Kapitel 12

"Also.. eigentlich hatte ich die ersten Jahre meiner Kindheit eine schöne Zeit. Ich hatte viele Freunde.. hatte Spaß in der Schule und alles. Auch mit meinen Eltern lief alles gut.. bis er kam. Er war ein Bekannter der Familie und sollte auf mich aufpassen, wenn meine Eltern am Wochenende ausgegangen waren. Anfangs.. war er sehr nett gewesen. Wir haben viel zusammen gespielt, er hatte mit mir Hausaufgaben gemacht und so weiter, aber eines Tages zeigte er mir sein wahres Gesicht..", ich stockte für einen Moment, erzählte jedoch weiter, "er schlug mich, er trat mich, er beleidigte mich.. aber.. am Schlimmsten war, dass er mich missbrauchte.. über Jahre hinweg. Niemand wusste davon.. ich war damit alleine, konnte es niemanden erzählen.. ich war 10 verdammt! 10! Dieser Mann hat mir meine Kindheit geraubt.. mir meine Würde genommen.. er drohte mir.. jedes Mal, wenn er sich an mir vergriffen hatte, hatte er mir gedroht. Ein Wort darüber und er würde nicht nur mich, sondern auch all meine Liebsten töten.. meine Eltern, meine Freunde, einfach alle! Also hielt ich dicht und fraß alles in mich hinein. Aber es wurde immer schlimmer.. ich veränderte mich.. wurde schreckhafter, ängstlicher.. ich zog mich zurück und.. und fing an mich selbst zu hassen.. ich fing an, mich vor Menschen zu ekeln.. insbesondere vor Berührungen. Ich ekelte mich vor mir selbst. Ich verlor all meine Freunde, hatte immer wieder Aussetzer. Irgendwann war ich das Mobbingopfer der Schule. Wurde auch dort getreten und ausgelacht... irgendwann war es mir zu viel.. eines Tages hatte er es wieder getan und ich ging ins Bad.. und ritzte mich das erste Mal.. mit 12 Jahren. Und damit begann erst der eigentliche Horror. Ich entwickelte eine Krankheit. Sie nennt sich Autophagie... angefangen hatte es damit, dass ich mir immer über die Wunden leckte, wenn ich mich geritzt hatte. Ich kaute meine Nägel und irgendwann fing ich an, meine Lippen kaputt zu beißen, dass ich immer den Geschmack von Blut im Mund hatte. Aber es wurde schlimmer.. je älter ich wurde..", erzählte ich weiter. Ich traute mich kaum Jin anzusehen und knetete meine Finger. Doch ich riss mich zusammen und erzählte weiter: "mit 14 Jahren hatte ich mich jemanden anvertraut. Wir waren einst Freunde gewesen.. ich dachte, ich könnte ihm vertrauen.. doch am nächsten Tag wusste die ganze Schule davon und das Mobbing wurde unerträglich. Zu Hause.. habe ich dann ein Messer genommen und meinen Arm verstümmelt.. ich hatte mir einen Teil meiner Haut rausgeschnitten... und.. und.. es gegessen". Tränen kullerten meine Wangen hinab und mit zitternder Stimme redete ich weiter: "meine Eltern kamen nach Hause und mussten mit ansehen, wie ich etwas von mir aß.. ich hielt das Messer in meiner Hand und über all war Blut. Und so kam ich in die Psychiatrie. Zwei Jahre. Dort ging es mir besser.. dort mobbte mich keiner, dort fühlte ich mich wohler. Ich konnte runter kommen, mich erholen. Und dort lernte ich Thamina kennen. Wir redeten oft zusammen und halfen uns gegenseitig. Miksu gehörte ich dazu.. sie war unsere Psychologin gewesen".
Nun prasselten die Worte regelrecht aus mir heraus: "als ich entlassen wurde, hatte ich Thamina etwas versprochen und sie mir. Sie sollte mir versprechen, dass sie essen soll.. dass sie gesund werden soll.. ich habe ihr versprochen, dass, wenn sie entlassen wird, wir die besten Freunde sein werden.. und nun ist sie tot.. und ich? Ich habe eine scheiß Angst.. dass ich rückfällig werden könnte.. ich möchte das nicht nochmal durchleben.. und meinen Eltern kann ich das nicht nochmal antun.. aber, durch die Schule und Thaminas Tod.. habe ich Angst, dass es wieder anfangen könnte.. und deshalb möchte ich auch, dass Yoongi sich von mir fernhält.. er ist der Einzige, in der Schule, der nett zu mir ist und wenn er erfährt, was damals geschehen war, dann wird er sich vor mir ekeln und mich verabscheuen".

Ich beendete meine Erzählung und fing an hemmungslos zu weinen. Plötzlich spürte ich zwei Arme, die sich um mich schlangen und mich festhielten. "Shht.. alles wird gut, ChimChim.. ich lass' dich nicht alleine! Du hast jetzt mich und Yoongi ist auch da.. ebenso deine Eltern. Mach' dir keine Sorgen, es wird alles wieder gut", während Jin das sagte, strich er mir über den Rücken. Ich blickte zu ihm hoch und sah, dass er selbst weinte. "Was.. warum weinst du?", fragte ich ihn verwirrt. "Es ist so unglaublich grausam, was dir passiert ist und du hast das nicht verdient und egal was jemals passiert war und passieren wird.. ich werde immer bei dir bleiben und Yoongi sicherlich auch. Er mag dich sehr, Jimin", sagte er schniefend. "Danke.. ich bin so froh, dich kennengelernt zu haben", ich fiel Jin um den Hals und schluchzte erneut. "Nein, ich muss dir danken.. es muss dir sehr schwer gefallen sein, mir all das zu erzählen und es ehrt mich sehr, dass du mir so viel Vertrauen schenkst und ich verspreche dir, niemand wird davon erfahren", entgegnete er. Wieder umarmten wir uns.

"Darf ich deine Narben sehen?", fragte Jin schließlich. "Nur wenn du das willst", fügte er schnell hinzu. Zögernd zog ich die Ärmel meines Pullovers um. Jins Augen weiteten sich, als er die große Narbe sah - das große Quadrat. Sanft strich er darüber, was mich zusammenzucken ließ. "Sorry", murmelte er verlegen und zog seine Hand zurück. "Schon okay", winkte ich ab und krempelte die Ärmel wieder nach unten. "Ich bin echt froh, dass du dich mir anvertraut hast. Das bedeutet mir sehr viel und vielleicht hilft es dir ja, vielleicht kannst du damit noch etwas besser abschließen", meinte Jin schließlich. "Ja.. vielleicht", entgegnete ich.

"Wollen wir etwas essen und dann nach deinem Zimmer sehen?", fragte Jin. "Klar, gerne!", sofort lockerte sich die Stimmung zwischen uns auf.

Es war schön, dass Jin und ich, trotz dass er nun wusste, was passiert war, uns noch so gut verstanden und miteinander normal umgehen konnten. Das zeigte mir, dass Jin ein wirklich toller Freund war.

Wir machten uns Ramen und aßen dann gemeinsam. Es war eine entspannte Atmosphäre und tatsächlich fühlte ich mich um Einiges besser. Mit Jin zu reden hatte richtig gut getan.

"Oh man, das war richtig lecker", Jin rieb sich den Bauch, als wäre er schwanger. Dieser Anblick brachte mich zum Kichern. "He! Was gibt es da zu lachen?", fragte Jin gespielt beleidigt. "Du siehst aus, wie 'ne schwangere Frau, wenn du dir so den Bauch reibst", erklärte ich Jin lachend. Diesmal lachte auch Jin.

"Wollen wir jetzt dein Zimmer anschauen? Vielleicht ist die Farbe schon trocken", fragte Jin. Ich nickte eifrig. Hastig liefen wir die Treppe nach oben und betraten mein Zimmer. Jin berührte mit dem kleinen Finger an verschiedenen Stellen die Wände. "Ich glaube, die Farben sind getrocknet!", jubelte Jin. "Wirklich? Das ist toll, dann können wir die Möbel zurückstellen", jubelte nun auch ich. Ich freute mich auf die neuen Farben in meinem Zimmer. Wir stellten die Möbel allesamt zurück an Ort und Stelle und räumten noch Kleinigkeiten auf. Die Folien brachten wir zurück in den Abstellraum.

"Und was machen wir jetzt?", wollte ich von Jin wissen.

"Ich weiß nicht.. Moment! Ich habe eine wundervolle Idee! Warte kurz", Jin kramte sein Handy hervor und tippte wild drauf herum.

Einige Minuten vergingen, bis er mich grinsend ansah. "Was ist denn?", fragte ich Jin und sah ihn an, als sei er ein Alien vom Mars.

"Hast du Lust, auf eine neue Haarfarbe?".

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