Kapitel 2
▄︻デP̷e̷r̷s̷h̷i̷n̷g̷ ̷S̷q̷u̷a̷r̷e̷══━一
Müde schlug sie ihre Augen auf. Sie waren verkrustet. Müdigkeit saß tief in ihren Knochen. Jeder Gliedmaß in ihrem Körper schmerzte. Sie streckte sich. Wie zu erwarten war sie auf der Couch eingeschlafen. Anna blinzelte verschlafen. Die junge Frau wischte sich über ihre Augen, dabei konnte sie deutlich spüren wie ihr klumpig gewordener Mascara abblätterte. Mund und Rachen bettelten um Wasser. Ihr erster Blick wich aus dem Fenster. Morgenröte hüllte den Himmel ein, sie gab ihm eine leuchtende Farbe, es sah aus als würde er brennen. Ihr gefiel der Anblick. Es fühlte sich an als würde er sie wärmen wollen. Der Himmel konnte sich zwar nicht wie eine wärmende Decke um sie legen, doch immerhin konnte er sich in ein glühendes Feuer verwandeln. Zwar war das nur optisch, trotzdem erwärmte es wenigstens ihr Herz.
Ihr zweiter Blick galt ihrem Handy. Mike hatte ihr nicht einmal geschrieben. Er musste es ja auch nicht. Immerhin wusste ihr Cousin nicht davon, das sie gekocht hatte. Sie hatte es ihm nicht gesagt. Schließlich hätte das auch nichts an der Tatsache geändert, dass er keine Zeit hatte. Nicht einmal so das er über Nacht nach Hause kommen konnte. Anna hoffte das er wenigstens eine Braut abgeschleppt hatte. Das gönnte sie ihm von Herzen.
Noch einmal zurück ins Bett wollte sie nicht. Die Uhr hatte ihr verraten, dass es bereits Neun war. Das war ihr genug Schlaf. In ihrem inneren brannte auch noch immer die Entdeckungslust und wenn sie daran dachte das sie hier in Los Angeles war, dann konnte sie sich vor lauter Aufregung kaum auf den Beinen halten. Kurzerhand nahm sie die Ravioli, verstaute diese im Kühlschrank, nur um sich nicht all zu viel später aus der Haustür zu quetschen. Der Schnee war dünner geworden. Vor allem war es wesentlich wärmer als noch am Vortag. Schnee war hier sowieso eher ungewöhnlich. Sie war ernsthaft verwundert wie es überhaupt hatte schneien können immerhin hatte es das letzte mal in LA 1989 Schnee gegeben. Dieser war nicht einmal liegen geblieben. Ausgerechnet zu einer Zeit in der sie hier war, passierte etwas so besonderes. In Beverly Hills waren fast alle Spuren von dem kalten Wetter beseitigt worden, doch je weiter ins innere der Stadt sie fuhr, desto deutlicher merkte sie wie sehr die Menschen es schätzten das das weiße Puder LA überzog wie Zuckerguss einen Kuchen.
Anna wusste nicht genau was sie ohne ihren Cousin mit sich anfangen sollte. Es dauerte einen Moment, einen langen Moment. In dieser Zeit lauschte sie dem Geräusch der Motoren. Glücklich lächelte sie, bis der Nachrichtenton ihres Handys in die Realität zog. Sie fuhr das Auto links auf einen Beliebigen Parkplatz um nach zu schauen ob es Mike war, der sich Sorgen um sie machte. Tatsächlich war es eine Nachricht von ihm. Allerdings nicht mit Inhalt. Es war eine einfache Überweisung von Vierzigtausend Dollar. Erschrocken sah sie auf ihr Handy, sicher hatte er einige Nullen zu viel eingetippt. Sie lies das Fenster herunter und fächelte sich etwas Luft zu. Der Schock hatte ihr Gesicht ganz warm werden lassen. Das war sicher mehr Geld als sie in ihrem Leben bisher verdient hatte. Auf wackeligen Beinen verließ die Frau ihren Wagen. Sie googlelte nach dem nächstem Kiosk. Das war eine Überraschung für sie gewesen. Selbst wenn Mike eben keinen Tippfehler gemacht hatte, woher hatte er so verdammt viel Geld? Zu ihrem Glück war der Kiosk den sie gesucht hatte keine Zweihundert Meter von ihr entfernt. Also ging sie schnellen Schrittes durch den Park, vor dem sie ihr Auto abgestellt hatte. Ausnahmsweise war ihr Kopf beschäftigt genug und sie kam gar nicht dazu sich um zu sehen. Zitternd zeigte sie auf ein Regal hinter dem Kioskverkäufer. Dieser brachte ihr genau das was sie haben wollte. Zigaretten.
Mit wackligen Händen riss sie das Plastik ab und stopfte es in ihre Tasche, zu den Massen an Taschentüchern. Sie lief zwischen zugepflasterten jungen Bäumen eine Treppe mit rotem Geländer hinunter und setzte sich schließlich auf einen Sockel einer großen Roten Kugel. Noch immer zitternd zündete sie sich eine Zigarette an. Dabei versagte sie wohlgemerkt einige, viele Male. Sie war schon fast wütend, da gelang es ihr endlich. Die Frau nahm einen tiefen Zug. Sie merkte wie sich ihre Lungen mit dem Rauch füllten. Das Nikotin stieg ihr sofort zu Kopf. Sie zog einige Male erneut, schloss ihre Augen für einen Moment, genoss den Moment in dem ihr Kopf sich begann etwas zu drehen. Erst jetzt konnte sie wieder einigermaßen klar denken. Anna sah nach rechts. An einer in Lavender angestrichenen Wand hingen einige Kunstwerke auf allen von ihn stand in großen farbigen Buchstaben "Viva LA". Die Frau zog die Augenbrauen hoch, um einige Sekunden lang die Bilder zu beäugen. Vor sich konnte sie eine Rasenfläche erkennen also stand sie auf. Es war nichts besonderes. Einige Teenager saßen auf der Grünfläche und waren offensichtlich am Kiffen. Sie war die letzte die sich da einmischen würde. Sonst interessierte es auch keinen der hier vorbei lief. Die Blondine lief an ihnen vorbei nur um mehr rote Mauern zu entdecken und natürlich rote Kugeln. Sie lief erneut Treppen hinunter aus dem Park hinaus. Anna hatte beschlossen einmal um ihn herum zu laufen. Dort entdeckte sie aber nur noch mehr rote Mauern. Sie bog um zwei Ecken, dann sah sie ein Parkhaus. "Pershing Square parking" stand es auf dem weißen Schild. Beinahe hatte sie es übersehen. Auch daran lief sie vorbei, bog erneut um eine Ecke und lief die Treppen wieder in den Park hinauf. Sie zog ihr Handy aus der Hosentasche. Auf dem Bildschirm stand in fetten Buchstaben: "Kein Tippfehler". Das war eine Nachricht von Mike, obwohl sie nicht nachgefragt hatte. So schnell sie konnte lief sie zur nächsten Treppe, auf die sie sich wieder setzen konnte. Gekonnt ignorierte sie die Kinderschreie von dem Spielplatz hinter ihr. Sie führte ihre Hände zu den Wangen um diese etwas ab zu kühlen. Vergeblich.
Einige Minuten schaffte sie es nicht sich zu regen. Sie starrte vor sich auf die rotgrauen Steine und das seltsame zackige Muster im Boden. Anna fuhr sich mit einer Hand durch ihr Haar. Vielleicht sollte sie sich etwas Zeug zulegen. Jetzt wo Mike ihr Geld gegeben hatte, konnte sie sich vielleicht nach etwas umsehen was sie noch brauchte. Oder sich im Bürgerbüro an melden. Sie stand auf. Sah auf ihr Handy. Ein Prozent. Das würde es nicht schaffen. Ein Seufzer entfuhr ihr. Da stand sie und starrte in die Leere. Sie grübelte was nun zu tun war. Sollte sie einfach jedes Café abklappern in der Hoffnung es irgendwo laden zu können?
"Kann ich der schönen Dame irgendwie weiterhelfen?"
Anna zuckte zusammen. Sie hatte den großen Mann nicht einmal bemerkt, als er auf sie zugelaufen war. Verzweifelt hob sie die Hand mit dem Handy. Er hatte jetzt schon etwas unangenehmes an sich, doch hatte sie wohl oder übel keine Wahl. So entschloss sie sich dazu seine Hilfe einfach an zu nehmen. Immerhin wirkte er wie jemand in ihrem Alter. Vielleicht hatte sie nur einen falschen ersten Eindruck von ihm bekommen. Die Frau stand auf und kam ihm entgegen. Auf halbem Wege trafen sie sich.
"Meine Batterie ist tot und ich würde gerne zum Bürgerbüro." murmelte sie vor sich hin.
"Ich nehme dich mit, dann kannst du in meinem Auto laden."
Normalerweise hätte sie abgelehnt. Heute aber nahm sie diese Einladung an. Als Kind schon hatte man ihr eingetrichtert das man nicht zu fremden ins Auto stieg, heute war die erste Ausnahme die sie machte. Im Alter von Fünfundzwanzig Jahren. Wäre sie doch bloß nie auf dem dummen Sofa eingeschlafen.
Er lief vor zu einem schwarzen Audi. Nicht einmal vorgestellt hatten sie sich, aber sie vermutete das sie dies gleich nachholen würden. Wie ein Gentleman hielt er die Tür für sie geöffnet und half ihr unnötigerweise ins Auto. Äußerst nett, so etwas hatte selten jemand für sie gemacht. Dann lief er zur Fahrertür. Er fummelte an etwas herum bevor er schließlich einstieg. Vermutlich einfach sein Gürtel.
"Da kannst du dein Handy kurz aufladen." der Mann deutete auf ein Kabel das an seinem Zigarettenanzünder hing.
"Danke." erwiderte sie.
"Emre Kadir." stellte er sich schnell vor. "Und wie heißt du?"
"Anna."
Warum sie ihren ganzen Namen nicht gesagt hatte wusste sie selbst nicht so recht. Es war nicht einmal beabsichtigt gewesen. Normalerweise stellte sie sich Menschen von sich aus vor. Jetzt war es anders.
"Bis zum Bürgerbüro ist es ein ganzes Stück. Was führt dich nach LA?"
Neugierig sah der Mann sie von der Seite an. Ihrer Meinung sollten seine Augen lieber auf der Straße kleben, damit sie keinen Unfall bauten. Sie selbst hasste von der Straße weg zu sehen während sie am fahren war. In den wenigen Fällen in denen sie das getan hatte, war es entweder ein Notfall oder sie hatte kurz darauf fast einen Unfall gebaut. Anna kämpfte mit dem Drang den Kopf des Mannes von sich weg zu drücken damit er wieder aus der Frontscheibe blickte.
"Familienangelegenheiten." murrte sie.
Mit der Antwort wollte sie erzielen, das der Mann sich endlich konzentrierte. Allerdings hatte sie nun erst recht sein Interesse geweckt. Das gefiel ihr eher weniger.
"Bist du zum ersten Mal hier?"
"Was denkst du denn." knurrte sie.
"Ich wohne hier auch noch nicht so lange. Ich bin hergekommen weil meine Ex Frau mich aus meiner alten Stadt weg gejagt hat. Sie stalkt mich noch immer." beteuerte Emre.
Warum sollte die Frau die ihn verjagt hatte ihm Nachspionieren? Das machte nur wenig Sinn in ihren Augen. Vielleicht war sie aber auch ein wenig verrückt. Es klang als hätte er es schon schwer genug, sie sollte ihn nicht unnötig verurteilen. So etwas dachte man sich nicht einfach so aus.
"Wegen ihr musste ich meine Familie verlassen und jetzt hat sie es geschafft alle von ihnen gegen mich auf zu lehnen."
Anna blieb still und lies ihn seine Geschichte erzählen. Das wollte er doch. Vielleicht gab ihm sonst keiner Aufmerksamkeit. Dann würde sie eben jetzt dafür geradestehen.
"Und jetzt sind die auf der Suche nach mir. Sie haben gedroht mich um zu bringen wenn sie mich finden. Kannst du dir das vorstellen?"
"Da macht es bestimmt Sinn sich in einer Stadt wie LA zu verstecken." grummelte die Blonde.
"Und wie. Hier sind so viele Menschen, da finden sie mich nicht gut, außerdem sobald ich mich einer neuen Familie angeschlossen habe können sie mir nichts mehr."
Einer neuen Familie anschließen? Was sollte das denn jetzt bedeuten? War der Typ geistig zurückgeblieben und kapierte nicht wie Familien funktionierten? Oder wollte er irgendwo einheiraten? Vielleicht war es ja sogar ein Slang für etwas das sie nicht kannte. Alles war möglich an diesem Punkt. Immerhin war ihr Konto vor nicht all zu langer Zeit um Vierzigtausend Dollar gestiegen. Sie hinterfragte kurz ob sie nicht doch träumte. Obwohl ihr das Schicksal gleich mehrmals in New York bewiesen hatte das sie es eben nicht tat.
Sie sah auf ihr Handy. Mittlerweile konnte sie es wieder einschalten. Aber aufgeladen hatte es nicht wirklich. Vermutlich hatte sie in Zehn Minuten eventuell Dreißig Prozent. Das könnte vorerst eventuell genügen.
"Nicht mehr all zu lange."
Emre hatte ihr nicht zu viel versprochen. Ihr Handy hatte erst Dreiundzwanzig Prozent erreicht, da hielt er vor dem riesigen cremefarbenen Gebäude des Bürgerbüros an. Schnell stöpselte sie es aus und wollte schon flüchten, aber er hielt sie fest.
"Warte kurz." er sah ihr erwartungsvoll in die Augen. "Hier ruf mich bitte an wenn du irgendetwas brauchst."
Der Mann streckte ihr einen QR Code entgegen. Und sie scannte ihn. Anna hatte beschlossen ihm eine Chance zu geben. Schließlich hatte er sie unbeschadet abgesetzt und er schien eine harte Zeit zu haben. Nur weil sie so skeptisch war musste es ja nicht zwingend irgendetwas bedeuten. Sie schluckte das seltsame Gefühl endgültig herunter.
"Natürlich. Dankeschön." sie lächelte, so gut sie eben konnte.
Dann verließ die Frau das Auto. Aber er fuhr nicht einfach weg. Er stand da und warte das die Frau in dem Gebäude mit den vielen Fenstern verschwand, ehe er dazu ansetzte nun doch endlich sein eigentliches Ziel an zu steuern.
1972 Wörter
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