelangweilt betrachtete sie mit einem ruhelosen Blick das helle Holz, das im Schein der Deckenlampe rot-orange leuchtete. Ihr Blick wanderte von einem Ende bis zum anderen und wieder zurück, während sich ihre Gedanken nur um das Bild kreisten. Seit sie es gesehen hatte, bekam sie es einfach nicht mehr aus ihren Kopf und je mehr sie darüber nachforschte, umso mehr stieg ihre Neugierde. Sie war nach dem ersten Blick auf das Bild in einen niemals endenden Teufelskreis geraten und jede neue Information zog sie immer tiefer in den Teufelskreis bis es kein Entkommen mehr daraus gab. Jedoch war das Bild nicht das einzige, was Lucy nicht mehr so schnell aus ihrem Kopf bekam, sondern auch die ganzen Briefe. Drohbriefe von Jason, welche sich auf ihrem Schreibtisch teils schon stapelten oder sich bei der Polizei schon stapelten, die sofort den Fall aufnahm, nachdem die Brünette, ein nicht gerade tolles, Paket von Jason bekommen hatte. Jedenfalls glaubte Lucy, dass er es ihr geschickt hatte, aber sie kam einfach nicht darauf, woher er wusste, wo sie hin umgezogen war. Nur Alexis, ihr Vater und ihre Mutter wussten es, wenn ihre Mutter mal ihr Handy checken würde, und soweit Lucy wusste, hatte keiner von den Dreien ihren jetzigen Aufenthalt verraten. Nicht nach dem Vorfall in der Dunkelkammer, welcher Lucys Vater immer noch als Fotoshooting abstempelte. Die zwei Mädchen hatten schon nach ein paar Tagen aufgehört, es ihm zu erklären. Wenn Jonathan sich einmal was in den Kopf gesetzt hatte, konnte man es ihm nicht mehr ausreden, nicht so wie seine Tochter, die man schnell zu etwas überreden konnte und somit oft in Schwierigkeiten geraten war.

Kurz schloss Lucy ihre Augen, um vom jetzigen Dasein wegzukommen und in eine Traumwelt zu verschwinden. Dabei ließ sie den Fakt vorne weg, dass ihr Magen die ganze Zeit knurrte und auch zu Recht, da das junge Mädchen am heutigen Tage nur was zu Mittag gegessen hatte, da sie morgens verschlafen hatte. Zu ihrem Glück, dass sie zwei Mitbewohner hatte, die sie noch rechtzeitig weckten. Jedoch war es auch deren Schuld, dass Lucy ihren Wecker überhört hatte, da einer meinte, die ganze Nacht durchzufeiern. Der Grund? Gab es mal wieder keine - wie sonst auch immer.

Langsam und durch mangelnden Schlaf, driftete das Mädchen immer tiefer in ihre Traumwelt, bis die Türe leise geöffnet wurde und jemand das Zimmer betrat. Dieser Jemand entfiel, dass das Mädchen schlafen wollte und trat leise an das kleine gemütliche Bett und setzte sich auf die Kante. Vorsichtig strich er über Lucys linke Wange, was sie dazu brachte verschlafen die Augen aufzumachen. Die Berührung war kurz, jedoch sanft und gut tuend zugleich. Am liebsten wäre es Lucy, wenn der Jemand immer noch über ihre Wangen streichen würde, aber die ungeladene Person sah es anders und lächelte das verschlafene Mädchen vor sich an, während sie versuchte eine klare Sicht auf die Person zu bekommen. Auf ihren Ellenbogen gestützt, beugte sich die Braunäugige nach vorne und schaute direkt in zwei blaue Augen, die eine gewisse Geborgenheit ausstrahlten. Nach einer Weile konnte sie die blauen Augen zuordnen und strich eine braune Locke aus ihrem Gesicht, bevor sie sich wieder in ihr Bett fallen lässt.

»Schätzelchen, dein Magenknurren hört man bis ins Wohnzimmer.«, meinte der blonde und schlanke Junge vor ihr und musterte die Betroffene mitleidig von oben bis unten.

»Ich hab ja auch nicht die Türe zugemacht, da wäre es ein Wunder, wenn ihr es nicht hören würdet.«, meinte Lucy leicht genervt und legte ihr Katzenkopfkissen über ihr Gesicht.

»Drake ist nicht da.«, stellte die Junge klar, bevor er mit dem eigentlichen Anliegen weiterfuhr. »Ich dachte mir, dass ich dir eine Kleinigkeit mache. Jedoch frag ich mich, ob du überhaupt was gegessen hast, da dein Magen sehr laut war.« Zischend stieß Lucy die Luft zwischen ihren Lippen raus, bevor sie sich aufsetzte und ihre Füße den warmen roten Teppichboden berührten.

»Die Tür war offen und deswegen war es so laut.«, nuschelte das Mädchen in ihren nicht vorhandenen Bart und versuchte alle Schuld auf ihre Zimmertüre zuschieben um von der eigentlichen Übeltäterin abzulenken, jedoch bekam sie das nicht so geplant hin, wie sie es wollte. Sie wusste auch den Grund des ungläubigen Blickes ihres Nebensitzers, da sie immer anfing zu nuscheln, wenn sie was leugnete oder die Schuld auf jemand anderes schob.

»Und ich hab heute ein großes Schnitzel mit Pommes, leckerer Rahmsoße und Gurkensalat gegessen. Désirée kann es bezeugen.«, kam es weniger vorlaut von Lucy, während sie ihren Mitbewohner dabei beobachtete wie er zu ihrer Zimmertür lief.

»Immerhin etwas, aber mit dem Leugnen müssen wir noch was üben, nicht war Lucy?«, meinte er scherzend, bevor er ins Wohnzimmer trat und Lucy alleine hinter sich im Raum ließ.

»Ha, ha. Sehr witzig, Aiden.«, murmelte Lucy vor sich hin, bevor sie aufstand und ebenfalls aus ihrem Zimmer trat. Die Tür ließ sie offen, während sie am Bad vorbei zur Küchentür lief, dabei bemerkte sie, dass der Fernseher an war und die Nachrichten liefen. Scheinbar wieder einen Anschlag irgendwo in Europa, da wird morgen was auf der Arbeit los sein. Da freut man sich jetzt schon, wieder zur Arbeit zu gehen., dachte sich Lucy als sie die vielen bunten Bilder auf dem Bildschirm des viereckigen Kasten betrachtete, bevor sie sich umdrehte und ihr Herz einen Satz machte. Aiden stand mit einem Teller voller belegten Brötchen direkt vor ihr und lächelte sie leicht hinterlistig an. Eine kleine Beleidigung drang über Lucys Mund bevor sie sich wieder zum Fernseher drehte.

»Dieses Mal in Lissabon. Wieder ein Lastwagen in eine Fußgängerzone. Vor einer halben Stunde oder so ist es passiert.«, klärte der Blondschopf auf, bevor er sich auf das kleine grüne Sofa mitten im Raum setzte und den Teller auf den Holztisch vor sich stellte. Lucy stand immer noch hinter dem schwarzen Sessel stand, welcher mit der Rückenlehne zur Küchentüre zeigte. Leicht vorgebeugt und die Arme auf die Kante abgelegt schaute sie zum Fernseher. Immer wieder wurden Bilder von der Fußgängerzone oder von Polizisten gezeigt, nebenher diskutierten Reporter über den Anschlag, dabei bemerkte Lucy, dass ihre Beine so langsam steif wurden und sie sich um den Sessel herum begab und sich hinsetzte. Sofort hielt Aiden ihr eine Brotscheibe mit Käse drauf hin, welche sie dankend annahm und wieder auf die Reportage stierte. Keiner sagte ein Word, bis das Studio wieder angezeigt wurde und die Moderatoren mit einem Spezialisten weiter diskutierten.

»Glaubst du, Trump wird darüber was twittern?«, fragte der Junge das jüngere Mädchen, welche kurz mit den Schultern zuckte und das restliche Brot in den Mund stopfte bevor sie sich eins mit Salami und Gurken nahm.

»Das kann ich dir morgen sagen, aber mit größter Wahrscheinlichkeit schon.«, meinte die Brünette und biss das nächste Stück vom Brot ab, dabei viel ihr ein Stück von der Gurke runter auf ihre dunkle Jeans. Ein erschrockener Ton drang gedämpft zwischen ihren Lippen und dem Stück Brot hervor, während ihre Augen immer größer wurden. Aiden beobachtete das Spektakel kopfschüttelnd und konnte sich dabei keinen Kommentar verkneifen, während Lucy es schaffte ein Stück ab zubeißen bevor ein »Scheiße« über ihre Lippen kam.

»Nicht mal essen kannst du. Kein Wunder, dass dein Magen so geknurrt hatte. Wie viel vom Schnitzel hast du überhaupt in deinen Mund bekommen?«, meinte er scherzend, während er in die Küche verschwand und mit einem Tuch wieder zurück kam. Mit einem ansteckenden Lachen übergab er seiner gleichgroßen Mitbewohnerin das Tuch, die dies dankend annahm und die Reste von der Gurke von ihrer Jeans wegmachte.

»Erstens, hab ich alles von dem Schnitzel in meinen Mund bekommen. Zweitens, war das für dich nur so laut, weil die Tür offen war. Drittens, musst du jetzt etwa Drakes Platz einnehmen, wenn er nicht da ist? Und viertens, ist sie mir nicht heruntergefallen, sondern ich hatte gerade keinen Bock auf die Gurke.«, zählte Lucy alles auf und fing mit jeden weiteren Satz an in ihren nicht vorhandenen Bart zu nuscheln. Aiden schüttelte einfach nur den Kopf und beließ es dabei. Er wusste, dass es nicht immer was brachte sich mit Lucy zu streiten, aber keiner der Jungs konnte sich eine kleine Zankerei mit Lucy verkneifen.

»Einer von uns beiden Jungs muss ja ein Kommentar abgeben und wenn Drake nicht da ist, fällt das sozusagen auf mich.«, meinte der Blauäugige und konnte sich nicht verkneifen auf Lucys Frage einzugehen. Die Angesprochene verdrehte nur die Augen zur Decke und stopfte das restliche Salamibrot in ihren Mund.

»Aber das passt nicht zu dir. Schließlich bist du mein kleiner schwuler Freund.«, meinte Lucy während dem Kauen und hielt eine Hand vor ihren Mund um das Innere während dem Sprechen nicht zeigen zu müssen. Abermals schüttelte Aiden den Kopf, während sein Blick dem Fernseher galt, der immer noch über den Anschlag berichtete. Lucy beobachtete ihn dabei, bevor sich die Blicke der beiden trafen.

»Erstens, bin ich nicht klein, sondern wir sind gleich groß. Zweitens, seit wann bin ich dein Freund?«, fragte Aiden Lucy skeptisch, diese lächelte nur vor sich hin.

»Was ist mit drittens?«, meinte die Braunäugige und griff wieder nach einer Schnitte.

»Drittens... Bist du sicher, dass du was von deinem Schnitzel gegessen hast?«, fragte der Junge sie, während er ihre Bewegungen beobachtete, wie sie anfing die neue Schnitte aufzuessen, dabei zeigte sie einen Daumen hoch um ihn weiszumachen, dass sie sich sicher war.

»Erstens. Ich weiß, dass wir gleichgroß sind und zweitens, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Du solltest deinen Freund vielleicht darüber informieren, dass er nicht der einzige ist mit dem du zusammen bist.« Lucys Lächeln wurde größer bis ein Klingelton die Konversation zwischen den beiden beendete. Verwundert blickten beide sich um bis Lucy den Klingelton zuordnen konnte und sich auf den Weg zu ihrem Zimmer machte. Aiden folgte ihre Bewegungen mit einem neugierigen Blick, jedoch unterbrach der Blickkontakt durch die schließende Tür. Schnell lief Lucy zu ihrem Schreibtisch, der direkt gegenüber der Tür und unter einem Fenster stand und hob ihr Handy hoch. Ein bekannter Name stand auf dem Display und ohne nachzudenken nahm sie den Anruf entgegen. Sie wusste nicht, ob die Entscheidung die Richtige war oder nicht, jedoch ließ ihr Gesprächspartner sie nicht in Ruhe überlegen, sondern überfiel sie gleich.

»Du wirst es nicht glauben, Lucy.«, meinte eine aufgedrehte Mädchenstimme am anderen Ende der Leitung. Überrumpelt blickte Lucy aus ihrem Fenster und betrachtete den leicht rot gefärbten Himmel.

»Dir auch einen guten Abend.«, kam es nur von Lucy, bevor sie von ihrer Freundin unterbrochen wurde.

»Ja, ja, dir auch. Du kannst es nicht glauben. Ich kann es nicht mal selber glauben.«, faselte Alexis vor sich hin. Was... Hat sie irgendwelche Drogen genommen? Ist sie vom Pferd gefallen? Ist sie mit dem Kopf irgendwo dagegen gelaufen? Und weitere Gedanken kreisten in der verwirrten Lucy umher, während Alexis mit der Zeit immer weniger verständliche Sätze bilden konnte. Schließlich unterbrach Lucy das Gefasel ihrer Freundin und ein kurzes Schweigen brach zwischen den zwei Mädchen aus.

»Okay. Ganz ruhig! Was ist passiert? Bist du von Damien gefallen?«, fragte Lucy besorgt, wurde jedoch von einer immer noch aufgedrehten Alexis unterbrochen.

»Nein, nein. Mir ist nichts passiert. Die Polizei war da, also im Wald und... Oh Gott, du wirst es nicht glauben.« Wieder fing das Gefasel an bis Lucy die gewünschte Antwort bekam. Mit weit offenen Augen blickte sie raus in den Nachthimmel, unfähig irgendwas zu machen.

»Dann... Dann...«, fing die Brünette an jedoch beendete sie nie ihren Satz. Alexis bestätigte die unausgesprochenen Worte, welche nicht über Lucys Lippen kommen wollten. Das kann nicht wahr sein... Aber wie ist es dann möglich? Wir, der Förster und ich, standen doch ein paar Meter daneben und haben nichts gesehen. Also wie? Schnell verabschiedete sich Lucy und bedankte sich nochmal über die Informationen, bevor sie sich auf ihr Bett setzte und in die Leere starrte. Das schwarze Kissen, mit dem Katzenkopf darauf, legte sie sich auf ihren Schoß und ließ ihre Gedanken freien Lauf. Immer wieder zupfte sie an dem losen Faden ihres Kissens und versuchte aus dem Chaos ihrer Gedanken einen Anfang zu finden.

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