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Ich konnte nicht mal weinen in dem Moment in dem ich es erfuhr - alles in mir war leer, keine Tränen, keine Gedanken. Die Worte danach drangen wie durch einen tiefen Nebel zu mir durch, ich hörte sie, aber verstand nicht. Es war egal, alles war egal. Ich spürte, wie meine Beine weich wurden und ich zu Schwanken begann, Sekunden später saß ich auch schon auf dem Boden neben dem Schreibtisch von kevins Frau. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen, vernebelten meine Sicht. Am liebsten würde ich mich fallen lassen, mich einfach hier auf den Boden legen, aber das ging ja schlecht. Ich konnte kevins Ehepartnerin nicht anschauen - ich wollte ihr verweintes Gesicht und den leicht vorwurfsvollen Blick in ihren wunderschönen blauen Augen nicht sehen. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte, es gab keine Worte dafür. Und so saß ich nur da, wehrlos, willenlos und hörte den schaurigen Erzählungen von kevins Frau zu. Ich wusste nicht, ob ich das alles überhaupt wissen wollte, ob ich mit diesen Gedanken leben konnte. Vor meinem inneren Auge fingen Bilder an zu flackern, bösartig, bunt, so echt, und brannten sich tief in mein Gehirn ein. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und weg gerannt - doch das ließ mein Kreislauf jetzt wohl kaum zu. Das durfte einfach nicht wahr sein, nein, das konnte einfach nicht wahr sein. Nicht Kevin, nicht jetzt, nicht so. Kevins ehepartnerin kniete nun auf Augenhöhe vor mir, ihr Lippen bewegten sich, aber nur wenige Worte drangen bis in meinen Kopf vor. Wortfetzen, so klein und doch so zerstörerisch: „Bettlaken", „fenstergitter", „erhängt", „selbstmord", „hätte nicht allein in der Zelle sein dürfen", „zu spät" und „tot" in mir war alles kalt, wie Eis, so unendlich kalt, dass alles in mir starb, jedes Gefühl, jeder Traum, jede Hoffnung. Meine Finger waren kalt, meine Zehen waren kalt, ich war kalt - mein Herz war kalt. Doch ich fror nicht, ich registrierte diese Kälte nur. Mit der Kälte kam auch die Dunkelheit, wie die Nacht kurz bevor der Morgen graut. Meine Glieder waren so schwer und taub, taumelnd kam ich auf die Beine. Mein Kopf fühlte sich an als würde er gleich explodieren, vollgestopft mit Watte. Gedanken dürfen ruhen, so still, so vergessen. Ich setzte mich an meinen Arbeitsplatz als wäre nichts geschehen, ich würde jetzt meiner täglichen Routine nachgehen, ich musste es, sonst würde es mich vollkommen aus der Bahn werfen. Nicht nachdenken, sich nicht erinnern - auf keinen Fall. Nicht an kevins leblosen Körper, der vor dem Fenster baumelt, denken. Nicht dran denken, was er wohl zuletzt vor seinem Tod gefühlt hat. Nicht dran denken, wie sich die Schlinge um seinen Hals zugezogen hat als seine Füße den Sessel weggestoßen haben. Nicht dran denken, wie es sich angefühlt haben muss keine Luft mehr zu bekommen, wie es sich angehört haben muss als sein Rückgrat brach. Kevin wird in meiner Erinnerung immer der dynamische und geheimnisvolle Geschäftsführer bleiben - unversehrt und voller Lebenslust. In meiner ganz eigenen Welt war die Zeit da stehen geblieben, wo wir uns das letzte mal geküsst haben: im Besuchsraum des Gefängnis, zu einem Zeitpunkt, wo vielleicht noch alles gut werden hätte können.
Was sagt ihr dazu, dass Kevin sich wirklich umgebracht hat?
Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen
Ich schreibe demnächst einen neuen Thriller namens „one More Moment with you" und überarbeite übrigens meine suicide-Squad Fan-Fiction namens „dark paradise"
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