Zwanzig

Ihre kinnlangen Haare... Sie funkeln in allen Farben, die einen Angst machen können. Blau, grün, braun, schwarz und lila. Bei jeder kleinsten Bewegung wechseln die die einzelnen Strähnen die Farbe. Sie scheint ein wenig jünger als ich zu sein, doch ihre hellbraunen Augen sind fernab jeden Alters. Ich muss scharf nach Luft schnappen, als sie ihre kleine Nase kraus zieht und die Hand ausstreckt.

Doch nicht, um mir irgendetwas tu tun, stattdessen zeigt sie an mir vorbei auf einen Baum. Just als auch ich dort hinschaue, löst sich vom Stamm noch ein Mädchen, dessen ellenbogenangen Haare so braun sind wie die Farbe die ihres Versteckes.

"Tiffany, schau was ich gefunden habe." Die mit den unheimlichen Haaren hat eine ziemlich hohe Sitmme, mit der sie sich an das Baummädchen wendet, was immer näher an mich heran tritt. Nun kann ich mehr von ihr erkennen, als nur ihre Haare, und was ich sehe, lässt mich staunen. Sie ist so hübsch, wie ich es noch nie an einem Menschen gesehen habe. Mit der gleichen Stubsnase wie die andere mit den bunten Haaren, vollen roten Lippen und grünen Augen schaut sie mich belustigt an.

"Ja Jolie, ich sehe sie doch. Doch was machst du hier?" Ich schrecke auf, als ich bemerke, das die Baunhaarige mich direkt angesprochen hat. Doch die bunte, die offenbar Jolie heißt, antwortet für mich.

"Sie ist eine Myth, und mit so einem heißen Typen durch das Haus hier hingekommen." Sie zeigt auf das halbe Gebäude hinter mir, ehe sie weiterspricht. "Der sah echt heiß aus." Jedenfalls musste ich mich für einen- oder eine- entscheiden. Und habe ich mir die da entschieden. Ich kann diesen Typen ja nicht stalken." Sie fängt an zu kichern, was sich zu einem ausgewachsenden Lachanfall entwickelt.

Die Braunhaarige, die wohl Tiffany heißt, rollt mit den Augen. "Jolie, du Senfkopf, sei nicht so albern! Du blamierst uns." Ein kleines Lächeln huscht über ihre gleichmäßigen Lippen. Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken herunter, allerdings kann ich ihn nicht richtig einordnen. Da zuckt Jolie plötzlich zusammen, als hätte sie einen Stromschlag bekommen. Sofort kommt ihr Tiffany zur Hilfe, und die beiden Flüstern kurz miteinander, wobei mir immer wieder Blicke zugeworfen werden.

Dann wendet sie sich wieder mir zu: "Du bist also unter Anietas Schutz? Shit."

Verwundert frage ich: "Wie?", doch eine Antwort bekomme ich nicht. Jolie antwortet also für Tiffany auf meine Frage. "Ich hab eben einen Impuls bekommen, der dich umgibt. Und dieser war so stark, das er nur von Anieta stammen kann. Die übertreibt bei ihrem Besitz immer gerne ein bisschen..."

"NEIN TUT SIE NICHT!", ruft Tiffany dazwischen und wirft einen Blick in den Himmel, und auch Jolie schlägt sich erschrocken auf den Mund. Die beiden schweigen eine Minute lang, ehe sie synchron aufseufzen. "Glück gehabt", murmelt Jolie. Die beiden sind einfach nur so komisch, dass ich einen Lachanfall durch einen Hustanfall kaschieren muss, was allerdings die Aufmerksamkeit der beiden wieder auf mich lenkt.

"Was denkst du, sollen wir mit ihr machen?" fragt die bunte Jolie nun. Irgendwie klingt der Ton, mit dem sie diese Worte ausspricht, allerdings überhaupt nicht so diabolisch wie die Bedeutung, die sie für mich haben. Tiffany runzelt mit der Stirn. "Ich weiß nicht, könnte Probleme geben, wenn wir uns mal ausprobieren. Also denke ich..."

Sie bricht ab, um mich nachdenklich anzublicken. Dabei macht sie irgendetwas komisches mit ihrer Hand, was, wie ich erst eine Sekunde später bemerke, das Gras auf dem ich stehe, in Flammen setzt. Erschrocken springen sowohl ich als auch Jolie einen Schritt zurück, nur das es mich noch Ärger in Gefahr bringt. Mit der identischen Handbewegung wie Tiffany bringt Jolie das Feuer durch plötzlich auftauchendes Wasser zum erlischen. Na super, jetzt sind meine Schuhe nicht nur angekokelt, sondern auch noch nass. Eine tolle Kombination. Meinen eigentlich fälligen Kommentare werden alleridings von Tiffanys Aufquietschen übertönt: "Oh Scheiße, das wollte ich nicht!" Sie geht einen Schritt auf mich zu und streckt die Hand aus. Ich weiche erschreckt zurück, wobei ich allerdings auf der Pfütze, die sich zu meinen Füßen bildet, ausrutsche und dann doch an Tiffanys Arm festklammere, um nicht im Schlamm zu landen.

Sofort kommt mir Jolie zu Hilfe. Sie zieht mich wieder hoch und muss sich offensichtlich sehr einen ausgewachsenen Lachanfall verkneifen. Allerdings verliert sie den Kampf und prustet laut los "Oh man, du solltest mal deinen Gesichtsausdruck ansehen. Der ist einfach KÖSTLICH", kichert sie und bringt mich mit einer ausladenen Handbewegung beinahe wieder zu Fall.

Tiffany befreit sich mit energischen Schritten von dem Chaos und schaut sich nachdenklich Jolie an. "Mein Gott, Sis. Wenn ich nicht wüsste, das wir Zwillinge wären, würde ich jetzt glatt deine Eltern anzweifeln." Jeder andere hätte spätestens jetzt beleidigt sein müssen, doch Jolie nehmen die Worte ihrer Schwester nur einen kleinen Teil ihres Funkelns. Sie räuspert sich und rückt ihre etwas verschobene Kleidung wieder zurecht, ehe sie mich anspricht. "Darf ich fragen, ob du vielleicht alleine den Weg nach Hause findest oder ob wir dir helfen sollen." Ich blicke sie verdutzt an. "Wie, nach Hause?"

Tiffany seufzt genervt auf. "Natürlich in die Mytakemie, du Depp. Wenn du unter Anietas Schutz stehst, dürfen wir dich halt nicht anrühren. Oh, und noch als kleiner Tipp: Wenn du das nächste Mal alleine in den Wald rennst, oder auch zusammen, und auf andere Hexen triffst... Denk nicht, dass du immer ungestraft davonkommst. Wenn wir schon unsere Prüfungen durch hätten, wärst du jetzt nur noch in alle Himmelsrichtungen verstreuter Staub..." Dies ist das letzte, was ich wahrnehme bevor ich wieder das Bewusstsein verliere.

Als ich aufwache, bin ich allein in meinem Zimmer. Alles schlißt auf einen Traum, jedenfalls so lange ich auf meine Füße schaue. Meine Schuhe kann ich vergessen, die sind total kaputt.

Seufzend rappele ich mich von meinem Bett auf und ziehe meine total verdreckten Kleidung aus. Nachdem ich eingemummelt in meinen Bademantel und mit vom duschen noch nassen Haaren sämtliche verchmutzen Sachen in den Wäschekorb gestopft habe, ziehe ich meine ersatzschuhe an und mache mich mit meinen alten auf den Weg zum Container. Als ich gerade auf einer besonders knarzenden Treppenstufe im ersten Stock stehe, öffnet sich eine der vielen Holztüren, was ich aber erst bemerke als Emma vor mir steht. Meinen erschockenden Satz nach hinten ignoriert sie, dafür ist es anscheindend viel zu spannend, herauszufinden was in der Tüte ist, die ich in meiner Hand halte. In dieser sind die total verkohlten, aufgeweichten und verformten Schuhe. Ich hatte sie ja vor einiger Zeit zusammen mit meinem Ballkleid gekauft und dann mühsam die neongrüne Farbe herausgefärbt. Wenn Emma sie sieht, sind unangenehme Fragen schon vorprogrammiert. Und ich bin nicht blöd und habe vom letzten Mal gelernt. Ich habe nur Probleme bekommen, als ich von meiner Begegnung mit Hexen berichtet habe. Dieses Mal wird alles anders sein.

"Nichts", sage ich also schnell und verstecke die Tüte hinter mir. Doch so leicht gibt sich Emma nicht geschlagen. Sie zieht eine Augenbraue hoch und mustert mich. Mir ist das ziemlich unangenehm, sodass ich verzweifelt nach einer Möglichkeit suche, das Thema zu wechseln. Da entdeckt mein hektischer Blick eine kleine Tatsache, die jedoch unheimlich immens ist. Nämlich der Raum, aus dem Meine Schulkameradin gerade verlassen hat; es ist das Zimmer meines Lehrers Fiet. Mir bleibt der Mund offen stehen. Emmas Blick ist erst von meinem Gesichtsausdruck verwirrt, dann aber scheint sie zu verstehen. Zumindest wenn ich ihren plötzlich hochroten Kopf richtig interpretiere.

"Es ist nicht das, wonach es aussieht", sagt sie dann doch tatsächlich.
"Wonach sieht es denn aus?" frage daraufhin mit zusammengepressten Zähnen. Zum Glück deutet sie meinen krampfhaften Versuch, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen, falsch. Ich will sie nämlich noch ein bisschen zappeln lassen, ehe ich durchblicken lasse wie egal es mir ist was sie so treibt. Emma jedenfalls wird noch ein bisschen röter, falls das überhaupt noch möglich ist, immerhin gleicht sie jetzt schon einer Tomate.

"Weißt du, ich hatte noch was wegen der... Abschlussarbeit mach... ähem klären. Weißt du, ich hab ja Fallen bauen als Hauptfach und..." sie räuspert sich verlegen und schaut auf den Boden. Nun schaffe ich es doch nicht mehr, ernst auszusehen und fange laut an zu lachen. Das Mädchen kann aber echt gar nicht Schauspielern!

"Mein Gott, Emma! Mir ist doch wirklich egal, was du in Fiets Zimmer um..." Ich schaue auf meine Armbanduhr, die in der Bademanteltasche untergebracht ist. "...elf Uhr in der Nacht so treibst. Und es geht mich auch nichts an, also...", doch weiter komme ich nicht, ehe mich Emma unterbricht. Dies sogar sehr effektiv, indem sie mir um den Hals fliegt und leise anfängt zu schluchzen.

"Aaaalta", kann ich nur noch murmeln, ehe der Damm ganz gebrochen ist. "Weißt du, ich habe es doch versucht, zu verdrängen! Es...Diese Gefühle fingen so fuchtbar plötzlich an und jetzt laufe ich wegen jeder Kleinigkeit zu ihm, nur um in seiner Nähe zu sein..."

"Wie, du hast es ihm noch nicht gesagt?"

"Nein, natürlich nicht! Er ist mein Lehrer, das ist verboten!" .Nun liegt es an mir die Stirn kraus zu ziehen. "Ich erinnere dich an deine Worte, als du vermutet hast, ich würde auf Fiet stehen... Das kann einem doch egal sein. Wir sind keine gewöhnliche Schule, Noten egal. Wenn du nicht aufpasst, stirbst du."

Sie nickt leicht und wischt sich mit der linken Hand über die Nase. "Er hat sowieso keine Gefühle für mich..." Und während wie weiterspricht, zieht sie mich wieder die Treppen hoch. Das Mädchen sieht so am Boden zerstört aus, dass ich es einfach nicht übers Herz, sie an den Beutel in meiner Hand zu erinnern und mich zu empfehlen. Mit dem Gedanken, die Beweisstücke zu meiner Begegnung mit zwei jungen Hexen gleich morgen wegzuschmeißen, schleiche ich hinter Emma her in eine Nacht, die aus vielen Tränen und Wörtern bestehen wird, aber ohne ein Ergebnis.

Am nächsten Morgen fühle ich mich wie gerädert. Emma hat die ganze Nacht geredet und wenn nicht, dann hat sie geweint und ich musste irgendwo Taschentücher auftreiben. Dagegen bin ich mit meinem Liebeskummer echt harmlos.

Doch egal wie müde ich bin, in den Unterricht muss ich trotzdem. Selbst wenn er mit Mathe das schlimmste, langweiligste und unnötigste Fach ist. So geht es auch meinen Stufenkameraden, die sich schon fleißig beschweren, als ich in den Speisesaal eintrete.

"...Ja, ich weiß. Warum braucht man das in der Mytakemie überhaupt? Was bringt es uns?" ein Mädchen mit kurzen braunen Haaren kräuselt die Nase. Weil es mich wirlich interessiert, was sie sagen, breche ich meinen eigenen Grundsatz und setze mich mit meinem weißen Plastiktablett auf den alten, schon sehr abgenutzen Holzstuhl an dem Tisch meiner Stufenkameraden. Meine plötzliche Anwesenheit wird nur mit einem leichten Nicken  dingens, denn das eigentliche Thema ist einfach viel zu interessant. "Ich finde es einfach nur so furchtbar unnötig", ergreift die braunhaarige wieder das Wort, woraufhin einige andere zustimmend brummen. Der Junge neben ihr, ich glaube er heißt Pascal, sich räuspert. "Ich denke, sie wollen einfach nur das wir auch mal unseren Kopf benutzen."

"Soll das heißen, sonst benutze ich meinen Kopf nicht?" Entrüstet schnappt die braunharige nach Luft. Pascal rudert zurück: "Nein, das will ich nicht! Ich meine nur das man sich ja nicht immer über alles beschweren sollte, einfach nur weil einem etwas nicht passt."

Das Mädchen bekommt einen roten Kopf und ehe irgendjemand etwas tun kann, holt sie aus und schlägt Pascal voll ins Gesicht. Im gleichen Moment stehen alle auf und folgen dann dem Mädchen aus dem Speisesaal. Zurück bleiben nur den sich die knallrote, geschwollende Wange haltende Pascal und ich, die mit offenem Mund die Tür anstarrt. "Was um Himmels Willen war das?", frage ich schockiert. Erst da sieht mich der Junge zum ersten Mal richtig an.
Seine braunen Augen sehen aber keineswegs wütend aus, eher traurig. "Das geht schon länger so. Sie mag es eben nicht, wenn ich anders bin." Er zuckt mit den Schultern. Ich blicke verwundert zurück: "Wieso denn anders?"

Pascals Blick wandert in die Ferne, es wirkt fast so als ob er diese Frage schon häufiger beantworten musste. Doch ehe er anfangen kann zu erzählen, fällt mir etwas auf: "Dein Name hat gar keine vier Buchstaben!" Überrascht blickt er wieder zu mir, dann nickt er. "Ich bin kein richtiger Myth."

Mit diesen Worten lässt er mich alleine, zusammen mit einer kalt gewordenen Packung Kakao und vielen Fragen.


Nach gefühlten Jahren bin ich endlich mit dem neuen Kapitel fertig. Da meine Privatlektorin momentan nicht da ist, stecken vermutlich hunterte Fehler drin, aber egal. Ich verbessere es einfach später. Ich habe mehrere Versuche gebraucht, die Geschichte in die richtige Bahn zu bringen, und das hat echt viiiel Zeit gekostet.

Dann habe ich noch eine klitzekleine Frage: Was ist eigentlich eure Lieblingsperson in der Story? Das interessiert mich schon soooo lange und ich würde mich über jeden Kommi ganz dolle freuen :)


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