Sette
»Akte Vierzehn... Ist nicht da.«
Ace verfluchte sich selbst. Esmeray war vor ihm da gewesen und hatte die Akte entwendet. Oder wer sonst sollte es getan haben? Winslow?
Aber warum sollte sie diese Akte gestohlen haben? Welchen Grund hatte sie?
"Mister Doyle." Er sah zu Miss Asterton, die gut einen halben Kopf kleiner war als er.
Sie holte tief Luft. "Ich denke, ich kann ihnen helfen. Sie suchen nach Esmeray, richtig?"
Wie vom Donner gerührt starrte Ace sie an. Er hatte Esmeray mit keinem Wort erwähnt, zumindest nicht vor der Braunhaarigen.
"Aber lassen sie uns zuerst an einen ruhigeren Ort gehen. Ich wette, die Wände hier haben Ohren."
Entschlossen packte Miss Asterton Ace am Handgelenk und zog ihn durch die Villa und beinahe die ganze Stadt.
Sie hielt erst in einem überdachten Weg, der direkt in einem der Kanäle endete.
Dann lehnte sie sich an die Wand. "Vor fünf Jahren starb meine Schwester und einige andere Personen bei einem schrecklichen Vorfall. Das ist, was offiziell bekannt ist."
Sie seufzte und schloss die Augen. "Bei diesem Vorfall ging es darum, dass einer der Arbeiter von einem Gebäudebau durchgedreht ist. Ein kleines Lokal belieferte die Arbeiter mit Essen und jeden Tag waren Schaulustige dort, denn dieses Gebäude sollte besonders werden."
Ace stutzte. "Ein kleines-" Miss Asterton ließ ihn nicht ausreden.
"Einer der Arbeiter drehte irgendwann plötzlich durch. Er hatte eine Pistole und nahm eine Geisel. Er erschoss mehrere Menschen, einige von ihnen, da sie versuchten die Geisel zu befreien. Er wurde verhaftet und erhielt die Todesstrafe. Der Fall wurde so geheim wie möglich gehalten, denn die Firma, sowie der Auftraggeber des Gebäudes, war und unterstand dem Bürgermeister. Es hätte seinem Ansehen geschadet, wäre das an die Öffentlichkeit geraten."
Miss Astertons Stimme zitterte und sie hielt noch immer die Augen geschlossen. Ace ahnte bereits, was ihre nächsten Worte sein würden.
"Das Lokal war das meiner Tante. Meine Schwester, die damals sechzehn war, brachte jeden Tag das Essen zu den Arbeitern. Ich begleitete sie an dem Tag. Und genau an dem Tag, wurde ich zur Geisel."
Übelkeit machte sich in Ace breit. Sie konnte damals nicht älter als Dreizehn gewesen sein und hatte das erlebt.
"Ich hatte Angst. Der Mann hatte eine Pistole und hat mich festgehalten. Er schoss einige Male und tötete damit Menschen. Und dann... Meine Schwester... Und eine andere Person... haben versucht mich da rauszuholen. Ich habe geweint und hatte so eine Angst. Dann hat er wieder geschossen. Sie sind beide umgefallen. Und dann-"
Miss Asterton brach ab. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie zitterte noch mehr als vorher. Instinktiv zog Ace sie von der Wand weg und umarmte sie vorsichtig.
Seine Schulter, auf den sie ihren Kopf gelegt hatte, war schon nach kurzer Zeit von ihren Tränen durchnässt, aber er wartete, bis es ihr wieder einigermaßen besser ging.
Sie löste sich aus der Umarmung und sah Ace fest in die Augen. "Eine der Zeugen war Marianne Clark. Soviel wusste ich noch. Und ich glaube bist heute nicht, dass meine Schwester tot ist. Ich glaube... dass sie Esmeray ist."
"Wie kommen sie darauf?", fragte Ace. "Ich denke, sie haben sich bereits informiert. Vor fünf Jahren, einige Zeit nach dem Vorfall, trat Esmeray das erste Mal auf. Seitdem hat sie nur bekannte Leute umgebracht. Und sie alle hatten eine Verbindung zu Winslow. Jetzt dieser Anschlag auf ihn. Verstehen sie, worauf ich hinaus möchte?"
"Das mag ja alles sein, ändert im Endeffekt aber nichts. Höchstwahrscheinlich wird Winslow morgen sterben. Und wir können das nur verhindern, wenn wir Esmeray noch heute finden."
Miss Asterton biss sich auf die Lippen. "Würde sie gefasst werden, wird sie höchstwahrscheinlich die Todesstrafe erhalten, oder?" Ace nickte. "Was sonst? Sie hat zu viele Leute, noch dazu hochstehende Persönlichkeiten, umgebracht. Da kommt sie nicht mit einem kleinen Bußgeld davon."
Die Braunhaarige schien noch immer mit sich selbst zu hadern. "Auch wenn... sie meine Schwester ist. Sie muss aufgehalten werden."
"Exakt." Ace lehnte sich gegen die kühle Steinmauer. "Sie ist mit Sicherheit noch auf der Insel. Zu nah an der Villa wird sie auch nicht sein. Die Berge schließe ich auch aus. Also bleibt fast nur der Meer-Teil, in dem wir uns gerade befinden. Was würden sie denken, wo würde ihre Schwester hingehen?"
Miss Asterton überlegte. Hier in der Nähe war einer ihrer Lieblingsplätze. Vielleicht ist sie dort." Und wie aus dem Nichts ertönte ein Lachen, dass in dem Gang langhallte.
"Langsam werden sie etwas aufdringlich, Mister Doyle. Vielleicht sollte ich sie aus dem Weg schaffen bevor sie meinen Plan vereiteln." Ace'Augen weiteten sich. "Runter!", zischte er der Braunhaarigen zu und nur um eine Haaresbreite entkamen sie den Kugeln.
Schnell richtete Ace sich wieder auf und rannte in die Richtung, aus der die Kugeln kamen. Noch sah er die Umrisse einer Frau davon laufen, denn tiefer in dem Gang war es dunkel, aber als er ihr gerade nachsetzen wollte, spürte er einen unsäglichen Schmerz in der Schulter.
Ace schrie auf, fasste sich an die durchbohrte Schulter und knickte ein. Miss Asterton stand nach einigen Sekunden neben ihm. "Gehen sie ihr nach! Vielleicht schaffen sie es, mit ihr zu reden! Machen sie schon!", fuhr er sie an.
Miss Asterton zögerte, rannte dann aber Esmeray hinterher. Ace lehnte sich an die kalte Mauer und verfluchte sich selbst erneut. Er hätte nicht so unvorsichtig sein dürfen.
Sobald er sich beruhigt hatte, stand Ace auf und lief, an der Wand gestützt, den beiden nach. Das Blut, dass seinen Mantel hinunter rann ignorierte er.
»Ein Wettlauf gegen die Zeit.«
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