Kapitel 38
6.Februar
Ein lautes Geräusch reißt mich aus dem Schlaf. Schnell setze ich mich auf und meine Augen durchqueren forschend den Raum. Ich bin alleine. Plötzlich lodern Flammen um das große Bett. Die Luft wird schlagartig heiß und stickig. Da erkenne ich eine dunkle Gestalt. Ich wage es nicht mich zu rühren als dieser Schatten näher kommt. Beschützend legen sich warme, kräftige Arme um mich. »Keine Angst«, flüstert eine tiefe Stimme. Ich fühle mich geborgen und lasse mich bereitwillig in seine Arme fallen. »Nicht. Nein«, ertönt es weit weg von uns, aber ich höre nicht zu. Hoffnungsvoll schmiege ich mich an die rettende Gestalt. Doch schlagartig wird die Umarmung schmerzhaft, es gibt kein Entkommen. Ich werde mit in die Tiefe gezerrt während ich bernsteinfarbenen Augen sehe...
Ich schrecke auf. Mein Atem geht schnell und unregelmäßig. Dieser Traum war anders, eine Warnung. Doch was hat es zu bedeuten? Auf meiner Stirn haben sich kleine Schweißperlen gebildet während ich noch immer die Bettdecke umklammere. Ich atme ein paar Mal tief durch bevor ich aufstehe um mir im Badezimmer etwas Wasser ins Gesicht zu werfen.
Erst lasse ich etwas kaltes Wasser über meine Handgelenke laufen, dann wasche ich kurz mein Gesicht und vergrabe es einige Minuten im Handtuch. Ein kurzer Blick in den Spiegel zeigt mir meine tiefen Augenringe, die mir signalisieren, dass ich unbedingt noch etwas schlafen sollte. Außerdem sind die Fliesen so kalt an meinen nackten Füßen, dass ich mich beeile wieder zurück unter meine warme Decke zu kommen. Schnell kuschle ich mich ein und bette meinen Kopf auf dem weichen Daunenkissen. Ich schaffe es an nichts zu denken, entspanne meinen Körper und schließe müde die Augen.
Plötzlich höre ich ein ungewohntes Geräusch, ein lautes Knacken. Sofort spannt sich wieder alles in mir an. Das Geräusch kam aus dem Wohnzimmer nebenan. Ich setze mich auf und lausche in die Stille. Nichts. Der Wecker zeigt 2:14 Uhr morgens. Justin wird wohl kaum mitten in der Nacht doch noch zurückgefahren sein. Ich bin nach der Botschaft heute an meinem Auto einfach zu ängstlich. Es ist das Beste nun einfach zu schlafen. Morgen werde ich Justin davon erzählen. Er wird wissen was zu tun ist und vielleicht werde ich mich doch mit der Tatsache anfreunden, dass mich ein Bodyguard zukünftig begleiten wird.
Ich ziehe die Decke bis zur Nase nach oben und schließe meine Augen. Doch da raschelt es erneut von nebenan. Erschrocken setze ich mich auf. Mein Herz rast. Ganz langsam stehe ich auf um nachzusehen. Ängstlich greife ich mein Handy bevor ich so leise wie möglich durchs Schlafzimmer gehe. Meine Hand liegt auf der Türklinke, aber es fehlt mir die Kraft sie nach unten zu drücken.
Einen Moment stehe ich da, wie in Stein gemeißelt, und lausche, doch alles was ich höre ist mein eigener Puls. Ich nehme all meinen Mut zusammen und öffne die Tür. Hektisch überfliege ich den dunklen Raum.
Ich bin alleine und kann auch sonst nichts Auffälliges erkennen. Ich spüre wie die Angst von mir abfällt. Draußen peitscht der Wind heftig gegen die Fenster und wirbelt die Regentropfen gegen die Scheibe. Erst als der Vorhang ins Zimmer weht sehe ich, dass eines der Fenster nicht richtig geschlossen ist.
Es muss vom Wind auf- und wieder zugestoßen worden sein. Daher kamen also die Geräusche. Erleichtert schiebe ich die Gardine etwas zur Seite und drücke den Griff kräftig nach unten.
Als ich mich umdrehe schrecke ich so zurück, dass mein Rücken gegen die eisige Scheibe stößt. Auf der anderen Seite des Zimmers steht jemand, ein Schatten. Ich traue mich nicht einmal Luft zu holen, bin wie versteinert, ängstlich und hilflos. Ich würde gerne schreien, aber ich kann nicht. Völlig regungslos starre ich auf die schwarzen Umrisse in der Dunkelheit.
»Hallo Leni«, ertönt eine leise Frauenstimme, »Warum hörst du einfach nicht auf mich? Du hättest einfach machen sollen was ich dir gesagt habe. Und jetzt? Jetzt bist du hier... und er nicht.«
Sie klingt stumpf und ihre Worte ergeben für mich keinen Sinn.
»Miranda?«, hauche ich mit erstickter, zittriger Stimme.
»Nein«, höre ich die Frau.
Plötzlich kommt sie ein Stück auf mich zu. Ihr Körper wird vom Mondlicht angestrahlt. Ich erkenne ihre schlanke Silhouette.
»Nicht Miranda«, sagt sie,»Miranda ist tot. Tot wegen ihm.«
Mein Magen schnürt sich schmerzhaft zusammen während die Frau noch einen Schritt näher tritt. Das Licht erreicht ihr Gesicht.
Meine Beine drohen nachzugeben. Mir wird schwindelig. Diese schlanke, junge Frau mit den dunklen Haaren und der stumpfen Stimme vor mir gibt sich zu erkennen.
»Denise!«, keuche ich kraftlos, »Aber warum?«
Sie lacht. Dann werden ihre Züge schlagartig wieder ernst.
»Weil er mir alles genommen hat. Miranda war meine Freundin und er hat sie zerstört. Er wusste ganz genau wie labil sie gerade war und es hat ihm Spaß gemacht sie zu zerstören«, höre ich ihre Stimme durch die Stille im Zimmer schallen, »Er sucht sich verletzliche Frauen und macht sie von ihm abhängig. Dann kann er sie besser für sein Vergnügen benutzen. Wie ein armes, vernachlässigtes Kind. Wenn sie ihn langweilen bricht er sie ohne Rücksicht auf Verluste. Er hat Miranda gedemütigt. Sie konnte es nicht mehr ertragen und irgendwann hat er sie einfach fallen lassen. Ich wollte ihr Halt geben, aber Miranda wollte nicht mehr. Sie nahm Tabletten.«
Ich kann nicht glauben was Denise mir gerade eröffnet. Es ist zu grausam.
»Was ist dein verletzlicher Punkt? Was ist deine Schwäche, die er ausnutzt?«, fragt sie mich verhöhnend.
Doch ich kann ihr nicht antworten. Meine Eltern. Der Brand, der mir meine Eltern genommen hat. Justin wusste es von Beginn an. Er wusste, dass ich weder Familie noch Freunde hatte. Ist das mein Schwachpunkt? Benutzt und manipuliert er mich wirklich?
»Erst wollte ich sein Geld«, spricht Denise weiter, »doch das wäre nicht genug. Dann wollte ich ihm seinen Ruf nehmen, aber auch das wäre nicht genug.«
Da zieht sie eine Pistole und richtet sie auf mich.
»Ich werde ihm das nehmen was er mir genommen hat. Ich könnte an seiner Stelle sein. Ich hätte damals den Plattenvertrag bekommen müssen und nicht er. Ich hätte den Rum und er wäre ein Nichts. Dann wäre Miranda auch noch am Leben.«
Alle Luft weicht aus meiner Lunge. Regungslos stehe ich vor ihr, unfähig etwas zu tun.
»Denise, dass...«, versuche ich sie zu beruhigen, allerdings unterbricht sie mich sofort.
In diesem Moment drücke ich auf die Kurzwahl meines Handys.
»Mit dir ist das anders, Leni. Er scheint dich zu mögen. Sofern Justin das überhaupt kann. Ich habe es im Club gemerkt.«
Nun klingt sie aufgeregt, wütend.
»Bitte Denise, nimm die Waffe runter!«, flehe ich laut, aber Denise ist entschlossen.
»Oh nein. Ich hatte dich gewarnt. Du wolltest nicht hören. Ich habe dir gesagt, dass die größte Gefahr für dich von Justin ausgeht. Jetzt muss du lernen.«
Ich spüre wie das Blut durch meine Adern pumpt. Mein Herz schlägt heftig gegen meine Brust, obwohl ich mich nicht von der Stelle gerührt habe.
Ich befürchte zusammenzubrechen und Tränen der Verzweiflung sammeln sich in meinen Augen. Denise legt den Kopf schräg und blickt mich einfach nur an. Ihre Waffe hält sie weiterhin direkt auf mich gerichtet. Ihre Augen sind trüb. Sie wirkt wie in Trance, besessen von ihrem verrückten Racheplan.
»Denise«, spreche ich sie vorsichtig an. »Was soll danach passieren? Wenn du jetzt auf mich schießt, kann es deinen Schmerz nicht lindern.«
Sie schaut mich eindringlich an als sie antwortet.
»Nichts, kann mir den Schmerz nehmen. Er soll das Gleiche fühlen.«
Einen Augenblick überdenke ich was ich gleich sagen werde.
»Das wird er niemals, Denise. Er liebt mich nicht. Ich bin wie die Anderen. Er nutzt mich nur aus.«
Denise schaut verständnislos. Sie ist sichtlich verwirrt von dem was ich ihr gesagt habe. Sie scheint nachzudenken und lässt für einen Augenblick unkonzentriert die Waffe nach unten sinken.
In diesem Moment fliegt die Tür auf und zwei Männer stürzen wie aus dem Nichts auf Denise. Sie fällt zu Boden, wird überwältigt, und die Pistole rutscht über das Parkett vor meine Füße. Ich starre sie an ohne mich nach ihr zu bücken. Ich höre Denise hysterisch schreien, tiefe Männerstimmen und mein eigenes Herz. Da richtet sich einer der Männer an mich:
»Miss Jones, geht es Ihnen gut?«
»Ich... ich denke schon«, stottere ich nickend.
»Die Polizei ist alarmiert und wird jeden Moment da sein«, fügt der Andere hinzu, »Miss Green ist unten. Sie können zu Ihr.«
Mit weichen Knien gehe ich die Treppe herunter, während sich meine Finger um den Handlauf krampfen.
»Miss Jones, oh Gott sei Dank!«, schluchzt Abigail als ich die Küche betrete, »Geht es Ihnen gut?«
Noch bevor ich antworten kann stürzt sie auf mich zu und nimmt mich tröstend in den Arm.
»Mir geht es gut«, nuschle ich. Doch in Wahrheit bin ich mir selbst nicht so sicher.
»Sie sollten gleich Mister Cold anrufen. Er ist bereits im Auto unterwegs und macht sich schreckliche Sorgen«, sagt Abigail.
Wie ferngesteuert nehme ich mein Handy wieder zur Hand. Da klingelt es an der Tür. Die Polizei ist da. Einer der Security-Männer öffnet und geleitet die Polizisten nach oben. Ich drücke auf wählen und schon nach dem ersten Klingeln höre ich Justins Stimme. Er klingt aufgeregt und laut, obwohl er über die Freisprechanlage telefoniert.
»Leni, Baby, ist dir was passiert? Ist die Polizei schon da?«
»Mir geht es gut. Ich bin nur immer noch geschockt. Die Polizei ist gerade gekommen«, meine Stimme bricht ab.
Genau in diesem Moment fällt alle Anspannung von mir ab und mir schießen die Tränen in die Augen.
»Ich komme so schnell ich kann!«, versichert er mir, »Es war sehr klug von dir mich anzurufen, damit ich hören konnte was los ist. Ich habe direkt John und Patrick alarmiert. Ich bin so froh, dass es dir gut geht.«
Es klopft an der Tür. Einer der Beamten tritt ein und unterbricht das Telefonat.
»Miss Jones, wir würden Sie gerne kurz zu dem Vorfall befragen.«
Schnell verabschiede ich mich von Justin und setze mich mit dem Polizisten an den Tisch. Während der kompletten Befragung ist Abigail neben mir und hält meine Hand. Ich bin froh, dass das Gespräch nicht all zu lange dauert, da ich mich plötzlich wie erschlagen fühle.
Mein Kopf schmerzt und meine Beine sind schwer. Denise wurde bereits abgeführt was ich gar nicht richtig mitbekommen habe, und schließlich verabschieden sich die Polizisten.
»Sie sollten sich etwas hinlegen«, rät mir John, einer der Sicherheitsangestellten, »Wir werden vor ihrer Tür stehen. Machen Sie sich keine Sorgen. Ihnen wird nichts zustoßen können.«
Abigail nickt zustimmend. Ich fühle mich so leer, dass ich einfach mache was mir gesagt wird.
Ich gehe die Treppe nach oben und lege mich ins Bett. In meinem Kopf hallen unaufhörlich die Worte von Denise immer wieder und wieder. Ich kann das alles nicht fassen. Die Tränen kommen unaufhaltsam, egal wie oft ich sie mir von den Wangen wische. Mein Herz droht zu zerspringen.
Meine Sicht verschwimmt und ich fühle nichts als diesen Schmerz und eine nie enden wollende Einsamkeit. Dieses Gefühl zieht mich immer weiter in das tiefe Schwarz.
Es lässt mich nicht mehr los. Ich bin verzweifelt und weiß nicht was ich tun soll. Doch als Justin das Schlafzimmer betritt, sehe ich klar. Selbst meine Träume haben mich vor ihm gewarnt.
„Babe, ich bin so froh, dass es dir gut geht."
»Justin, ich kann das Alles nucht mehr. Ich kann nicht damit umgehrn und es macht mir Angst. Du machst mir Angst. Ich werde dich verlassen!«
...
Glaubt ihr, dass Justin Leni kampflos gehen lassen wird? Hat er sie wirklich nur auserwählt, weil er ihre Schwäche ausnutzen wollte?
Fortsetzung folgt ❤😘
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