Kapitel 23
~Pov. Hoseok~
Nach wenigen Minuten öffnete sich die Tür und Yoongi kam heraus. Sofort stand ich auf und fragte:„Und wie geht's ihm?" Doch er lief einfach an mir vorbei, weswegen ich ihm perplex nach sah. Schnell folgte ich ihm und musste sogar kurz joggen, damit ich wieder neben ihm lief. „Was ist los?", fragte ich leicht besorgt, doch er ignorierte meine Frage. „Wir gehen. Jetzt." Es war sofort merkbar, dass er nicht darüber reden wollte und ich beließ es dabei. Draußen angekommen sahen wir die anderen an unserem kleinen Bus stehen. Als wir bei ihnen angekommen waren fragten sie sofort wie es Yoongis Vater ging, doch Yoongi drängte sich an den anderen vorbei und stieg ein. „Was hat er denn?", fragte Jimin, doch ich zuckte nur mit den Schultern. Wir stiegen ein und fuhren gemeinsam nach Hause.
Als wir ausstiegen war Yoongi wieder ganz vorne und wir sahen ihm einfach nur verwirrt nach, ehe wir ihm langsam folgten. Da wir alle einen Schlüssel hatten, und so auch Yoongi, stand die Eingangstür und die Haustür zu unserer kleinen Wohnung bereits offen, obwohl wir nur wenige Sekunden später losgelaufen waren. „Glaubt ihr es geht ihm gut?", fragte Namjoon. „Keine ahnung. Hoseok, willst du vielleicht mal nach sehen? Du kommst am ehesten an ihn heran." „Okay.", sagte ich zögernd und lief zu unserem Zimmer. Ich klopfte an die Tür und kurz darauf hört ich ein 'Herein'. Ich betrat das Zimmer und schloss dann wieder die Tür hinter mir. Yoongi saß mit angewinkelten Beinen und an der Wand angelehnt auf seinem Bett und starrte auf die gegenüberliegende Wand. „Geht es dir gut?", fragte ich vorsichtig. Er zuckte mit den Schultern und starrte einfach weiter auf die kahle Wand. Langsam näherte ich mich ihm, bis ich auf seinem Bett saß. „Was ist denn los?" Erneut zuckte er mit den Schultern. Ich seufzte und sagte dann:„Ich möchte dir helfen, das geht aber nicht, wenn du mir nicht sagst was los oder passiert ist." Einige Sekunden sah er die Wand noch an, doch drehte dann sein Gesicht langsam zu mir. Seine Augen wirkten so leer und emotionslos, doch man sah Tränen in ihnen schimmern, weswegen sich meine eigenen Augen weiteten. „Hey, was ist denn los?", fragte ich und legte einen Arm um ihn. Er atmete tief ein, ehe er anfing zu reden:„Mein Vater hat eine Herzkrankheit. Kurz bevor ich geboren wurde hat er ein Spenderherz bekommen. Das weiß ich erst seit eben. Vorhin wurde das Herz vom Körper abgestoßen, doch weil sie ein Herz in der Klinik hatten konnten sie ihn gerade noch retten. Er wäre fast gestorben." Plötzlich kullerte eine Träne über seine Wange, doch er wischte sie schnell weg. „Aber bei Organspenden kann es vorkommen, dass sich die Persönlichkeit verändert. Das war auch bei meinem Vater und deswegen hat er uns so behandelt." Geschockt sah ich ihn an, doch dann liefen unzählige Tränen über sein Gesicht. Nach ein paar Sekunden konnte ich mich aus meiner Starre lösen und zog ihn dann in meine Arme, was er sofort erwiderte. Er fing an zu schluchzen, doch ich merkte, dass er versuchte dies in Grenzen zu halten. „Yoongi, es ist alles gut. Du musst dich nicht fürs Weinen schämen, wirklich. Ich werde dich auch nicht auslachen oder sowas. Es ist okay sich mal auszuweinen.", sagte ich zu ihm, während ich angefangen hatte ihm über sein Kopf und auch seinen Rücken zu fahren.
~Pov. Yoongi~
Diese Worte brachten das Fass zum Überlaufen und keine Minute später lag ich hemmungslos weinend und schluchzend in seinen Armen. Noch nie stand mir jemand bei, wenn ich so sehr weinte, wie ich es gerade tat. Natürlich tröstete mich meine Mutter ein wenig, wenn ich ein paar Minuten weinen musste, doch sich richtig ausweinen hatte ich immer nur alleine unter meiner Decke gemacht. Obwohl, das stimmte nicht. Früher hatte ich noch einen Bären, er war mein einziger Freund, doch mein Vater musste ihn mir natürlich weg nehmen und hat ihn vor meinen Augen zerschnitten und dann verbrannt. Etwas dagegen zu sagen hatte ich mich nicht getraut, dafür hatte ich zu viel Angst vor ihm. Ab dann war ich dann komplett alleine und musste jede Nacht alleine mit der Angst leben, dass mein Vater mir wieder irgendetwas antun würde. Ich hatte fast jede Nacht um mein Bären geweint, auch wenn ich wusste, dass es mir nichts brachte zu weinen. Trotzdem fühlte es sich so an, als wäre ein Freund gestorben. Es klang echt erbärmlich, dass ein Plüschtier mir so viel bedeutete, doch er war mein einziger Freund. Erst nach meinem Abschluss hatte ich jemanden kennen gelernt und er half mir oft weiter, wenn ich mal nicht wusste, was ich machen sollte. Wie zum Beispiel, als ich Hoseok los werden wollte. Diesen Versuch hatte ich allerdings schon lange über Bord geworfen. Er wurde auch zu einem sehr guten Freund, doch leider war das meinem Herzen natürlich nicht genug. Jetzt, wo alles wieder hoch kam, die ganzen Erinnerungen, der ganze Schmerz und die Angst, war Hoseok der einzige, der wirklich bei mir war. Wirklich für mich da war. Jetzt verstand ich auch, wieso mein Herz ihn ausgewählt hatte. Ich fühlte mich in seinen Armen so sicher und abgeschirmt von der Welt, dass es mir nicht einmal peinlich war, wie sehr ich gerade weinte und wie bescheuert ich dabei aussehen musste. Er gab mir das Gefühl von Geborgenheit, was ich noch nie zuvor gespürt hatte. Trotzdem konnte er mich nicht trösten oder mir helfen, doch dass er einfach da war und mich in seinen Armen hielt machte mich glücklich.
Die ganze Zeit über hatte Hoseok nichts gesagt, sondern einfach meinen Rücken und meinen Kopf weiter gestreichelt und mich einfach in seinen Armen gehalten und als mein Blick auf die Uhr fiel realisierte ich, dass er dies schon seit Stunden tat. Und ich verstand nicht wieso. Wieso versuchte er für mich da zu sein? Wieso versuchte er mir zu helfen? Wieso blieb er so lange und hielt mich einfach in seinen Armen, obwohl er durch diese Position sicher Rückenschmerzen bekam? Ich verstand nicht wieso, doch eigentlich wollte ich ihn auch nicht fragen. Ich war auch gar nicht in der Lage ihn zu fragen, dafür weinte ich noch zu sehr. Außerdem hatte ich Angst vor der Wahrheit. Dass er das aus Mitleid machte oder weil es sich gehört. Ich wollte das nicht hören, weswegen ich ihn auch nicht fragen würde.
Nachdem insgesamt drei ganze Stunden vergangen waren kamen keine Tränen mehr. Meine Augen brannten und fühlten sich unglaublich geschwollen an, ich schwitzte wegen dem Mundschutz, mein Hals brannte und war ausgetrocknet und mein Rücken tat von dieser Position sehr weh. Ich fühlte mich unglaublich schlapp an, doch auch auf eine komische Art und Weise befreit und um einiges leichter. Das alles hatte mir wohl mehr zugesetzt, als ich es wahrhaben wollte. „Soll ich dir ein Glas Wasser bringen?", fragte Hoseok, doch ich schüttelte sofort den Kopf. Ich wollte nicht dass er ging. Die ganzen schlechten Gedanken waren nun endlich verschwunden und ich wollte nicht, dass sie wieder zurück kamen. Dass ich mich wieder selber für meine Schwäche fertig machte. „Aber du musst was trinken. Du bist sicher mega dehydriert. Bitte. Ich bin auch gleich wieder da, okay?" Zögernd löste ich mich langsam von ihm und musste noch einmal kurz schluchzen, ehe ich mir mit meinen Händen durchs Gesicht wischte. Ich wollte ihn nicht ansehen, da ich nicht sehen wollte, wie er wahrscheinlich grinste und sich über mich lustig machte. Früher hat sich auch niemand um mich gekümmert, wieso sollte es dann jetzt so sein? Verdammt! Da waren die Gedanken. „Ich bin gleich wieder da.", sagte er und stand auf. Ich nahm mir mit zitternden Händen meinen Mundschutz ab, den ich dann auf meinen Nachttisch legte. Ich wollte ihn nicht mehr tragen. Dafür verband ich ihn viel zu sehr mit meinem Vater. Doch ich wusste, dass ich ihn wieder tragen würde. Aus Angst wieder ausgelacht zu werden. Aus Angst wieder als Monster bezeichnet zu werden. Angst war das Hauptthema in meinem Leben und das leider schon immer. Ich ließ mich von ihr leiten, sie gab mir die vielen Befehle etwas zu tun. Auf bestimmte Art und Weise zu handeln und zu denken. Und das hasste ich so sehr an mir.
Wenige Sekunden nachdem Hoseok gegangen war kam er mit einer Flasche Wasser und einem Glas wieder und blieb kurz stehen, um mich überrascht anzusehen. Sofort sah ich weg und murmelte mit heiserer Stimme:„Ich weiß, dass ich hässlich bin." Nun sah er mich geschockt an, dann aber ein wenig wütend, weswegen ich meine Worte sofort bereute und sich alles in meinem Körper anspannte. Und wieder war die Angst schuld. Angst geschlagen zu werden, Angst angeschrien oder beschimpft zu werden. Meine Hände zitterten auch stärker und ich krallte mich ins Bettlaken, um einen kleinen Halt zu haben und nicht auf der Stelle vor Angst ohnmächtig zu werden, was mir auch schon einige Male passiert war. Dafür wurde ich jedes mal noch schlimmer bestraft.
Hoseok stellte das Glas und die Flasche Wasser auf den Nachttisch und griff nach meiner Hand, weswegen ich unglaublich zusammenzuckte und der Rest von meinem Körper anfing zu zittern. Erst jetzt schien er zu merken, was für eine Auswirkung er gerade auf mich hatte und wieder wechselte sein Blick zu geschockt. „Yoongi beruhig dich, es ist alles gut. Hier wird dir niemand etwas tun, versprochen.", sagte er sanft und legte seine andere Hand auf meine Wange, weswegen ich wieder etwas zusammen zuckte. Die Stelle fing angenehm an zu kribbeln, doch das merkte ich nur am Rande, da die Angst mal wieder siegte. „Es ist alles gut wirklich. Ich bin dir nicht böse, ich bin einfach nur wütend darauf, was dir alles angetan wurde und wie du deswegen über dich denkst. Komm, du solltest etwas trinken.", sagte er, nahm beide Hände weg und befüllte dafür mein Glas, was er mir dann reichte. Vorsichtig nahm ich es mit zitternden Händen und trank es nach wenigen Sekunden leer. „Du solltest vielleicht ein wenig schlafen. Danach wird es dir sicher besser gehen.", meinte er und machte Anstalten aufzustehen, doch schnell griff ich nach seiner Hand und er sah mich verwundert an. Schnell ließ ich sie wieder los und fragte leise:„Kannst du bitte bleiben? Ich habe Angst einen Alptraum zu bekommen." Schon wieder handelte ich aus Angst. „Klar. Wenn du das willst.", sagte er und stand auf, um die Decke unter uns weg zu bekommen. Schnell stand ich auch auf und spürte wie weich meine Knie waren und ich deswegen fast umgefallen wäre, doch ich konnte mich noch beherrschen.
Als die Decke nun zurück geschlagen war legte er sich ins Bett. Ich tat es ihm gleich und kuschelte mich vorsichtig an ihn, wobei mein Herz raste. Er deckte uns zu und legte seine Arme um meinen Körper. Vorsichtig schloss ich meine Augen und spürte wie müde ich eigentlich war. „Yoongi? Dein Herz schlägt echt schnell. Du musst wirklich keine Angst haben. Ich bin für dich da, ich tu die nichts." Meine Wangen fingen an zu glühen und leise murmelte ich:„Ich habe aber gerade keine Angst." „Oh.", hörte ich leise sagen und ich versuchte das ziehen in meiner Brust zu verdrängen. Stattdessen sagte ich:„Danke, dass du da bist. Danke, für alles." Ich spürte wie seine Hand anfing mir durchs Haar zu fahren und ich deswegen ein wenig lächeln musste. „Mache ich doch gerne." Ich lauschte seinem ruhigen Atmen und seinem gleichmäßigem Herzschlag solange, bis ich einschlief.
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