Kapitel 2

„Wie heißt du überhaupt?“
Er schenkte ihr ein arrogantes Lächeln, bei dem zwei spitze Eckzähne aufblizten.
Es waren die Zähne eines Raubtiers.
Sie passten zu einem Dämon.
„Mein Name ist Cole. Und Eurer?“, stellte er sich, überraschend charmant und höflich, vor. Zumindest höflicher als bei ihrem Zusammenstoß, bei dem er mehr ein Rüpel gewesen war.
„Ava Collins… Was bist du?“, fragte sie neugierig, obwohl er ihr bereits gesagt hatte, was er war. Vielmehr wollte sie wissen, um welche Art Dämon es sich bei ihm handelte.
Sie war neugierig.
Wenn sie schon einmal die Gelegenheit hatte, sich mit einer der seltsamen Kreaturen zu unterhalten, von denen sie seit Jahr und Tag, begleitet wurde, konnte sie das auch ruhig ausnutzen.
Oder würde ihre Neugier sie doch noch in die Verdammnis mitreißen?

Er gab ein Geräusch von sich, das wie ein einsilbiges Lachen klang. „Denkt nicht, dass ich Euch alles erzählen werde, nur weil ich gewillt bin, Euch wegen Eures Problems zu helfen.“
Ava grunzte auf.
„Kannst du auch normal reden? Wir leben im Einundzwanzigsten Jahrhundert und nicht im Jahr Siebzehnhundert.“ Zustimmend nickte er, doch er antwortete nicht darauf und führte sie in den Wald.

Sie glaubte, dass sich dieser immer weiter verdunkelte, doch wenn sie sich umdrehte, war es strahlend hell.

>>Seltsam<<, dachte sie.
In der Ferne tat sich immer mehr die Gestalt einer alten brüchigen Hütte auf, die komplett von Moos bewuchert war und fast schon mit dem Hintergrund der Bäume verschmolz.
Nur ungern würde sie dort hineingehen.
>>Wahrscheinlich lauern dort Ratten!<<
Obwohl Ava nicht zimperlich war, was Dreck und Gestank anging, behagte ihr der Gedanke an Ungeziefer, das sie beißen und mit etwas anstecken können würde, das sie nicht haben wollte, gar nicht.
>>Ob meine Tollwut Impfung noch gültig ist?<<

„Nur Dämonen können dieses Haus sehen, eingeschlossen Eurer Mickrigkeit.“
Dass er sie so herabsetzte war nun wirklich unnötig.
Misslaunig verzog sie ihr Gesicht.
Sicher würde sie noch öfters von ihm zu hören bekommen, was für eine unnützes Dasein sie führte, eingeschlossen der gesamten Menschheit. In Coles Augen war sie bloß eine Art Ungeziefer, vermutete Ava.
Wie die Ratten, an die sie immer noch denken musste, als die modrige Tür, mit einem lauten Knarren, von Cole geöffnet wurde.

Entgegen Avas Erwartungen, verbarg sich hinter dieser Tür ein sauberes und schönes Zimmer. Staunend betrat sie den, herrlich nach Lavendel duftenden, Raum. Es herrschte eine wahrhaft angenehme Temperatur und der ganze Raum war mindestens doppelt so groß, wie es von außen den Anschein machte.

Noch während sie sich umsah, entdeckte sie eine Tür, die zu einem weiteren Zimmer, einem Flur, oder einer Treppe führte. Darüber würde sie vorerst nur spekulieren können.
Cole setzte sich auf ein rotes Kissen, welches auf den gepflegten Dielenbrettern lag. Mit einer Kopfbewegung bedeutete er ihr, sich zu setzen. Dem kam sie, ohne zu zögern, nach. Kaum saß sie im Schneidersitz, spürte sie das unbehagliche Gefühl von Blicken, die auf ihr ruhten und schaute sich hektisch, in dem hellen Raum, um.
Nichts war zu sehen.
Bildete sie sich das Gefühl, beobachtet zu werden, bloß ein?

„Keine Angst. Sie wollen Euch nur kennenlernen.“
Mit einem Mal verlor sie alle Farbe aus ihrem, sonst rosigen, Gesicht. Ehe sie sich darauf hätte vorbereiten können betraten unzählige, kleine sowie große, Dämonen das Zimmer, durch die Wände und durch den Boden.
Sie umkreisten Ava neugierig.
Manche sahen noch einigermaßen in Ordnung aus, andere wiederum wie einem Albtraum oder Horrorfilm entsprungen.

Ein Wesen, das auf den ersten Blick wie eine Frau aussah, deren langes Haar im Gesicht hing, starrte ihr plötzlich direkt ins Gesicht. Während ihr Kopf direkt vor ihr war, befand sich ihr Körper mindestens drei Meter entfernt. Ihr Hals war wie der einer Schlange und ihre Augen leuchtend rot, umringt von ihren leeren Augenhöhlen. Sie konnte sich nicht erklären, woher die roten Pupillen kamen, die sie anblickten.
Alles was sie wusste war, dass ihr Verstand in Alarmbereitschaft war.

Ava wollte sich zusammenreißen und keine Schwäche zeigen, aber diese „Frau“ machte ihr zu große Angst, als dass sie seelenruhig hätte sitzen bleiben können. Ihre Stimme versagte, aber ihr Körper trieb sie zurück nach draußen in den Wald, der nun nicht mehr so warm und einladend für einen Spaziergang wirkte, wie zuvor.
Es war, als wäre Nacht eingekehrt.
Sterne und Mond waren jedoch nicht zu sehen.
Die Schatten der Bäume fingen an sich zu bewegen.

Vor lauter Angst rannte sie drauf los, wollte aus diesem Albtraum erwachen. Sie fühlte sich so bedroht, wie noch nie zuvor, seit sie die Dämonen sehen konnte.
„Ava, kommt zurück!“
Die Stimme Coles war wie verhallt, als wäre er durch eine Wand von ihr getrennt.
Immer weiter.
Immer weiter rannte sie.
So weit, so lange und so schnell sie ihre Beine trugen.
„Ava!“

Immer wieder rief er nach ihr und wollte, dass sie stehen blieb, doch sie konnte nicht.
Nein, sie konnte den Anblick der Gestalten nicht ertragen, konnte und wollte in dieser Welt nicht sein, wo auch immer diese Welt sein mochte. Verzweifelt suchte sie den Ausgang, aber ihr kamen immer wieder Dämonen in den Weg, die sie jedes Mal ihre Richtung ändern ließen.
Eine Hand näherte sich ihr plötzlich, riss sie an ihrer Kapuze zurück und strangulierte sie, für einen kurzen Augenblick.
Ihr blieb die Luft weg.
„Seid Ihr verrückt? Ohne mich könnt Ihr hier nicht raus! Ihr seid ein gefundenes Fressen für die Anderen, wenn Ihr nicht bei mir bleibt.“

Tränen rannen in Bächen über ihre Wangen.
Kreischend versuchte sie Cole von sich zu drücken.
Sie nahm ihn gar nicht mehr als diesen wahr, sondern als einen der anderen Dämonen, die ihre langen krummen Finger nach ihr reckten.
Cole seufzte.
„Verzeiht mir, dass ich so weit gehen muss“, wisperte er, voller Reue, zu Ava und holte mit seiner Hand aus.
Es missfiel ihm, eine Frau zu schlagen, egal wie sehr sie ihn störte. Obwohl er es nur ungern tat, verpasste er ihr eine Ohrfeige, um sie wieder in das jetzt zu befördern. Keine allzu feste, aber sie verlor ihre Wirkung nicht.
„C-Cole?“

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