Kapitel 4: Ein Schloss voller Hoffnung
„Beeil dich, Teddy," rufe ich gestresst durch das Haus. Eilig schlürfe ich meinen Kaffee aus, binde mir blindlinks meine Haare hoch und wirble herum.
Lautes Poltern erdröhnt von den Treppen und Sekunden später taucht der Wuschelkopf meines Bruders auf. Er schimpft bepackt mit einem riesigen Koffer vor sich hin.
„Wenn du noch weiter so trödelst verpassen wir den Zug," murre ich kühl.
Jedes Jahr wieder sind wir spät dran, ganz gleich wie oft ich mir vornehme es dieses Mal früher zu schaffen. Hastig und ein wenig zerstreut schnappe ich mir das Flohpulver am Kamin und drücke Teddy eine Handvoll davon. Es gibt einen Zauberkneipe ganz in der Nähe des Bahnhofs, an dem die wir seit Jahren immer ankommen. Ich nicke Teddy zu.
Er stellt einen Fuß in den Kamin und schließt seine Augen, sein Koffer fest umklammernd.
„Marrys Pup!"
Es gibt einen leisen Knall und er ist verschwunden. Ich atme auf. Zögernd nehme auch ich mir ein wenig Flohpulver. Anders als Teddy verharre ich eine Sekunde, lasse mein Blick durch das kleine Haus schweifen. Es ist fühlt sich an, als würde ich eine Welt verlasse und eine ganz neu betreten, ein ganz magische...
„Marrys Pup!"
Meine Stimme hallt durch den Raum und ist das einzige, was von mir bleibt, bis auf aufgewirbelter Staub und ein leichter Windzug. Alles beginnt sich zu drehen und zu drehen, so heftig und schnell, sodass mir fast übel wird. Meine Hände klammern sich verzweifelt an meinen Koffer, der an mir zieht wie ein schweres Gewicht.
Ich kann den Raum sehen, den kleinen Hinterraum des Pups, wie er immer näherkommt und immer größer wird. Eine Person mit verwuschelten Haaren taucht vor mir auf, bevor ich mit einem lauten Krachen und Ächzen lande. Ein wenig mürrisch grabble ich aus dem Kamin, schleife meinen Koffer hinterher und klopfe mir den Staub von den Klamotten, sowie aus meinen Haaren.
„Können wir gehen?", frägt Teddy mit einem Seitenblick auf mich.
Ich nicke nur wortlos, einen hastigen Blick auf die Uhr werfend. Wir sollten uns tatsächlich beeilen, wenn wir den Zug nicht verpassen wollen. Eilig stürmen wir aus dem Raum, ich voran, nicken der alten Wirtin freundlich zu und treten aus dem düsteren Pup ins helle Tageslicht.
Es ist ein schöner Herbsttag mit tanzenden Blättern auf den Straßen und dem singenden Wind. Allerdings haben wir keine Zeit das Spiel der Natur zu bewundern, sondern hetzten sichtbar sehr zu Teddys Bedauern eilig durch die gefüllten Straßen von London direkt auf den Vorplatz des Bahnhofes zu.
Menschen rempeln sich an, bahnen sich mit ihren Ellenbögen den Weg durch die Menge. Keiner achtet auf uns zwei Kinder, die verzweifelt mit zwei großen Koffern und einem winzigen Raben, der treu auf Teddys Schulter sitzt, versuchen zu dem großen verglasten Eingang zu kommen. Als wir es endlich geschafft haben erwartet uns in der meterhohen Innenhalle mindestens genauso viele Menschen, die uns alle mit einem schrägen Seitenblick in ihrer Hast ansehen.
Das ignorieren wird beide allerdings gekonnt und rennen angesichts der voranschreitenden Zeit zum Gleis 9 an dem viele Muggel alle in grau gekleidet und mit einem schwarzen Hut genervt auf ihren Zug warten. Wenn sie nur wüssten, was für eine andere, viel magischere Welt gleich neben ihnen existiert, wenn sie nur wüssten, welche Wunder das Leben mit sich bringen kann.
Furchtlos renne ich auf die Mauer zwischen dem Gleis 9 und 10 zu. Ich habe es schon so oft erlebt, den Moment, wenn es sich für eine Sekunde so anfühlt, als würde man tatsächlich dagegen rennen, bevor man einfach hindurchgleitet, ungeachtet jeglicher Naturgesetze, die durch Magie einfach außer Kraft treten.
Und dann stehe auf dem Gleis, auf dem Gleis 9 ¾ , welches mich jedes Jahr aus neue in mein drittes Zuhause bringt. Der rote Zug steht schon bereit. Rauch steigt in den blauen Himmel auf, Eltern verabschieden sich von ihren Kindern, Koffer poltern durch die Gegend und Eulen kreischen unruhig auf. Und mitten drin stehen wir, wie jedes Jahr ganz allein, ohne Abschied, ohne Eltern. Es zieht immer wieder in meiner Brust, versetzt mich ein Stich und schenkt mir eine weitere Erinnerung, die ich nicht mit ihr teilen kann.
„Wir sollten uns beeilen," rufe ich meinem Bruder zu, der ein wenig verloren neben mir steht. Ich weiß, dass es ihm zusetzt, dass es ihn beschäftigt und verletzt, aber ich kann nichts dagegen tun.
Wortlos drängeln wir uns durch die sich verabschiedende Menge unsere Blicke gen Boden gesenkt. Ich helfe Teddy seinen schweren Koffer in den Zug zu hieven, bevor ich selbst einsteige. Ich sehe nicht zurück, ich sehe nie zurück. Jedes Jahr verlasse ich ein Leben von dem ich ganz genau weiß, dass es nie wieder leben werde sobald ich Volljährig bin und einen Abschluss habe. So weh es auch tut, ich werde davon abwenden müssen, von meinem Leben und von meiner Mom. Die Magie ist ein Teil von mir und ganz gleich, was geschieht ich werde sie niemals von mir abstoßen können.
„Eveleyn," rufen zwei bekannte Stimmen. Ich nicke Teddy zu, der zu seinem besten Freund ins Abteil eilt.
„Hey, Jungs," begrüße ich meine Lieblingszwillinge und setzte mich zu ihnen in das noch halb leere Abteil. Schweigend donnere ich meinen Koffer auf die Ablage und setzte mich dann neben einen schweigenden Fred. Sie wissen, dass ich den Tag hasse...
„Wir war die Quidditch-Weltmeisterschaft sonst?", frage ich leise.
„Es war ein grandioses Spiel. Du hättest wirklich dabei sein müssen!", erzählt Fred sofort mit funkelnden Augen. „Die haben gespielt, das kannst du dir nicht vorstellen. Vor allem Krumm war unschlagbar."
Doch bevor er weiter erzählen kann wird die Abteiltür aufgerissen und Angelina und Katie grinsen zu uns herein.
„Fred und Georg," ruft Angie hysterisch. Ich kann sie nicht leiden. Sie verdrängt mich sofort von dem Platz neben Fred, sodass ich ganz ans Fenster gequetscht werde. Ich seufze in mich hinein. Katie nimmt neben Georg platzt und schließt die Tür hinter sich.
„Und wie war die Weltmeisterschaft? Ich hab den Artikel gelesen und bin heilfroh, dass euch nichts passiert ist. Ich habe mir schon solche Sorgen gemacht," fängt sie an zu reden, woraufhin ich meine Stirn ans Fenster lehne und hinaus auf das Gleis starre.
Ein lautes Tüten ertönt und Sekunden später setzt sich der Zug ganz langsam in Bewegung. Ich beobachte schweigend, wie er an den winkenden Gestalten vorbeizieht, bis sie in der Ferne verblassen. Landschaften ziehen am Fenster vorbei, Wälder, Seen und Felder.
Es ist ein Teil von mir, dass ich mich Menschen kaum öffnen kann und daher meist unsichtbar, vollkommen unbemerkt bleibe in größeren Gruppen. Manche sagen ich wäre schüchtern, aber das stimmt nicht. Ich brauche nur lange, um mich jemanden zu öffnen. Die Zwillinge sind wie Geschwister für mich, bei ihnen kann ich mich fallen lassen und ich selbst sein. Aber bei anderen halte ich mich zurück, hülle mich in Schweigen und werde dadurch meist unsichtbar.
Der Zug rattert leise, Stimmen schwirren undeutlich durch die Luft und Angies Geplapper scheint nicht aufhören zu wollen. Ich schließe meine Augen, genieße die Dunkelheit, die auf mich einwirkt. Ich kann spüren, wie ich der Welt entgleite, wie ich einfach durch die Realität rutsche und ganz in mich versinke, in mein inneres Selbst. Ich würde sagen, dass hat noch nie jemand gesehen. Noch nie hat jemals tatsächlich direkt in meine Seele geblickt.
Fred und Georg kennen mich gut, bei ihnen kann ich manchmal witzig und ironisch sein, bei ihnen kann ich reden und meine Unsicherheiten über Bord schmeißen. Aber das ist nur die gute Seite, das positive, was ich vor allen anderen verstecke. Es gibt so viele andere Dinge, die tief in mir begraben sind.
„Evelyn?"
Ich tauche auf, tauche aus eisigem Wasser auf, zurück in die Realität, in das, was wir glauben, was unsere Realität eben ist.
„Was?", frage ich leise ein wenig verwirrt, dass sie mich überhaupt anspricht.
„Was hast du für ZAG-Ergebnisse?", frägt sie.
„Ganz gute," gebe ich zurück. Ich bin niemand, der mit Noten angebe. Mein Inneres selbst wirft mir einem kritischen Blick zu. Na gut, vielleicht kann man auch sagen, dass ich generell mit nichts jemals angebe.
„Was heißt das, lauter Annehmbars," witzelt Angi ein wenig arrogant.
„So in der Art," brumme ich, wie immer mein eigenes Licht in den Schatten anderer stellend. Fred wirft mir einen Blick zu, doch ich schüttle kaum merkbar den Kopf. Nur diese zwei Menschen scheinen tatsächlich immer zu wissen, was ich denke und was ich bin.
Und wieder fängt Amy an zu brabbeln. Freds Blick ignorierend sehe ich erneut aus dem Fenster. Dunkle Wolken ziehe sich am Himmel zusammen, brauen sich zu einer düsteren schwarzen Gewitterfront zusammen. Leise beginnt der Regen beginnt leise gegen das Fenster zu prasseln, die Landschaft draußen trübt sich ein und nimmt ein gewissen tristen grauen Ton an. Der Herbst scheint endgültig über England eingebrochen zu sein, insbesondere, um so weiter wir nach Norden fahren.
Das Gespräch, an dem ich wie erwartet nicht beteiligt bin, dreht sich weiter, dreht sich im Kreis und wird durchzogen von Angies Stimme. Die Stunden ziehen vorbei, wie die Landschaften am Fenster. Der Zug rattert vor sich hin.
Irgendwann packe ich unauffällig meine Inears aus, stecke sie in mein Ohr und drücke auf meinem alten Ipod auf play. Musik erdröhnt in meinen Ohren, nimmt mich an der Hand führt mich fort, weit weg von diesem Ort in eine Welt voller Melodie, Worten und Gesang. Ich schließe meine Augen und lasse die Lieder mein Herz berühren. Fast bei jedem einzelnen Song kenne ich den Text und wispere ihn stumm mit leichten Lippenbewegungen mit. Ich liebe Musik über alles. Es gibt so viele Lieder, die mir aus der Seele sprechen, die das sagen, was ich in mir behalte und worüber ich nicht spreche. Für mich ist Musik die einzige Möglichkeit meine gut verborgenen Gefühle auszudrücken.
Die Dämmerung bricht herein und Angie hat tatsächlich immer noch nicht aufgehört zu reden. Man kann nur einen schmalen Roten streifen am Horizont vom Sonnenuntergang sehen. Der Rest ist verdeckt durch dunkle Wolken und getrübt durch den konsequent anhaltenden Regen.
„Ich geh kurz aufs Klos," murmle ich, kaum beachtet von Angie und husche möglichst leise aus dem Abteil.
Der Gang ist vollkommen leer. Aus den Abteilen ertönen leise Stimmen, die die Luft mit leben füllen. Schweigend husche ich wie ein Schatten, ein Schatten meiner selbst, an den vielen Menschen vorbei, bevor ich im Klo verschwinde. Es ist ziemlich klein und mit einem hässlich Neonlicht beleuchtet. Mit zittrigen Fingern stemme ich meine Hände auf das Waschbecken und blicke direkt in den Spiegel. Ich bin ganz blass, wie ein Geist. Ich kann sehen, wie meine Finger leicht beben. Schweigend öffne ich den Wasserhahn und spritze mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht.
Ich kann spüren, wie meine Gedanken beginnen zu rotieren, wie sie mich in einen Strudel ziehen wollen, dem ich kaum entkommen an. Ich schließe meine Augen, versuche standzuhalten, versuche den Schutz aufrecht zu halten, bevor alles einbricht und beginnt sich wie wild zu drehen.
„Du siehst es, du siehst es," wispert die Stimme in mir. Ich will es nicht hören doch sie ist in mir, tief in mir verankert und somit kann ich ihr nicht ausweichen, ganz gleich, was ich versuche. Ich öffne meine Augen wieder. Ich wirke immer noch unglaublich blass. Das Wispern wird lauter, steigert sich bis zu einem hysterischen Kreischen.
Stolpernd drehe ich mich um und hasste in die Kabine, die Tür laut hinter mir zuschlagen. Wie in Hypnose knie ich mich hin, beuge mich über die Kloschüssel und stecke mir meinen Finger in den Hals, so weit, dass er kommt, der Kotzreiz, der Reiz sich zu übergeben.
Schwankend richte ich mich auf und spüle runter. Ich lehne mich gegen die Wand, meine Augen geschlossen. Die Stimme verstummt, sie ist gesättigt, aber eben nicht für immer. Sie wird wiederkommen.
Ich wollte es nicht mehr tun, doch an Tagen, an dunklen grauen Tagen, an denen ich mit meinen Gedanken ganz allein bin, da passiert es immer wieder. Ich kann nichts gegen den Strudel tun, die stets abwärts rasende Spirale in mir. Ich kann die Stimme nicht ausschalten oder ignorieren, ich bin ihr schutzlos ausgeliefert.
Ich öffne meine Augen wieder und trete aus der Kabine, als wäre nie etwas gewesen. Nach all den Jahren versuche ich gar nicht mehr mich zu maßregeln oder mir einzureden, dass es das nächste Mal anders sein wird, dass ich mich das nächste Mal der Stimme wiedersetzten werde. Denn es wird nicht so sein. Es wird immer genauso ablaufen wie jetzt. Schweigend spritze ich mir noch mal Wasser ins Gesicht, spüle kurz meinen Mund aus und schlüpfe dann aus dem Klo.
Der Gang ist nicht mehr ganz so leer. Schüler treten aus ihren Abteilen, um ihre Umhänge anzuziehen, den ich schon Zuhause unter meinem weiten Mantel getragen habe. Hastig schlüpfe ich zurück in unser Abteil. Fred wirft mir kurz einen Blick zu. Er scheint tatsächlich ein Gespür dafür zu haben, wann ich etwas Blödes gemacht habe oder nicht.
Es ist dunkel draußen. Während die anderen weiterreden, blicke ich wieder aus dem Fenster. Es regnet immer noch. Schweigend beobachte ich, wie die Tropfen an dem dicken Glas herabgleiten und leise dagegen prasseln. Ich schließe meine Augen. Meine inne Stimme schweigt. Ich kann nicht einmal ein Echo von ihr hören. Ich hasse es, wenn sie schreibt, aber manchmal ist es viel schlimmer, wenn ganz still in mir ist, wenn ich die Ruhe vor dem Sturm spüren kann und nicht weiß, was ich tun soll.
„Eve," ich werfe Fred einen bösen Blick zu, „wir sind gleich da."
„Ich weiß," murmle ich in mich hinein. In der Dunkelheit kann man schon die schemenhaften Schatten des Bahnhofes ausmachen.
Während Angelina, Katie und Georg das Abteil verlassen hieve ich meinen Koffer unter dem Freds stechenden Blick von der Ablage.
„Was," murre ich ein wenig genervt.
„Nichts," sagt er, sich von mir abwendend. Er weiß es, er weiß es immer.
Schweigend verlassen auch wir unser Abteil und reihen uns in die Schlange von Schülern, die alle auf die Ankunft am Bahnhof warten. Ein Stimmengewirr wispert durch den Gang, wie ein Echo gerade vergangener ausgesprochener Worte.
Ich bin still und versuche Teddy in der Menge auszumachen. Ich kann ihn nicht wirklich loslassen. Er wird für mich immer der kleine Bruder bleiben, dem ich laufen beigebracht habe, dem ich abends Geschichten vorgelesen habe und den ich letztes Jahr durch sein erstes Schuljahr in Hogwarts begleitet habe. Dadurch, dass unsere Mom nichts von dieser Welt wissen will, fühle ich mich manchmal dafür verantwortlich in dieser Beziehung für ihn da zu sein.
Ein heftiges Rucken geht durch den Zug, ein lautes Quietschen ertönt und der Hogwarts Express kommt zum Stehen. Eine Hektik bricht aus. Schüler drängen sich ihre riesigen Koffer hinter sich herschleppend zum Ausgang. Ich verdrehe innerlich meine Augen. Es wird schon keiner hier drin vergessen.
Als auch ich endlich ins Freie trete, verziehe ich mein Gesicht. Der Regen prasselt vom Himmel, ein eisiger Wind pfeift mir um die Ohren und Schüler schupsen und drängeln sich an mir vorbei. Ein wenig genervt bahne ich mir einen Weg durch die durcheinander laufenden Menschen, immer Ausschau haltend nach zwei großen rothaarigen Jungs. In dem ganzen Trubel habe ich meine Lieblingszwillinge nämlich verloren.
„Evelyn!"
Ich drehe mich um und entdecke Fred, der mir winkt. Zu meinem Widerwillen steht bei ihm auch Angie, die natürlich schon wieder plappert. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich sie noch ertragen kann. Seufzend stelle ich mich zu der Gruppe, mein Blick gesenkt. Der Regen beginnt meinen Mantel zu durchweichen. Eine eisige Kälte zieht sich durch meinen Körper, scheint bis in meine Knochen zu dringen.
„Du frierst, ja," stellt Fred, wie immer ein wenig besorgt fest. „Lass uns schnell eine Kutsche finden, damit wir endlich nach Hogwarts kommen.
Den Todesblick, den mir Angie von der Seite zuwirft, übersehe ich natürlich nicht. Als wir hastig auf die bereits wartenden Kutschen zueilen, tuschelt sie leise mit Katie. Ich bin mir sicher, dass sie wieder über mich lästert. Sie hat es schon immer gehasst, dass Fred und ich befreundet sind, auch, wenn ich bis heute nicht verstehe warum. Fred und ich sind wie Geschwister, fast schon wie Zwillinge und keiner von uns beiden würde jemals auf die Idee kommen, den anderen zu lieben...
Schweigend steigen wir in die Kutsche ein, die wie jedes Jahr von nichts gezogen werden und wie allein den Berg hinauf nach Hogwarts fahren. Angie drängelt sich wie erwartet erneut zwischen mich und Fred. Ich seufze in mich hinein. Wenn sie es unbedingt so will.
Die Kutsche poltert über den holprigen Weg. Ich kann die Bäume sehen, hohe Gestalten, die sich aus de Boden hinauf in den dunklen verregneten Himmel schlängeln. Manchmal stelle ich mir vor, was Mom wohl alles hier gemacht hat. Ob sie auch immer aus dem Fenster gestarrt hat, ob sie auch so fasziniert von Hogwarts war und so unbegabt in Quidditch. Manchmal frage ich mich, ob ich ihr ähnlich bin, ob sie auch eine begabte und fleißige Hexe war. Manchmal wünsche ich mir sie hätte mir davon erzählt, von ihr und ihrer Geschichte.
„Habt ihr eigentlich schon das neuste gehört!", ruft Angie mit ihrer nervigen Stimme. „Es soll dieses Jahr ein Trimagisches Turnier geben. Mein Dad hat das im Ministerium aufgeschnappt."
Ich löse mich vom Fenster und horche auf.
„Was ist das?", frägt Georg stirnrunzelnd.
„Ein Turnier an dem die drei wichtigsten Zauberschulen in Europa teilnehmen. Es findet immer an einer anderen Schule an und wurde eigentlich abgeschafft, weil es zu gefährlich ist," erkläre ich, erneut Angies Blick ignorierend.
„Es gibt noch andere Zauberschulen, als Hogwarts?", frägt Fred ungläubig.
„Natürlich," murre ich augenverdrehend. „Es gibt noch Beauxbatons, die ist in Frankreich und Durmstrang, die ist in Osteuropa. Man unterrichtet dort noch Dunkle Magie."
Die restliche Fahrt komme ich dank Angie nicht mehr zu Wort. Allerdings stört mich das nicht, weil ich sowieso lieber aus dem Fenster starre und die Schatten in der Dunkelheit beobachte. Als wir dann endlich, alle ziemlich durchgerüttelt, endlich da sind, regnet es zu meinem Bedauern immer noch in Strömen.
Seufzend steige ich hinter der quengelnden Angelina aus und ziehe mir meine weite Kapuze ins Gesicht. Dankend nicke ich Georg zu, der mir meinen Koffer vom Wagen hinten hebt.
Erst dann blicke ich richtig auf, richte meinen Blick auf das, was mein Herz im innersten berührt und ein winziges Lächeln in mein Gesicht malt. Hogwarts.
Es kommt mir fast so vor, als könnte ich die Magie dieses Ortes spüren, als wäre ich mit ihm tief im innersten verbunden. Auch, wenn das Wetter trüb ist, wenn dicke Tropfen vom Himmel fallen und es dunkel ist, wirkt Hogwarts wie ein Stern in der Nacht, wie ein Licht der Hoffnung im Krieg, wie eine rettende Insel im tosenden Meer.
Mit einem Lächeln folge ich Georg. Das Schloss erhebt sich über uns, ragt bedrohlich in die Höhe. Es wirkt wie ein Schutz, wie eine Mauer, die einem vor allem schützt, vor allem, was von außen vermag einzudringen.
„Evelyn!"
Neben mir taucht eine kleine durchnässte Gestalt auf.
„Teddy," erwidere ich ein wenig erleichtert, „und wie war deine erste Fahrt mit den Kutschen?"
„Das mit den Booten letztes Jahr war cooler, aber...wie...wer zieht uns denn?", frägt er mich verwirrt, was mich schmunzeln lässt. „Das weiß niemand."
Mit diesen Worten stapfen wir durch die riesigen Eingangstüren in das hell belichtete Schloss. Hier kann ich es noch viel stärker fühlen, die Magie, die durch die Wände pulsiert und in der Luft flimmert. Es fühlt sich an, als würde ich hier hingehören, als wäre dieses Schloss ein Teil von mir, ein Teil meiner Seele und meiner selbst.
Schweigend alles genießend stelle ich meinen Koffer ab und folge dem laut tratschenden Strom in die große Halle, deren Tore bereits weit geöffnet sind. Mein erster Blick gilt der Decke, die nicht vorhanden ist. Sie zeigt den verhangenen regnerischen Himmel, der tatsächlich auch draußen ist. Ich liebe und bewundere diese Magie, diese unmengen an Magie, die allein in dieser Decke stecken.
Glücklich wieder hier zu sein setze ich mich neben Georg und in der Nähe von Teddy an den Gryffindortisch. Ehrlich gesagt wundert es mich, dass der Hut mich damals in dieses Haus geschickt hat. Er hat etwas in mir gesehen, was ich bis heute nicht in mir sehen kann...
Auch heute liegt er wieder auf dem Stuhl, bereit die Erstklässler ihren Häusern und damit ihren neuen Familien zuzuteilen. Dieses Jahr ist tatsächlich niemand dabei den wir kennen, weshalb ich ein wenig gelangweilt beginne mit Georg Zauberschnippschnapp zu spielen.
„Angie steht auf Fred, oder?", frägt er mich irgendwann ganz leise.
„Das merkst du erst jetzt," erwidere ich augenverdrehend.
„Du magst sie nicht," stellt er grinsend fest. Ich schweige nur. „Ich auch nicht und ich hoffe Fred meint es nicht ernst mit ihr."
Ein Lächeln huscht über meine Lippen, während das letzte Kind dem Haus Ravenclaw zugeteilt wird. Jetzt kommt der Teil, der tatsächlich jedes Jahr gleich ist. Der sprechende Hut räuspert sich, alle versuchen mehr oder weniger zu schweigen und er singt sein Lied, über Hogwarts, Freundschaft, unsere Häuser und die Gründer unserer Schule. Als er endlich fertig ist, ertönt ein tosender Applaus, in den ich natürlich einfalle. Georg und Fred trommeln neben mir wie verrückt auf die Tische, was mir ein leises Lachen entlockt.
Und dann tritt unser Schulleiter mit seinem langen grauen Bart und den aufgeweckten blauen Augen an seinen Pult, ein Pult der aus einem Phönix besteht, der nur für ihn seine Flügel öffnet. Der Beifall erlischt, Schweigen tritt ein und hunderte Augenpaare sind auf den alten geheimnisvollen Mann gerichtet, um den sich Geschichten ranken, die man vor Staunen gar nicht zu glauben vermag.
„An alle älteren Schüler, willkommen zurück, an alle unsere neuen, willkommen in Hogwarts. Ich freue mich wieder ein Schuljahr mit euch zu beginnen, ein Jahr voller Freundschaft, Liebe und Unterricht." Er gluckst leise. „Wie jedes Jahr gibt es ein paar alte und ein paar neue Dinge, die ich mit euch klären wollen. Der Verbotene Wald ist wie sein Name schon sagt für jeden von euch verboten, solange ihr nicht in Begleitung eines Lehrers seid. Auf den Wunsch unseres Hausmeisters solle ich alle Schüler," wenn mich nicht alles täuscht, zuckt sein Blick kurz zu Fred und Georg die sich breit angrinsen, „noch einmal an unser Hausregeln erinnern. Denkt daran, dass in den Gängen nicht gezaubert werden darf und ihr ab 21 Uhr in euren Schlafsälen und in euren Gemeinschaftsräumen sein solltet. Weiter Ausführungen könnt Ihr vor Mister Filchs Büro finden."
In diesem Moment ertönt ein lautes Krachen und die Eingangstüren der Großen Halle fliegen auf. Verwundert drehe ich mich um. Ein hochgewachsener Mann tritt in die Halle und humpelt an den Lehrertisch vor. Er sieht beängstigend aus. Sein Gesicht und seine Hände sind voller tiefer Narben, sein Mund wirkt ein wenig unförmig und seltsam schief. Ihm fehlt sogar ein kleines Stück seiner Nase und das einschüchternste ist sein stetig rotierendes Glasauge.
Ich sehe ein wenig beklommen zu Georg, der meinen Blick unsicher erwidert. Wer bei Merlins Bart ist das?
„Alastor Moody," ruft Professor Dumbledore, „oder besser gesagt Professor Moody, willkommen in Hogwarts." Die ganze Schülerschaft ist seltsam still. „Schön, dass Sie eingetroffen sind. Meine lieben Schüler, das hier ist Professor Moody, er wird dieses Jahr Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten."
Ein zögernder Applaus ertönt. Auch ich klatsche nur ganz leise. Der Mann macht mir Angst, wie er da steht mit seinem rotierenden Auge und seinem gezeichneten Gesicht. Er sieht nicht wirklich aus, wie ein Lehrer. Der Mann humpelt an den Lehrertisch und nimmt neben Professor McGonagall Platz.
„Und nun zu meiner letzten Ankündigung," fährt unser Schulleiter ein wenig feierlich fort. „Ich bin mir sicher, dass Gerüchte kursiert sind und das nicht wirklich gut gehütete Geheimnis wahrscheinlich zu einigen von euch durchgedrungen ist. In diesem Schuljahr werden keine Quidditchspiele stattfinden," ein Murren unterbricht den Vortrag, „sondern ein Trimagisches Turnier."
Erneut breitet sich Schweigen in der Halle aus. Diejenigen, die das Gerücht aufgeschnappt haben, nicken wissen mit dem Kopf, während die anderen Dumbledore ein wenig fragend ansehen.
„Das Trimagische Turnier wird von den drei berühmtesten Zauberschulen in Europa organisiert und findet dieses Jahr bei uns in Hogwarts statt, was eine sehr große Ehre für uns alle bedeutet. Zu diesem Anlass reisen Schüler aus Beauxbaton und Durmstrang in den nächsten Wochen an, also zeigt euch von eurer besten Seite. Aus jeder Schule wird mit Hilfe des Feuerkelches ein Champion ausgewählt, der dann allein bei drei magischen Einzelaufgaben antreten wird. Der oder die beste gewinnt am Ende einen Pokal und ein Preisgeld von 1.000 Galleonen gewinnen."
Ein Raunen geht durch den Raum, Flüstern erhebt sich wie die Schwingen eines riesigen Vogels und übertönt Dumbledores Stimme, der mit einem wissenden Lächeln auf die Schüler hinabblickt. Auch Georg und Fred neben mir sehen sich mit glühenden Augen an.
„Damit hätten wir genug Geld für unseren eigenen Laden," flüstert Fred und strahlt seinen Zwilling an. Ein Schmunzeln schleicht sich auf meine Lippen. Die beiden.
„Wenn ich um eure Aufmerksamkeit bitten darf," räuspert sich Dumbledore und verschafft sich damit wieder Gehör. „Es gibt einen Grund, warum dieses Turnier eine sehr lange Zeit nicht stattgefunden hat. Es ist sehr gefährlich und sollte auf keinen Fall unterschätzt werden, weshalb wir drei Schulleiter uns einig waren, dass nur Volljährige Schüler daran teilnehmen dürfen. Und jetzt, Guten Appetit!"
Die sonstige Freude über das reichliche Essen geht in den Protesten und Enttäuschung der jüngeren Schüler unter, die heiß auf das Preisgeld und Berühmtheit sind, die ihnen dieses Turnier vielleicht bringen könnte.
„Mann," brummt Georg enttäuscht. „Wir sind nicht volljährig."
Ich schüttle nur meinen Kopf und lade mir ein wenig Salat und Suppe auf meine Teller. Selbst Fred ist so in seiner Wut vertieft, dass er mir gar keinen besorgten Blick zuwirft.
„Wie kann man verhindern, dass sich keine minderjährigen anmelden?", frägt Georg in meine Richtung.
„Ich schätze Dumbledore beschwört einen Zauber und das war's dann und ich bin mir sicher, dass er mächtig genug ist, sodass ihn niemand brechen kann," antworte ich schulterzuckend.
„Aber wir brauchen das Geld," jammert Georg.
Mit seinem Bruder verfällt er in Beschimpfungen, warum es vollkommen unnötig ist die Champions auf die Oberstufenschüler zu begrenzen, was mich nur zum Lächeln bringt. Wenigstens haben die beiden ehrliche Ansichten und wollen damit nicht berühmt werden, sondern Geld für ihren Traum bekommen.
„Eve?"
„Hmm."
„Würdest du uns helfen, wenn wir versuchen wollen den Zauber zu brechen oder zu umgehen?", frägt Fred.
Ich verschlucke mich fast an meiner gebratenen Kartoffel. Ein wenig belustigt sehe ich die beiden an, in der Hoffnung sie würden nur scherzen, was ich allerdings bezweifle.
„Ihr wollt Dumbledores, ich wiederhole Dumbledores, Zauber brechen?", frage ich und lache dann leise. „Das ist unmöglich, Jungs."
„Und wenn wir eine Idee haben, wie wir es schaffen könnten und wir dich bräuchten, würdest du uns helfen?", frägt Fred erneut.
„Kommt darauf an, was für eine Idee ihr habt," antworte ich nur kopfschüttelnd. „Außerdem bin ich gespannt, was das für eine Idee sein soll."
Die beiden sehen mich ein wenig beleidigt an, müssen aber schnell anhand ihrer Überlegungen, die sie alle gleich wieder verwerfen, feststellen, dass es tatsächlich nicht ganz so einfach ist wie sie es sich vorgestellt haben. Schweigend stochern sie in ihrem Essen rum und werfen mir immer abwechselnd bittende Blicke zu. Irgendwann stöhne ich entnervt auf und funkle sie mit meinen dunklen Augen an.
„Na, gut," murre ich, „ich helfe euch, aber ich kann euch nichts versprechen."
Die Gesichter der beiden hellen sich tatsächlich ein wenig auf und sie grinsen mich glücklich an, was mich nur meine Augen verdrehen lässt. Wenn es ihnen hilft ihren Traum zu verwirklichen, dann bin ich bereit ihnen zur Seite zu stehen.
„Ich glaube nicht, dass ihr den Zauber in irgendeiner Weise brechen könnt, insbesondere, weil wir gar nicht erst rauskriegen welchen Zauber er benutzt," erkläre ich den beiden nachdenklich „Das einzige, was wir tun könnten wäre ihn zu umgehen." Ich schweige kurz, die brennende Blicke der Zwillinge auf mir spürend. „Wenn das müssten wir es mit einem Zaubertrank versuchen. Also sucht nach Zaubertränken und ich braue ihn euch vielleicht."
Und schon wieder verfallen sie in eine Diskussion. Allerdings ist ihr Wissen über Zaubertränke wirklich unglaublich armselig, was mir nur ein Schmunzeln entlockt.
„Und du glaubst du bist in der Lage einen solchen Zaubertrank zu brauen?", frägt Angie neben mir schnippisch. Ich schließe kurz meine Augen. „Ich meine mit einem Annehmbar in Zaubertränke wirst du wohl nicht weit kommen."
Für eine Sekunde überlege ich, einfach nicht zu reagieren, sie einfach zu ignorieren, während sie genüsslich und mit funkelnden Augen ihren Nachtisch ist, ein böser Seitenblick in meine Richtung.
„Kein Kommentar," stichelt sie weiter. „Bist du vielleicht noch schlechter in Zaubertränke?"
Ich weiß nicht, was sie gegen mich hat oder warum sie manchmal so gemein zu mir ist, aber letztlich ist es mir auch egal. Der Nachtisch verschwindet, Schüler stehen auf und die Vertrauensschüler rudern wild mit ihren Armen, um verzweifelt die kleinen Kinder unter Kontrolle zu bekommen.
„Zu deiner Information, ich habe ein Ohnegleichen als Gryffindor bei Snape in Zaubertränke," antworte ich kühl, während ich mich aufrichte.
Mit den Worten stapfe ich ein wenig verärgert davon, den Vertrauensschülern von Gryffindor hinterher, die die aufgeregt plappernden Neuen hinauf in den Gryffindorturm führen. Und obwohl ich sauer und genervt bin, kann ich etwas in mir spüren, etwas, was mich besänftigt mich beruhigt. Etwas, dass auf mich wirkt, mich wie in seinen Armen wiegt und mich herunterbringt. Es fühlt sich eigenartig an, eigenartig stark und mächtig.
Kopfschüttelnd husche ich die beweglichen Treppen hinauf, immer bedacht darauf in die richtige Richtung zu kommen. Fasziniert beobachte ich die Bilder, die sprechen und sich bewegen können. Dadurch, dass ich meine Sommerferien in einem magiefreien verbringe wirkt alles hier auf mich viel stärker, viel anziehender und bewundernswerter, als es vielleicht tatsächlich ist.
Wortlos schlüpfe ich hinter einem kleinen Mädchen in den Gryffindorgemenschaftsraum. Es tut gut wieder hier, das Feuer leise prasseln zu hören, die Aussicht genießen zu können und die weichen großen Sessel wieder in Anspruch nehmen zu können.
Ohne auf die Zwillinge zu warten husche ich die Treppen hinauf in den vorletzten Schlafsaal. Er sieht aus, wie all die Jahre zuvor auch. Drei Betten mit Vorhängen zum Zuziehen, ein separates Bad und große schöne Fenster, durch die man bei Tageslicht die Ländereien um Hogwarts sehen kann. Ohne zu zögern suche ich mir das Bett aus, welches am weitesten von den anderen entfernt steht, fische meinen Schlafanzug aus meinem bereitstehenden Koffer und ziehe die Vorhänge um mein Bett zu, bevor Angie und Katie kommen.
Erschöpft kuschle ich mich in die warme weiche Decke und schließe meine Augen, genieße die Dunkelheit, die sich über mich ergießt. Ich höre noch, wie Angie und Katie den Raum betreten, leise miteinander tuschelnd, bevor ich endgültig dieser Welt entgleite.
Tut mir leid für alle Angie-Fans, aber ich brauch einfach jemand, der fies ist. Und da ist meine Wahl eben auf sie gefallen...
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