Kapitel 22

Mit einem Seufzer legte Anna ihren Kopf auf den Tresen. Der kalte glatte Marmor fühlte sich irgendwie gut an.
"Warum gibst du ihm nicht einfach eine Chance? Du kannst dich nicht so an jemanden festhängen bei dem du eh keine Chance hättest." Violet saß ihr gegenüber auf einem Barhocker.
"Wenn ich ihm eine Chance gebe, dann werde ich ihm nur weh tun. Ich werde ihm nicht gut tun, zumindest nicht solange Luna noch in meinem Kopf spukt. Vielleicht ändert sich das ja bald, dann kann ich ihm die Chance gerne geben." brummte Anna, den Kopf immer noch auf die Bar abgelegt.
"Ich verstehe nicht warum du so an ihr festhängst." gab Violet zu. Sie goss sich Wasser in ein Glas um sich zu erfrischen.
"Glaubst du mir geht es da anders. Verdammt ich würde sie so gerne einfach aus meinem Kopf ausradieren und nie wieder an sie denken. Zumindest nicht wenn es notwendig ist. Aber dann flirtet sie so hemmungslos mit mir, dass ich wieder an nichts mehr denken kann." verzweifelt seufzte die Frau.
Violet schüttelte ihren Kopf. Wie sollte sie jetzt diejenige sein um Anna zu helfen? Für sie war das was die blondhaarige Frau von sich gab totaler Unsinn. Natürlich war Colin liebenswert, aber wie konnte sie gleichzeitig Gefühle für ihn haben wenn sie sich doch so stark von Luna angezogen fühlte. Sie konnte das nicht verstehen. In ihrem Leben hatte sie nur selten das Privileg gehabt eine Person für sich zu interessieren. Und so war sie jetzt auch schon seit mindestens acht Jahren mit ihrem Freund zusammen. Zum Glück. Es war ja das was Anna in ihrem Leben wollte, jemand der an ihrer Seite blieb. Deswegen verstand Violet auch nicht warum sie nicht Colin wählte. Von dem was er ihr bisher erzählt hatte war es bei ihm doch nicht anders gewesen. "Denk an das Training später." erinnerte sie Anna.
"Vergess ich schon nicht." sie hob den Kopf. Nach einigen Minuten Blinzeln gewöhnten sich ihre sensiblen Augen an das Licht im Casino. Zornig auf sich selbst, ihr verhalten und größtenteils die mangelnde Unterstützung Violets, stiert Anna den Fahrstuhl an. Warum war sie überhaupt hergekommen wenn Violet ihr keine gute Freundin sein wollte? Für das Schießtraining musste sie nämlich wieder zurück nach Beverly Hills fahren, wo sie eh hergekommen war. Sie stand von ihrem Hocker auf. Ihr Entschluss war einfach so weiter zu machen wie bisher. Immerhin waren sie und er wahnsinnig bekifft gewesen und ihre Gefühle geklärt. Sie hätte nicht gedacht einmal so zu werden. Kopfschüttelnd lief sie über den Schwarzen Marmor, begleitet von dem Klack, Klack ihrer breiten Absätze. Sie stieg in ihren Mc Laren.
Nachdem sie ihr Auto dreißig Minuten lang über sämtliche Speedways gejagt hatte, parkte sie den letzen freien Platz zu. Hoffentlich war es Violet die als nächstes kam und sich ärgern würde. Das hatte sie irgendwie verdient, für ihren schlechten Rat. Wie gewohnt streckte Anna ihre langen Beine aus dem Wagen und zog sich ungeschickt heraus. Mittlerweile sollte sie doch eigentlich den Dreh heraus haben. Schließlich hatte sie das Auto lang genug. Sie dachte einen Bruchteil einer Sekunde an Simo, den sie seit der Nachricht heute Morgen aktiv verdrängt hatte und dies auch höchstwahrscheinlich erstmal weiterhin tun würde. Jeden Morgen schrieb er ihr irgendeinen Scheiß der sie nicht interessierte und sprach sie mit Schatz an. Sie fürchtete sich davor dem bald ein Ende setzten zu müssen. Das hatte sie davon. Kopfschüttelnd drückte sie auf ihre Schlüssel. Langsam fuhr die geöffnete Tür nach unten. Dann öffnete sie das schwarze Zaun Tor. Als sie das Haus betrat grüßte sie totenstille. Dabei war die Straße doch komplett zugeparkt. Sie beschloss an der Küche links vorbei in den Aufenthaltsraum zu gehen, in dem wahnsinnig viel Zeug herumstand. Auch dort traut sie auf niemanden. Immerhin hatte die Blondine es sich jetzt auch nicht erhofft Zeit mit jemandem zu verbringen. Immerhin trafen sie sich sowieso früher oder später. Sie setzte sich auf eine der zwei Liegen, vor dem kleinen indoor Pool. Es dauerte tatsächlich nicht allzu lang, da rauschten Colin und seine Bande herein. Lautstark unterhielten sie sich über irgendwelche Hunderassen, was sie wiederum komplett aus den Gedanken riss. Verwirrt warf sie den Männern einen vielsagenden Blick über die Schulter zu. Kichernd zeigte Max auf sie und drehte sich um zu den weiteren dreien, deren Namen Anna nach Monaten noch immer nicht voreinander hatte. Sie raffte sich auf.
„Euch hört man ja schon von zwei Meilen Entfernung." scherzte sie.
„Was machst du überhaupt hier, wir treffen uns doch unten." entgegnete der Rollstuhlfahrer ihr etwas verwirrt.
„Es geht nach Unten?" verwirrt warf sie einen Blick in die Runde. Dafür erntete sie ebenso viele verwirrte Blicke, wie Personen anwesend waren.
„Hast du das letzte viertel Jahr etwa alle geschwänzt?" fragte sie Colin besorgt.
„Ihr habt mir drei Monate lang verschwiegen, dass ihr Schießtrainig macht? Das hätte ich dringend brauchen müssen bevor ich Emre 44 Kaliber Magnum direkt in den Schädel gepustet habe. Dann war es vielleicht etwas weniger widerlich gewesen." agefressen von dieser Erkenntnis verschränkte sie ihre Arme vor der Brust. Zwei aus der Truppe kicherten über die reine Vorstellung der Sauerei die das wohl gewesen war.
„Ich meine die Basics sollte man als stolzer Bürger Amerikas doch beherrschen."
„Bevor ich herkam hatte ich nur ungeladene Waffen in der Hand und Soft air. Nur das kann ich schlecht dazu zählen." erwiderte Anna.
Die Männer dirigierten sie vor sich durch den Raum, begleitet von ihrer Diskussion. Sie war noch immer schokiert davon, dass man ihr bisher nie etwas davon erzählt hatte. Jetzt sah sie es scheinbar ging hinter der Küche wohl ein Raum nach unten. Denn dort befand sich eine dicke Stahltür, geschützt von einem Zahlenschloss. Offensiv gab Max den Code langsam und gut erkennbar für Anna ein. Das war ihre einzige Chance ihn sich zu merken. 2064904. In fünf Minuten hatte sie ihn sicherlich wieder vergessen. Die Tür öffnete sich nach außen. Sie traten nacheinander hinein in die Dunkelheit. Schon wieder dauerte es wesentlich länger als es Anna lieb war, bis sie dazu fähig war überhaupt etwas zu erkennen. Solange orientierte sie sich am Treppengeländer und die Hacken ihres Vordermannes. Was machte der Rollstuhl Typ eigentlich grade? Als sie endlich wieder etwas sehen konnte, kamen sie einem gut beleuchtetem Kellerraum in der Ferne näher und näher. Vor ihr löste sich die Gruppe Männer auf, das gab ihr den freien überblick über den Raum. Er war relativ groß. Die Wände waren weiß gehalten, nichts besonderes. Wobei der Boden aus grauem Marmor, natürlich mehr Aufmerksamkeit erregte. Es roch streng nach Gummi. Ein bekannter Geruch drang an ihre Nase, den sie grade nicht zuordnen konnte. An einer Wand waren Waffen aufgehängt. Sie waren durch kleine Metall haken, welche in ein Gitter eingehakt waren, das edler wirkte wie das was Mike in seinem Keller hatte, eingehängt. Ihr Cousin hatte nur ein Billiges Gitter welches wahrscheinlich mal als Zaun gedient hatte, einfach an die Wand geschraubt. Dieses aber war offensichtlich extra dafür angefertigt worden. Davor befand sich eine große freie Fläche, zum ein und ausgehen. Gelegentlich waren an den Wänden einige Bänke auf zu finden, aus weißen Platten gebaut. Wenn man vorging zu den Schießständen, gab es ein wenig mehr zu betrachten. Schießen würde man bei einfachen Tischen, welche Anna stark an ihre Schulzeit erinnerten. Sie bestanden aus einer gut beschichteten Weißen Platte, auf einem schwarzen Metall Gestell. Darunter vielleicht fünf Zentimeter über dem Boden, war nochmal eine Platte, um jeglichen Ramsch ablegen zu können. Die einzelnen Schießstände waren ebenfalls getrennt. Zwischen ihnen hing von der Decke herab, eine Art Netz. Es war weiß und so gefertigt, dass man sein nebenan direkt ansehen konnte. Dieses Netz erreichte den Boden allerdings nicht. Sie wurden auf dreiviertel der Strecke von einem Langen Stück Holz nach unten gezogen, in welches es eingelassen war. Vor den Tischen erstreckte sich erneut eine Leere Fläche. Am Ende von dieser, hingen die Zieltafeln von der Decke herab. Sie liefen wie herkömmlich, auf Schienen an der Decke, so waren sie bewegbar. In der Ferne erkannte Anna einige andere Zielscheiben, welche man einfach austauschen konnte. Aufgeregt sah sie sich zwischen den Menschen um. Sie einige Gesichter, die sie noch nicht kannte, Colins Gruppe, die hatte sie ja auch hergeleitet, Haruki, Frank und Mike. Es war ihr ganz recht, dass Luna nicht da war. Sie würde sie spätestens im Casino wiedersehen und ihre nächste Schicht war morgen. Die letzten Male hatte Violet eher im Hintergrund gestanden, so durfte Anna sich mit den Gästen und dem Angebot vertraut machen. Das IPad war ihr noch immer nicht ganz geheuer, doch sie war sich sehr sicher, dass würde bald ein Ende nehmen. Anna war etwas nervös. Sie stellte sich ein wenig Abseits von den anderen an die Wand. Sekunde um Sekunde wurde die Unruhe im Raum größer. Sie beobachtete Frank wie er sich umsah. Dann klatschte er sehr laut in seine Hände.
"Auch wenn wir hier nicht im Schießverein sind, Westen und Gehörschutz werden Trotzdem getragen." verkündete der Mann lautstark.
Sein Klatschen hatte für Augenblickliche Ruhe gesorgt. Nun stellten sich alle Anwesenden in einer Reihe hinter ihm auf. Aus einem versteckt eingebauten Schrank in der Wand, holte Frank seine Weste und seinen Gehörschutz heraus. Der Mann trat zur Seite und der nächste in der Reihe stattete sich aus. Auch Anna zog die enge Weste über ihren Oberkörper und zog die Schützer über die Ohren. Dann liefen sie Gemeinsam herüber zu den Waffen, stellten sich in einer Linie vor der Wand auf, sodass sie eine Reihe bildeten. Frank reichte jedem von ihnen eine leichte Maschinen Pistole. Anna betrachtete die erstaunlich leichte Assault Rifle. Die Blondine lehnte sich herüber zu ihrem Cousin.
"Ey Arschlosch! Hatte dein Dad nicht auch so eine?" fragte sie.
Er schüttelte nur empört den Kopf. "Der hatte eine RF-15, son billigteil. Das hier ist eine m400." entgegnete er ihr.
Immerhin hatte sie es versucht den Unterschied zu sehen. Nachdem die Waffen Verteilt waren, stellten sie sich, wie von Frank befohlen, auf den zugeteilten Platz. Annas Herz raste. Sie war aufgeregt, aber auch glücklich. Irgendwo ganz tief in ihr machte es sie Stolz ihrer Familie nützlich sein zu können. Sie hatte bereits jemanden beseitigt, was sie vorher wahrscheinlich für unmöglich gehalten hätte. Dabei hatte sie sich so gut wie nie gefühlt. Wenn ein Krieg zwischen dem Blackwood Syndicate und den Reapers of Chaos ausbrechen würde, dann war sie gewappnet. Anna war bereit in den Krieg zu ziehen. Mike würde schließlich auch mitmachen. Ohne ihn, hatte sie niemanden mehr, denn auf Luna konnte sie nicht zählen. Und Colin würde wahrscheinlich sowieso sterben, wenn sie einmal ehrlich mit sich selbst war. Sie hoffte nur auf ein wenig mehr Übung. Sie drückte den Buttstock gegen ihre Schulter, wie es Frank ihnen vormachte. Schon lustig, dass ihnen ein Deutscher schießen beibrachte. Dann steckte sie das Geladene Magazin ein.
Mike wusste was Anna dachte. Erfreut war er weder über den Fakt, dass zwischen seiner Cousine und Luna sich etwas entwickelte, wie auch ihrer offensichtlichen Begeisterung davon etwas beitragen zu können. Oder gar, dass man ihr ansah, dass sie zu allem bereit war. Und auch dem Fakt, dass sie bereits getötet hatte. Das alles spiegelte sich so offensichtlich, für ihn, an ihr wieder. Sie war auch immer schon ein wenig leicht zu beeinflussen. Er hätte sich gewünscht sie hätte diesen einen Tag einfach alleine Zuhause verbracht und so Emre nicht getroffen. Für ihn war Kriminalität die einzige Option. Mike war schon immer eine Null gewesen. Anna sah zu ihm auf, keine Frage. Jedoch war sie sich nicht bewusst, wie sehr und oft er Dinge vergeigt hatte. Er hatte einen guten Abschluss gehabt, nur dann ging alles abwärts. College hatte er sich nicht leisten können. So hatte die Ära des Versagens begonnen. Und dazu kamen dann die miesen Jobs. Keiner wollte bei MC Donalds arbeiten oder Dunkin Donuts oder Starbucks. Irgendwann wollte nicht Mal Walmart ihn haben, denn er konnte ihnen Garnichts vorweisen. Dann war er von seinen Eltern auf die Straße gesetzt worden. Da war er aber auch schon Zwanzig. Er stieß auf die Crows, die ihn dann herüber nach LA brachten. Durch die Überfälle, die er geplant hatte verdiente er sich massig Geld. So kam er von der Straße herunter. Mit ihm zog er dann ebenfalls Toby aus der Obdachlosigkeit. Bis dann Anna in der Mafia gelandet war. Dadurch waren seine Kollegen auf die Idee gekommen ihn an Luna für einen Guten Preis weiter zu vermitteln. Also war er mehr oder weniger verkauft worden...Immerhin herrschte zwischen den beiden Parteien kein böses Blut und sie konnten darauf zählen im Falle eines Krieges Unterstützung von einem Haufen erstklassiger Soldaten zu bekommen.

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