Prolog

▄︻デD̷i̷e̷ ̷A̷n̷k̷u̷n̷f̷t̷══━一

Sie zog ihren dämlichen Plastikkoffer durch den tiefen Schnee. An ihren Füßen machte er ein ekelig backendes Geräusch. Schnee erinnerte sie ein wenig an Watte und sie hasste Watte. Es war das Gefühl an ihren Fingern das sie jedes Mal fast zum kotzen brachte. Außerdem war Schnee kalt und sie hasste kälte, fast genauso sehr.

Kotzen das konnte sie jetzt auch. Nachdem sie von New York 6 Stunden lang nach LA geflogen war, mit nichts anderem als ihrem dummen Plastikkoffer, der nicht einmal größer war als ein DIN A3 Blatt. Drüben hatte sie ein kleines Apartment gehabt, was die Eltern ihrer Freundin schon vor Jahren ergattert hatten. Damals als man Wohnungen in NYC noch im Austausch gegen zwei Hühner bekommen hatte. Und nun hatten sie ihre Wohnung an ihre Tochter abgetreten. Kennengelernt hatten sie sich auf einer Online Dating Plattform. Für eine Frau wie sie fast die einzige Möglichkeit andere Frauen kennen zu lernen. Warum es so war wusste sie selbst nicht. Vielleicht sah sie nicht Bisexuell genug aus.

Anna war bislang eine mehr oder weniger erfolgreiche Journalistin gewesen. Deshalb kam es ihr nur entgegen mit Diana zusammen zu ziehen, auch wenn sie sich vielleicht ein paar Wochen gekannt hatten. Sie hatte bisher nie Probleme gehabt mit Menschen klar zu kommen. Auf jeder Party hatte sie nur wenige Stunden, manchmal sogar nur Minuten, gebraucht um die Menschen so in ihren Bann zu ziehen, dass es sich anfühlte als würden sie sich ewig kennen. Ihr Liebesleben profitierte allerdings nie davon. Menschen fanden sie äußerst attraktiv. Natürlich endete es darin, dass alle Annas Gelassenheit missinterpretierten und schließlich glaubten sie währen in sie verliebt. Es machte ihr unheimlich zu schaffen. Sogar mehr als sie zugeben wollte. Doch sie hielt ihre Schultern aufrecht und sah zu wie jeder geliebter Mensch zu Klarheit kam, erkannte wer sie wirklich war und sie gehen ließ. Genauso Diana. Bei ihr hatte Anna gehofft nicht gegen eine Wand zu stoßen, denn sie war anders. Und Anna verliebte sich jedes Mal in die selbe Art von Menschen. Zumindest dachte sie bisher die Nervosität und das Gefühl von Krankheit wäre normal wenn man sich verliebte. Aber bei Diana hatte sie sich so anders gefühlt, Geborgener. Diesmal musste es die Richtige sein. Sie hatte ihr erzählt das sie Probleme hatte Freundschaft zu schließen und auch Körperkontakt war bei ihr ein heikles Thema. Anna war das egal gewesen, sie hatte ihre Fehler gesehen und sie alle geschätzt, denn diese Fehler machten ihre Freundin zu einem Menschen. Doch Anna war laut ihr zu Perfekt. Sie war zu liebevoll und so stieß ihre Geliebte sie von sich, denn sie hatte angeblich etwas besseres verdient. Und da stand Anna, im Regen auf der Straße. Mit einem Koffer voll Klamotten und grade mal so viel Geld das sie drei mal in einem billigem Hotel übernachten konnte.

Glücklicherweise gab es da eben noch Mike. Sie waren zusammen mehr oder weniger aufgewachsen. Anna fühlte sich ihrem Cousin verbunden wie einem Bruder. Er war mehr oder weniger der einzige in ihrer Familie zu dem sie etwas wie Liebe empfand. Und er war auch der einzige mit dem sie ab und an kontakt hatte. Der Anruf hatte keine fünf Minuten gedauert und er hatte ihr versichert er würde sie aufnehmen solange sie es wollte und ihr aushelfen wann immer sie es brauchte. So hatte sie gleich am nächsten Tag ihre letzten Groschen zusammengekratzt und sich in den Flieger gesetzt. Nun war sie da. In Los Angeles. Weit weg von Diana und ihrer Arbeitsstelle.

Um ihre Arbeit hatte sie hart kämpfen müssen, doch alles war ihr lieber als Obdachlos zu sein. Journalismus war leider mittlerweile so gut wie ausgestorben. Kleine Journalisten wie sie verdienten nun doch nicht all zu viel, um in New York auf festen Beinen stehen zu können.

Leicht entnervt drückte sie erneut auf den Kontakt in ihrem Handy und hörte dem Piepen zu, als es in einen Anrufbeantworter überging.

"Scheiße." wutentbrannt schoss sie ein stück Schnee weg.

Er hatte immer schon gerne auf sich warten lassen. Zwar war sie noch nicht wirklich lange hier gelandet, aber sie brauchte ihn mehr denn je. Schnell wischte die Blondine mit ihrem Handrücken über ihre Wangen. Ein paar halbgetrocknete Tränen befanden sich noch immer dort. Im Flugzeug hatte sie sich nur mit aller Not zusammenreißen können.

Sie trug die selben Pennerhandschuhe die sie sich mit 16 mal bei Walmart gekauft hatte. Mittlerweile hatte sich ihre Farbe von weiß zu einem ekligem Zement Grau geändert. Das konnte vielleicht damit zusammenhängen das sie diese ein paar mal getragen hatte, als sie auf der Baustelle eines Freundes mitgeholfen hatte und diese trug, während sie den Bauschutt von Steinen geklopft hatte. Die junge Frau konnte sich noch zu gut an die Schmerzen in ihren Armen erinnern und an den Staub der ihre Lungen ausfüllte, wie Daunen ein Kissen. Allerdings ein gut gefülltes Kissen, nicht das was man von Kopfkissen so kannte.

Sie zog ihren Bleistiftrock zurecht und richtete ihre Bluse. Anna sah sich etwas um. Mitten in der Woche war wohl auch in LA nicht all zu viel los. Besonders nicht am Flughafen. Es war Winteranfang und eben auch keine Season für Touristen. Weihnachten war nicht einmal in greifbarer Nähe. Selbst für Amerikaner, die früher wie der Rest der Welt, im Weihnachtsfieber ausbrachen war es noch zu weit entfernt. Also konnte sie auch Niemand aufgabeln und wenigstens ein Stück weiter mit in die Stadt nehmen. Seufzend lief sie den Straßenrand entlang. Normalerweise konnte sie jederzeit auf ihren Cousin zählen. Sie wartete mit Sicherheit noch nicht all zu lange auf ihn. Er hatte bestimmt zu tun. Die Frau zog ihren Mantel enger an ihren Körper und senkte ihren Kopf. Verloren lief sie einfach weiter die Straße entlang. Es war eine befahrene Straße und mitten am Tag, da würde sie sicherlich auch niemand entführen. Kurz vor der Auffahrt auf dem Highway suchte sie ihr Handy zwischen den Taschentüchern in ihrer Tasche erneut. Als ein plötzliches klingeln die Stille durchbrach, verließ ihre Lippen ein erschrockener Schrei.

"Mike du dummer Hurensohn." fluchte sie in den Hörer noch bevor er überhaupt zu Wort kommen konnte.

"Du bist auf Lautsprecher." entgegneter dieser mit eiserner, Stimme.

Die Beleidigung hatte er zwar bemerkt, aber er ignorierte es. Es gehörte für die beiden zu jeder normalen Unterhaltung. Wenn nicht einmal am Tag das Wort Hurensohn viel, dann wusste er: mit Anna stimmte etwas nicht. Mike war überrascht das es gleich eines der ersten Worte war die sie zu ihm sagte. Scheinbar hatte sie sich in unmittelbarer Zeit doch ein wenig von der Trennung erholt. Ihr Ex Freund war da wesentlich schlimmer gewesen. Nachdem er sie verlassen hatte musste Mike sie fast jeden Tag anrufen und ihr wieder und wieder gut zusprechen, bis sie schließlich wieder strahlte wie eine Sonnenblume zu ihren besten Tagen.

"Is mir doch scheiß egal. Hast du schon wieder zu viel gewichst weil du keine abkriegst?"

"Hast du heute schon gewichst und drüber nachgedacht?" feuerte er zurück.

Anna hielt einen Moment inne und Atmete tief ein. Besser das Thema schnell um zu lenken, bevor sie hier erfror. Ansonsten hätten sie sich sicherlich mindestens eine halbe Stunde lang beleidigt.

"Wo bist du grade alter? Ich hab dich nicht erreicht." grummelte sie.

"Ich könnte dich das selbe fragen Mann."

"Digga ich bin am Flughafen, wo ich sein sollte."

"Kannst du her kommen? In die Stadt? Ich und Toby müssen noch eben schnell eine Karre für dich klarmachen."

"Und wie stellst du dir das vor du Pisser?" Anna starrte auf den Highway.

Da würde sie sicherlich nicht zu Fuß lang gehen. Und Geld für ein Taxi hatte sie nicht. Lust dem Taxifahrer einen zu blasen auch nicht, ansonsten hätte sie das nämlich einfach getan.

"Ach scheiße klau dir ein Bike oder so."

"Kannst du mir nicht einfach ein Taxi schicken? Wie ein normaler Mensch das tun würde."

"Seh ich aus wie ein Taxiunternehmen?" es herrschte einen Moment Stille. "Wo bist du denn alte?"

"Am Flughafen."

"In 10 Minuten kommt ein Uber."

Noch genervter schob sich Anna den Weg zurück zum Flughafen. Sie war nicht wirklich ernsthaft genervt. Irgendwie war sie ganz glücklich und auch ein wenig amüsiert. Es war ein wenig gespielt, wie ein Kind das beleidigt war.

Bedauerlicherweise war sie viel zu schnell wieder unten angekommen. Sie hätte sich mehr Zeit lassen müssen. Kurz überlegte sie ihre restliche Zeit zu überbrücken indem sie auf ihr Handy schaute, doch sie hatte auch zu viel Angst ihren Uber zu verpassen. Also stand sie lieber in der kälte, starrte in die Ferne. Je mehr Sekunden verstrichen, desto schmerzvoller wurde die Kälte. Im inneren Betete sie das sich bloß kein anderer einen Uber bestellt hatte. Ansonsten hatte sie wieder ein Problem. Ihre Zähne klapperten wie wild aufeinander. Nicht einmal wegen der Kälte, sondern viel mehr vor lauter Aufregung. Gänsehaut übersähte ihre Arme.

Toby war also bei ihrem Cousin. Das erklärte warum er wohl sein Handy nicht gehört hatte. Toby war Mikes bester Freund seit Kindertagen. Anna hatte ihn nur flüchtig kennengelernt, da sie sich immer mal wieder über den Weg liefen. Immerhin war Mike für beide von ihnen wie ein Bruder. Sie hatte kein Problem mit Toby nur begegneten sie sich eben doch nicht sonderlich häufig.

Nach einer gefühlten Ewigkeit konnte sie ein weißes Auto in der Ferne erkennen. Es fuhr grade den Highway hinunter. Anna schnappte ihren Koffer und lief ihm zielstrebig einige Meter entgegen.

Ohne ein Wort stieg sie ein. Er fuhr wieder den Highway hinauf. Sie sah aus dem Fenster. Die blonde Frau war zwar sozial wahrlich mehr als nur aktiv, aber sie mochte es bei Autofahrten zu schweigen. Bis jetzt war sie sich nicht wirklich sicher was die Ursache für dieses sonderbare Verhalten war, aber sie genoss es einfach raus zu sehen und kurz ruhig zu sein. Gott sei Dank durchbrach ihr Fahrer diese Stille nicht. Sie hasste Menschen die das gesamte Gegenteil waren. Manchmal war es in Ordnung sich im Auto zu unterhalten, aber eben nicht immer.

Anna sah aus dem Fenster. Sah die Stadt an sich vorbei fliegen. Von kleinen Familien Hütten über große Villen bis hin zu Wolkenkratzern. Diese Stadt konnte ihr alles bieten. Wie es wohl war hier eine Luxusvilla zu besitzen?

Der Fahrer fuhr rechts ran. Kurz vor einem Parkplatz mitten im Nirgendwo. Verwirrt stieg Anna aus. Keine Minute nachdem der Autofahrer aus ihrer Sichtweite verschwunden war, drang das quietschen von Autorreifen an ihre Ohren. Sie sah auf. Aus dem Parkhaus zischte ein recht klobiger Ford Raptor. Mit einem nicht ganz so grazilem aber auch nicht unschönem Drift, drehte er ein paar Runden über den Parkplatz. Nun grinste sie von Ohr zu Ohr. Sie wusste wem dieses Auto gehörte.

Mike hatte schon immer große Autos gefahren. Er mochte zwar auch Tuning, dennoch fuhr er in seiner Freizeit eher in Geländewagen durch die Gegend.

Er brachte sein Auto neben ihr zum stehen.

"Toby hol mal dein Schätzchen raus." Annas Augen weiteten sich.

Also hatten sie wirklich ein Auto für sie besorgt.

Toby lief um die Ecke, nur um wenige Sekunden später einen knallpinken Lexus IS 200 vor zu fahren. Sicherlich eines ihrer Tuning Autos. Sie lief dem Auto entgegen, Toby allerdings stieg zurück zu ihrem Cousin. Keine Sekunde nachdem sie ihren Gurt gespannt hatte vergriff sie sich an dem Funkgerät. Es war bereits auf eine Frequenz eingestellt, das erkannte sie als ein Signal. Sie griff instinktiv danach.

"Es heißt, eine freie Straße hilft einem beim Nachdenken. Darüber, wo man war, wo man hinwill." grummelte die Frau in verstellter Stimme ins Gerät.

"Ich hoffe doch wohl nicht das du mich nicht herausforderst."

Sie startete den Motor und ließ ihren Wagen zu Ihm herüber rollen. Ihr Liebeskummer war als wäre er nie da gewesen. Grinsend schaute sie hoch in Mikes Auto. Er saß um weiten höher als sie und sie wusste das sie wahrscheinlich nicht gegen ihn gewinnen konnte.

"Du musstest ja unbedingt deine Klappe aufreißen." der Mann grinste ihr frech zu.

"Ja, ich dachte, 'n cooler Spruch wäre angesagt."

"Na dann Anna du weißt. Es kommt nicht drauf an wie man neben seinem Wagen stehen kann, sondern wie man mit ihm fahren kann." er ließ nun auch seinen Motor an.

Das Geräusch beider Motoren, und der Countdown von Toby, ließen ihr Adrenalin durch die Adern schießen. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen. Anna fühlte sich glücklich und aufgeregt, es war fast so gut wie auf Drogen zu sein. Dann erteilte Toby ihnen die Startfreigabe.

2038 Wörter

Zitate aus der Reihe von Fast and Furios

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