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Der Tag als ich Kevin kurz für einen Besuch im Gefängnis Wiedersehen durfte, bedeutete mir die Welt - es war schließlich nicht leicht gewesen seine Frau davon zu überzeugen ihren 1 besuchstag in der Woche an mich abzutreten. Schließlich vermissten sie und ihre Kinder ihren Mann auch so sehr und kamen mehr schlecht als recht ohne ihn klar. Ich versuchte mir meine Freude über unser Wiedersehen nicht allzu sehr anmerken zu lassen, schließlich wäre es etwas unpassend hier wie ein honigkuchenpferd grinsend herein zu marschieren, wenn ich nicht wusste in welcher Stimmung Kevin grade war. Wir durften uns in einem kleinen bis auf einen Tisch leeren Raum treffen - die Tischplatte trennte uns, er wirkte so weit weg. Er lächelte als er mich sah, aber dieses Lachen erreichte seine Augen nicht, in ihnen war einfach eine große Niedergeschlagenheit. Er versicherte mir mit jedem seiner Worte, dass er sich über meinen Besuch freute und, dass er sich hier schon durchschlug, aber ich wusste, dass zumindest letzteres gelogen war. Der Gips an seinem Arm sprach Bände, genauso wie die aufgeplatzten Fingerknöchel. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was sie ihm hier schon alles angetan hatten, ihm, den lächerlichen wirtschaftsstraftäter. In jedem seiner Worte lag ein solcher Schmerz - gut versteckt, aber ich konnte ihn spüren. Am liebsten würde ich ihn hier hinaus ziehen, ihn retten. Ein einziger Kuss nur, viel zu kurz, viel zu flüchtig. Er war wieder mal unerreichbar. Für mich. Ich werde nie seinen Blick vergessen, seinen gebrochenen Stolz und all den Kummer. Ich wünschte ich würde seine Hand nie mehr los lassen, denn er durfte jetzt einfach nicht mehr gehen. Es fühlte sich an als würde ich ihn allein lassen, in all dem terror und dieser vergifteten Atmosphäre. Ich glaube trotzdem, dass er sich gefreut hat, dass auch mal ich vorbei gekommen war und nicht „nur" immer seine Frau - mich brauchte er weniger „schonen", bei mir musste er sich weniger zusammenreißen. Doch so ganz seine Maske fallen lassen wollte er bei mir auch nicht, um mich nicht noch mehr zu belasten, um mich dran zu hindern mir noch mehr Sorgen zu machen. Doch seine dunklen, müden Augen konnten in dieser Sache nur sehr schlecht lügen. Es fiel mir unendlich schwer ihn hier zurück zu lassen, einen Moment überlegte ich sogar, ob es nicht theoretisch besser wäre, wenn ich hier bei ihm blieb (total hirnrissig, ich weiß) er war hier ganz allein - ein Lamm unter lauter Wölfen. Die ganze trostlose Atmosphäre hier, all der Schmutz, all die furchteinflössenden blicke. Viel zu viele böse Menschen, wirklich böse, brutale, gewissenlose Menschen. Ein dunkler Ort, wo so viel schlimmes geschah, im stillen, im geheimen. Ohne Sonnenschein, wo Hoffnung stirbt und Ungerechtigkeit siegt. Kevin gehörte hier nicht hin, er war hier so fehl am Platz wie Schnee am Äquator. Er war gezwungen hier zu sein, am schiarchsten Ort der Welt, in diesem verließ hier. Ich konnte wieder gehen - ich hatte Glück. Es fühlte sich so falsch an, dass ich frei war und er nicht, moralisch war ich mindestens genauso schlecht wie er.

Glaubt ihr Kevin schafft es irgendwie sich im Gefängnis durchzuschlagen?

Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen

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