Simulator

Als auch der Mittagsunterricht beendet ist, kann ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Hinter der Mytakemie ist ein tiefer Wald, in denen die besten Myths geübt haben. Auch wenn dieser Ort als verwunschen gilt, weil er gleichzeitig die Stadtgrenze zu Maurizio markiert, ist das der Ort meines Lieblingsfachs.
"Maya, wir gehen heute in den Wald, und es wäre super, wenn du heute weder verschwindest noch  wieder irgendendeinen Abhang runterrutscht. Wie bei den letzten Malen."
Ich bemühe mich, keine Grimasse zu ziehen, schließlich ist Fiet mein Lehrer. Trotzdem finde ich seine Äußerungen mehr als gemein. Selbst, wenn er nur Tatsachen aufgelistet hat, aber so ist er halt.
Als sich sämtliche Schüler eingefunden haben, beugt sich Fiet über eine gigantische Holzkiste, um sie zu öffnen. Nachdem sie dies mit einem schaurigen Quietschen getan hat, stelle ich mich auf die Zehenspitzen und schaue über die Köpfe meiner Mitschüler auf eine ansehnliche Auswahl verschiedener Waffen. Fiet ergreift das Wort: "Ich habe euch jetzt schon eine Weile nicht mehr gesehen, weil ich auf Hexenjagd war." Er legt eine bedeutungsschwere Pause ein, in denen die Schüler unruhig zappeln. Auch ich würde am liebsten rufen, dass mein Lehrer schnell sagen soll, was unsere Aufgabe sein wird und wir dann anfangen können.
"Also, wo war ich? Ach so. Ich denke, diese Pause hat euch gut getan, sodass ihr heute das erste Mal alleine in den Wald gehen könnt, um ein paar Hexensimulatoren den Tod zu bringen."
Ich halte gespannt die Luft an. So etwas habe ich mir immer schon gewünscht!
Also schlucke ich meinen Stolz runter und möchte mich schon zur besten Gruppe des Kurses stellen, als Fiet mich ruft: "Maya, dich habe ich in diese Gruppe eingeteilt." Und in der Schrecksekunde, als ich zu denen schaue, die an ihren Handys verbotende Nachrichten schreiben, wird auch noch der Wink gegeben, dass man sich Waffen nehmen kann und die einzige, die nach dem ersten und zweiten Ansturm noch da ist, ist eine Steinschleuder. Ich schaue sie fassungslos an. Wie soll ich denn damit irgendjemanden besiegen? Ich habe mir mal in Waffenkunde ein Steinschleudermatch mit Lyan geliefert, aber obwohl wir sehr brutal vorgegangen sind, mussten wir nicht mehr als ein paar blaue Flecken verkraften.
"Was habe ich für ein Glück", seufze ich noch, ehe sich Fiet vor den Wald stellt und uns auffordert, uns in den Gruppen eine Strategie auszudenken. Meine tolle Gruppe schert sich einen Scheiß darum.
"Also Gruppen, versammelt euch. Wer einen Simulator zerstört hat, bringt ihn zu einer Sammelstelle, die ihr euch macht. Wer die meisten oder den am besten versteckten Simulator zu seinem Sammelpunkt bringt, hat gewonnen. Los geht's!"

Sofort rennen alle los, auch ich. Dabei denke ich, wie schade es ist, das Lyan und ich nicht im gleichen Kurs sind.
Sofort schweifen meine Gedanken ab. Ich muss daran denken, wie meine Mutter ausgesehen hat, als ich ihr meine Einladung für das Stipendium in der Mytakemie gezeigt habe. Sie hat so unfassbar enttäuscht ausgesehen. Da war mir klar, dass ich gehen musste. Ich habe mich bei der Familie, die mich aufgezogen hat, nie richtig zuhause gefühlt. Meine Mutter hat mich zwar geboren, aber nie richtig als Tochter angesehen. Diese Tatsache hat es mir sehr leicht gemacht, zu gehen.

Ein Pfeil überrascht mich und ich kann mich nur durch einen Hechtsprung auf den feuchten Waldboden retten. Er scheint schon sehr lange geflogen zu sein. Erst da fällt mir auf, dass ich meine Gruppenkameraden nicht mehr sehe.

"Typisch Maya. Es hat kaum angefangen und du hast dich schon verirrt", murre ich und drehe mich um, den Bogenschießer zu finden. Vielleicht kann ich Fiet bitten, die Anderen anzurufen, damit ich abgeholt werde.
Nur... Wo ist denn der Rückweg? Ich drehe mich verwundert im Kreis. Ich muss wohl sehr tief in Gedanken gewesen sein, anders kann ich es mir nicht erklären, so tief in den Wald gegangen zu sein. Durch das dichte Laub kommen die Sonnenstrahlen nur gedämpft, und doch sehe ich, das sie tiefer steht als vorher.
Ich ziehe meine Mytakemie-Jacke enger und setze mich auf einen umgestürzten Ast. Ich weiß nicht, warum, aber irgendetwas hält mich davon ab, nach Hilfe zu suchen. Langsam ziehe ich meine Jacke wiederaus und stopfe sie in den Rucksack, auch wenn mich so der eiskalte Wind schonungslos erwischt. Doch die Verhaltensübung hat bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen.
Ein leises Knacken wie das Geräusch eines zerbrechenden Stockes ertönt. Schließlich entscheide ich mich dennoch dazu und will in meine Tasche greifen, als ich mich plötzlich nicht mehr bewegen kann. Nun werde ich sterben, denke ich, wohl wissend, dass die künstliche Intelligenz nicht hexen kann. Und im selben Moment sagt eine unbekannte, männliche Stimme: "Na, wer bist denn du?"
Mir stockt der Atem.

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