Kapitel 9: Die erste Aufgabe
Der Tag rückt immer näher, der Tag der ersten Aufgabe. Es ist seltsam zu wissen, was die Champions erwartet und wie gefährlich das alles werden kann. Ich habe ehrlich gesagt ein wenig Angst um Harry. Selbst, wenn ich zwanghaft versuche es zu vergessen, geistert diese Warnung, diese absolut seltsame und unergründliche Warnung durch meinen Kopf. Leider kann ich sie nicht wirklich deuten, ich kann nur spüren, dass das alles für ihn gefährlich ist.
Fred und Georg reden zu Freude Angelinas immer noch nicht mit mir. Langsam fühle ich mich ernsthaft verlassen und allein. Es geht sogar so weit, dass ich länger in der Bibliothek bleibe, um nicht einsam im Gemeinschaftsraum sitzen zu müssen.
Am Samstag, ein wolkenloser Tag mit blauem Himmel und leicht wispernden Wind in den Baumkronen, strömen wir mit der Masse hinaus auf das Quidditchstadion, das für die erste Aufgabe ein wenig umgebaut werden. Während die anderen neugierig rätseln, was sich darin verbergen könnte, muss ich schwer schlucken. Das Unvermeidliche rückt unaufhaltsam immer näher...
Neben mir laufen eine vor Angst und Sorge schweigende Hermine und Ginny, die nur bange das Stadion betrachten. Ich denke Hermine weiß, was darin gefangen gehalten wird...
Während um uns laute Stimmen in die Luft steigen, herrscht zwischen uns eine vollkommene Stille. Das alles hier ist viel zu ungewiss, um munter und fröhlich darüber zu reden.
Wie sonst bei den Quidditchspielen nehmen wir neben den anderen Schülern aus unserem Haus Platz und starren auf den veränderten Rasen. Überall sind hohe feste Schutzwälle errichtet, eine eiserne schwere Kette liegt am Boden und ein leeres Nest liegt auf einem erhöhten Felsbrocken.
„Was zum Teufel macht Charlie hier," brüllt Ginny und zeigt mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihren Bruder, der vor einem riesigen Käfig steht.
Als sowohl Hermine, als auch ich betreten schweigen und zu Boden starren, stemmt sie ihre Hände in die Hüfte und funkelt uns mit ihren braunen Augen gefährlich zornig an.
„Was ist hier los?"
„Charlie ist wegen der Aufgabe hier," antworte ich leicht verlegen.
„Woher weißt du das denn?", hackt Hermine sofort nach.
„Ich habe Charlie im Verbotenen Wald getroffen. Es war die ganze Zeit schon seltsam still und als er dann aufgetaucht ist wurde mir klar, dass sie dort Drachen für die erste Aufgabe versteckt haben," erkläre ich, besorgt das Spielfeld musternd. „Ich wollte es Harry sagen, aber er schien es schon zu wissen."
„Er weiß es sogar noch genauer. Er muss ein goldenes Ei aus den Eiern des Drachenweibchens holen," fügt Hermine zweifelnd ihre Stirn runzelnd hinzu.
„Wieso weiß das jeder aus mir?", beschwert sich Ginny, immer noch böse Blicke verteilend.
„Ist das wichtig?", frage ich sie ein wenig kühl.
„Nun ja ich...", sie stockt und sieht mich ein Grinsen auf ihr Gesicht schleichend an, „warte, du hast Charlie im Verbotenen Wald getroffen?"
Ich hatte schon gehofft, dass sie dieses kleine Detail im Sturm ihres Ärgers überhört hat. Falsch gedacht Ginny überhört anscheinend gar nichts...
„Ich...ich habe ihn da getroffen ja," antworte ich ihren Blick meidend.
„Was ist zwischen Charlie und dir?", frägt Hermine neugierig nach und grinst mich dabei an.
„Zwischen Charlie und mir ist gar nichts. Nur lieben es seine Geschwister zumindest mich damit aufzuziehen," knurre ich in Richtung Ginny, die mich nur weiter feixend anlacht.
„Die beiden wären so süß zusammen," schwärmt sie.
„Ach, hör doch auf," brumme ich konsequent das Ziepen in meinem Herzen ignorierend. Mein Blick fällt noch einmal auf Charlie, der seelenruhig vor dem metallenen Käfig in der Sonne steht. Den Rest meiner Gedanken verbiete ich mir und konzentriere mich daher lieber auf die nahende erste Aufgabe für die Champions. Unsere Lehrer haben sich schon einige ziemlich nervös uns gegenüber versammelt und tuscheln leise miteinander. Die vier Schüler sind bis jetzt nirgendwo zusehen.
Dumbledore erhebt sich und gebietet uns allen Schweigen.
„Herzlich Willkommen zur ersten Aufgabe des Turniers. Wie ihr schon sehen könnt haben wir das Quidditchstadion ihr zu Ehren ein wenig umdekoriert und auch zu eurem Schutz. Denn, die erste Aufgabe wird darin bestehen an einem Drachen vorbeizukommen."
Ein erschrockenes Raunen geht durch die Menge, während Ginny, Hermine und dich uns einfach nur besorgt ansehen. Das beklemmende Gefühl in meiner Brust schnürt mir mittlerweile fast den Atem ab.
„Jeder Champion tritt gegen ein Drachenweibchen an und muss ein goldenes Ei stehlen, das zwischen ihre echten Eier gemischt wurde. Ihr solltet wissen, dass Drachenweibchen ihre Eier aggressiv und bösartig verteidigen, was nicht bedeutet, dass sie generell Monster sind," erklärt er mit ernster Stimme. „Den Anfang macht Cedric. Er tritt gegen den Schwedischen Kurzschnäuzler an."
Sekunden später ertön ein ohrenbetäubendes Brüllen, das Nest füllt sich mit Eiern, das Gitter wird hoch gelassen und ein mittelgroßer Drache stürmt hervor, sich wütend schnaubend und schützend vor seine Brut stellend. Seine Schuppen sind elegant blau-silber und aus seinem Mund dringen gefährlich aussehende blaue Flammen.
Cedric steht am anderen Ende der Arena, zuckt hastig und auch ein wenig ängstlich seinen Zauberstab und verwandelt den nächststehenden Felsbrocken in einen Hund. Begeistert beobachte ich, wie das Drachenweibchen dadurch abgelenkt wird und der Champion vorsichtig in Richtung Nest klettert. Der ganze Tumult, der bellende Hund und Cedric machen das Wesen so wütend, dass es laut stampfend blaue Flammen durch das Gehege schickt und den Hufflepuff kurz bevor er sich das Ei holen kann damit erwischt. Ein erschrockenes Hauchen wispert durch die Menge, doch der Champion holt trotzt seiner Verletzung das Gold schimmernde Ei und flieht zurück in den Eingang, aus dem er gekommen ist.
Kaum versucht niemand mehr ihre Brut zu stehlen, kann sie mit Hilfe von mir vollkommen unbekannten Zaubern von einem seltsam ruhigen Charlie aus der Arena geführt werden.
Ich atme erleichtert auf, lasse für einen Augenblick die Anspannung von mir abfallen und schließe meine Augen. Der erste hat es lebend und wahrscheinlich nur mit einer leichten Brandverletzung geschafft. Die Frage ist nur, ob es allen so gut ergehen wird? Mein Blick in die Richtung der Lehrer verrät mir, dass auch sie sich um ihre Schüler sorgen.
„Als nächstes sehen wir Fleur Delacour gegen den Gemeinen Walisischen Grünlings!", ruft Dumbledore und schon trampelt der nächste Drache lautstark aus seinem Gefängnis. Er ist grasgrün und stampft so fest auf den Boden, dass man das gefühlt hat alles unter einem würde erzittern. Auch Fleur zückt eilig mit einem leicht angstverzerrten Gesicht hastig ihren Zauberstab und schafft es bewundernswerterweise den tobenden Drachen in eine Art Trance zu versetzten. Allerdings atmet er züngelnde Flammen aus, die ihren Rock anzünden. Laut kreischend und verzweifelt löscht sie ihn, sammelt sich dann wieder und schleicht ganz vorsichtig an dem Wesen vorbei. Leicht zittern stielt auch sie das Ei und verschwindet dann in der Dunkelheit, aus der auch Cedric in die Arena getreten ist. Auch jetzt ertönt wieder lauter Applaus, der den Drachen aus seiner Trance reißt. Wieder ist es Charlie, der das magische Wesen seelenruhig aus der Arena führt.
Auch, wenn ich es nicht wirklich wahrhaben will habe ich bei der ganzen Sache nicht nur Angst um die Champions, sondern auch um Charlie. Sicher, er weiß, was er macht, aber Tiere können unberechenbar sein. Und Drachen können einfach nun mal tödlich sein, wenn sie es wollen.
„Als nächstes sehen wir Victor Krum, der gegen einen Chinesischen Feuerball antreten wird!", kündigt uns Dumbledore den nächsten Kampf an.
Wieder stürmt ein Drache aus dem hochfahrenden Gitter, völlig außer sich wegen seiner unbewachten Brut. Mit seinem scharlachrot glänzenden, glatten Schuppenpanzer und dem löwenähnlichen, von einem Kranz goldener Stacheln umgebenen Gesicht sieht er besonders prächtig und eindrucksvoll aus.
Krum starrt das Wesen wenig beeindruckt an und schickt einen schimmernden Fluch ab, der den Drachen direkt in seine Augen trifft. Augenblicklich ertönt ein schmerzerfülltes Brüllen, das Weibchen bäumt sich auf und kommt donnernd mit ihren Füßen wieder auf dem Boden ab. Ich kann sehen, wie Charlie wiederwillig sein Gesicht verzieht und sich von dem Kampf abwendet. Krum scheint das alles allerdings nicht zu interessieren. Er hastet auf das Nest zu.
Der von Schmerzen geplagte Drache wird vollkommen wild. Er stampft durch das Gehege und achtet dank des Fluches dabei kaum noch auf seine Eier. Hermine entfährt ein leiser Schrei, als Krum fast von einem der riesigen Füße zerquetscht wird. Sie kann wohl dem Sucher ähnlich wie alle anderen auch nicht wiederstehen.
Meine Aufmerksamkeit liegt allerdings nicht bei Krum, der sich das Ei gerade noch stehlen kann und hastig verschwindet, sondern auf Charlie, der fast mit dem Drachen mitzufühlen scheint. Es berührt mich auf eine seltsame Weise, dass er sich so sehr mit diesen Geschöpfen verbunden fühlt. Er kann den Chinesischen Feuerball mit einem Zauber heilen und beruhigen und führt auch ihn schließlich aus der Arena.
„Unser letzter und damit vierter Champion tritt gegen den ungarischen Hornschwanz. Applaus für Harry Potter!"
Ich falle nur zögernd in den Beifall an. Ehrlich gesagt habe ich immer noch ein wenig Angst um den Viertklässler. Harry tritt mit leicht wackligen Beinen dem Drachen entgegen. Das Geschöpf gleicht einer riesigen schwarzen Echse mit gelben Schlitzaugen und bronzefarbenen Hörnern. Sie hat sein gewaltiger, sehr beweglicher Schwanz, der rundum mit harten, langen Stacheln gespickt ist. Ich schlucke schwer.
„Accio!", schallt seine Stimme durch die Arena. Der Drache brüllt auf und stürmt, seinen riesenhaften Mund weit aufreißend auf ihn zu. Ich halte vor Schock den Atem an, überzeugt davon, dass der Junge gleich sterben wird. Doch im letzten, im wirklich aller letzten Moment schwingt sich Harry auf seinen herbeifliegenden Feuerblitz und entgeht damit um Millimeter den Flammen des Drachen. Ich falle jubelnd und erleichtert in den allgemeinen Beifall ein.
Tatsächlich schafft es Harry mit absolut spektakulären Flugmanövern das Drachenweibchen zu reizen und gleichzeitig ihren weit reichenden Feuerflammen zu entkommen. Das Wesen schlägt allerdings noch wie wild mit seinem langen stacheligen Schwanz um sich. Hermine kreischt erschrocken auf, als dieser Harry streift und fast vom Besen haut. Doch Harry hält sich tapfer, provoziert den Drachen weiter so lange, bis dieser brüllend von seinem Nest abrückt und sich der Sucher das in der Sonne Gold glitzernde Ei schnappen kann und unter Jubel und Applaus zurück in den Eingang fliegt, aus dem er gekommen ist.
Ich klatsche erleichtert in meine Hände. Ein Teil der Last, die schwer auf meinem Herzen lag, fällt endlich von mir ab. Allerdings kann ich weder vergessen, dass es noch zwei weitere Aufgaben gibt, noch, dass irgendwer, der im Inneren mit mir verbunden ist, mich vor etwas gewarnt hat. Und mit jedem Überleben von Harry kommt die Gefahr, die ich spüren konnte, immer näher...
Dumbledore holt nach ein paar Momenten die Champions zu sich und gebietet uns erneut allen Schweigen.
„Die erste Aufgabe ist hiermit abgeschlossen," ruft er, seine Stimme über die gesamte Arena hallend. „Jeder der vier Champions hat es geschafft, das Goldene Ei zu holen. Nun kommen wir zur Punkteverteilung und der Platzverteilung. Viktor Krum und Harry Potter führe mit gleicher Punktzahl!"
Applaus donnert von den Rängen wieder, in den ich begeistert einfalle. Vielleicht gibt es Dunkelheiten in der Zukunft, vielleicht dort Gefahren, aber was wäre das Leben, wenn man nicht den Moment leben würde?
„Den dritten Platz belegt Fleur Delacour und den vierten Cedric Diggory!"
Auch hier ertönt wieder lauter Beifall. Für eine Sekunde trifft mein Blick den von Dumbledore. Er runzelt kurz die Stirn, mustert mich für einen Wimpernschlag, bevor er sich abwendet und seine Arme in die Lüfte streckt. „Wir sehen uns alle bei der zweiten Aufgabe für die Champions wieder!"
Ein wenig verwirrt folge ich der Masse, die wie wild aus dem Stadion drängt. Unwissentlich und vollkommen in meinen Gedanken versunken falle ich immer weiter zurück.
Weiß Dumbledore von dem, was ich gesehen oder besser gesagt gefühlt habe? Oder weiß er sogar, was dahintersteckt, was es genau bedeutet und woher es kommt? Hat er eine Erklärung für diese Verbindung, für diese starke Magie, die mich überall hin verfolgt? Könnte er mir Antworten auf all diese ungeklärten Fragen geben? Oder war es nur Zufall, war sein Blick nur willkürlich und ohne Bedeutung?
Eine Stimme dringt an mein Ohr, weit entfernt von der Welt in meinem Kopf. Erschrocken fahre ich auf, kehre zurück in die Wirklichkeit und drehe mich verwundert um.
„Evelyn?"
Überrascht stelle ich fest, dass Charlie auf mich zueilt. Die Schülermasse verschwindet unterdessen in dem von der Sonne gold gekrönten Schloss, weiterhin laut jubelnd und feiernd.
„Charlie," erwidere ich, verwirrt meine Haare hinter mein Ohr streichend. Er hat mich brutal aus meinen Gedanken gerissen.
„Hey, ich...ähm...habe dich so ganz allein gesehen und dachte mir, dann kann ich mich wenigstens noch verabschieden," stammelt er, offensichtlich unsicher, was er überhaupt sagen soll.
„Oh, du gehst wieder?", frage ich überflüssigerweise.
„Ja, wir bringen die Drachen zurück in die Reservate. Der Ungarische Hornschwanz kommt wieder nach Rumänien, in das, in dem ich arbeite," erklärt er lächelnd, während er sich locker durch seine Haare fährt.
„Das, was Krum gemacht hat, das hat dir nicht gefallen, oder?", frage ich vorsichtig.
„Das hast du gesehen?", erwidert er lachend. „Nein, ich mag es nicht, wenn Tiere leiden. Weißt du, Drachen sind normalerweise echt nicht so. Aber, wenn man Weibchen bedroht, während sie brüten, naja, dann wollen sie ihre zukünftigen Kinder einfach beschützen. Das ist was Natürliches und nicht monsterhaft."
Er wirkt tatsächlich verärgert über die Art, wie diese magischen Wesen heute dargestellt wurden. Ein Lächeln huscht über meine Lippen.
„Es sind unglaublich schöne Wesen," sage ich leise mein Blick gen Boden gerichtet, „so mächtig und stark, nicht?"
„Ja," stimmt er mir eifrig mit einem gewissen glühen in den Augen zu, „sie sind wunderbar. Du glaubst nicht wie unglaublich es ist mit ihnen zu arbeiten."
„So begeistert, wie du immer davon erzählst, glaube ich dir jedes Wort," antworte ich grinsend. „Naja, dann bring dein Ungarischen Hornschwanz gut Nachhause. Und wenn du weiter so von deinen Drachen erzählst, dann musst du mir mal zweigen, wie sie sind, wenn sie nicht gerade brüten."
Er lacht laut, was mein Herz schneller schlagen lässt. Er hat so ein fröhliches, schönes und mitreißendes Lachen.
„Vielleicht nehme ich dich echt mal mit nach Rumänien," sagt er und er scheint es tatsächlich ernst zu meinen, was mich ein wenig verwundert. „Richte den zwei Chaoten, Ron und Ginny schöne Grüße von mir aus. Und dir wünsche ich noch ein schönes Schuljahr."
Er lächelt mich an, so warm und irgendwie liebevoll. Er macht einen zögernden Schritt auf mich zu und nimmt mich in den Arm. Normalerweise ist das zwischen uns immer ein kurzer Abschied, doch heute, heute, wo wir ganz allein im Schatten von Hogwarts stehen, drückt er mich viel länger gegen seine starke Brust.
Ich schließe die Augen, genieße diesen Moment. Ich kann sein Herz schlagen hören und spüren, wie seine Rippen sich senken und heben. Es fühlt sich an, als würde er mich halten in dem Sturm meines Lebens, es fühlt sich an als würden seine straken Arme mich davor retten können in den Strudel, in den unendlichen Abgrund gezogen zu werden, der sich immer wieder in mir auftut.
Ich öffne meine Augen erst wieder, als er mich loslässt und sich mit einem letzten nervösen Lächeln von mir Verabschiedet, bevor er in der sich senkenden Sonne davongeht. Ich sehe ihm eine Weile nach, bevor ich mich abwende und eilig Richtung Schloss laufe.
Als ich durcheinander und zunehmend verwirrt im Gemeinschafstraum ankomme, dröhnt mir laute Musik, viele Stimmen und Gelächter entgegen. Wenig begeistert muss ich feststellen, dass eine Art Siegesfeier im vollen Gange ist. Seufzend versuche ich mich zu ordnen und mich durch die laute Menge in Richtung Treppe zu drängen. Bevor ich allerdings mein Ziel erreichen kann, packen mich zwei Arme links und rechts und ich werde erbarmungslos zu einem der freien Sofas geschleift.
„Jungs, lasst mich los," quengle ich genervt.
„Gleich, Evelyn, wir wollen dir nur was sagen," erwidert Georg. Die Zwillinge sehen mich ungewohnt ernst an. „Es tut uns leid, dass wir dich ignoriert haben. Es war vollkommen bescheuert von uns zu denken, dass Harry seinen Zettel mit Absicht in den blöden Kelch geworfen hat."
Ich starre zwischen den beide hin und her. Ehrlich gesagt habe ich absolut nicht mit einer Entschuldigung gerechnet. Ich hatte sogar schon ein wenig die Hoffnung aufgegeben, dass sie sich je wieder bei mir entschuldigen.
„Ich hoffe du kannst uns verzeihen," murmelt Fred, unsicher aufgrund meines Schweigens.
„Ja, schon gut, vergeben und vergessen," erwidere ich sanft lächelnd.
Eigentlich sollte ich böse auf die zwei sein, schließlich haben sie die letzten Wochen kaum ein Wort mit mir gewechselt. Aber irgendwie kann ich das nicht. Sie sind mir so wichtig. Ich brauche sie einfach in meinem Leben, und zwar beide.
„Kann es sein, dass du dich gerade davonstehlen wolltest?", frägt Fred breit grinsend.
„Ich habe absolut keine Lust auf Feiern," brumme ich wenig begeistert.
„Das hast du nie und trotzdem wird es jedes Mal legendär, wenn du es trotzdem tust," sagt George lachend, was auch mir ein Grinsen entlockt. Jaja, gute alte Geschichten.
„Das hebe ich mir für den Weihnachtsball auf," erwidere ich nur kopfschüttelnd.
„Trotzdem wirst du dich jetzt nicht einfach verkrümeln," beschließen die beiden für mich, hieven mich hoch und stoßen mich direkt in die laute tanzende Menge.
Erst jetzt entdecke ich das Buffet, das Fred und George offensichtlich aus der Küche gestohlen haben müssen. Grinsend stelle ich fest, dass sie ein paar ihrer Scherzartikel daruntergemischt haben. Flammende rote Haare tauchen neben mir auf und Sekunden später grinst mich Ginny an.
„Na, haben sich meine Brüder endlich wieder mit dir vertragen?", frägt sie neugierig. Ich nicke nur als Antwort. Ich überlege kurz ihr die Grüße von Charlie auszurichten, allerdings habe ich weder Lust auf die darauf folgenden Sticheleien und zusätzlich will ich diesen magischen Moment schlicht und ergreifend ganz für mich alleine haben.
„Du siehst nicht so aus, als hättest du wirklich Lust auf diese Siegesfeier," bemerkt sie nach ein paar Sekunden des Schweigens.
„Habe ich auch nicht," erwidere ich schulterzuckend. „Ich habe selten Spaß auf Partys, außer..."
„...sie hat ne Menge Feuerwisky getrunken," beendet ein plötzlich auftauchender George.
„George!", rufe ich empört und funkle ihn böse an. Ginny bricht in schallendes Gelächter aus und der rothaarige grinst mich nur unschuldig an.
„Das ist also das Geheimnis um den Zaubertrank, der dich zum Feiern bringt," erschließt sich Ginny lachend, was ich nur mit einem Nicken quittiere.
„Blödmann," brumme ich Richtung George, was ihn allerdings nicht wirklich beeindruckt.
Er grinst mich nur an und bietet mir seine Hand an. Ich zögere kurz, bevor ich sie annehme und er mich in die Mitte der tanzenden Menge zieht, Ginny zurücklassend.
George ist jemand, der immer bedingungslos für mich da ist, ganz gleich, ob er weiß, was los ist oder nicht. Fred ist da anders. Er bohrt so lange, bis man ihm sagt, was passiert ist. Obwohl sich die beiden gleichen wie ein Ei sind sie im Herzen, tief in ihrem Herzen doch ein wenig unterschiedlich. Ich kenne diesen Feinheiten, weil ich die zwei über Jahre hinweg kennen lernen durfte.
„Ich habe dich vorhin mit Charlie reden sehen," flüstert George in mein Ohr, als er mich unerwartet nah an sich heranzieht. Prompt werde ich rot und senke meinen Blick. „Dass du dich in ihn verliebt hast habe ich schon lange gescheckt. Aber jetzt ist mir auch klar geworden, dass er auch etwas für dich empfindet."
Überrascht sehe ich auf und runzle meine Stirn. Georg mustert mich mit seinen schokoladenbraunen Augen.
„Woher willst du das wissen?", frage ich skeptisch.
„Er ist mein Bruder, Evelyn," erwidert er nur lächelnd.
„Und warum ziehst du mich nicht damit auf? Warum machst du keinen Witz darüber?", frage ich verwirrt.
„Ich bin nicht Fred," erwidert er grinsend. „Ich weiß, wie weit man gehen sollte und wo man seinen Mund halten soll. Also bleibt diese Beobachtung meinerseits einfach unter uns."
Ich lächle ihn dankbar an. Und auch, wenn ich krampfhaft versuche es nicht zuzulassen, lassen Georges Worte über Charlie mein Herz ein wenig schneller schlagen. Ich weiß, dass ich es absolut vermeiden sollte, aber in mir keimt Hoffnung, Hoffnung darauf, dass Charlie eines Tages tatsächlich so fühlen könnte wie ich...
Und hier wäre ein weiteres Kapitel. Ich mag Charlie mit der Zeit immer und immer mehr, aber George wird immer mein Liebling bleiben!
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