Kapitel 43- Zerbrochen
Der Tag begann schon schlecht. Elias hatte mir am Morgen geschrieben, dass er krank war. Kopfschmerzen, Fieber – nichts Dramatisches, aber genug, dass er zurück nach Hause ging.
Tut mir leid, Leo. Ich melde mich später, wenn es mir besser geht.
Ich hatte geantwortet, dass es okay war, dass er sich ausruhen sollte. Aber tief in mir wusste ich, dass dieser Tag ohne ihn schlimmer werden würde.
Und ich hatte recht.
Ohne Elias an meiner Seite fühlte ich mich angreifbarer. Verwundbar. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass er mich beschützte, dass er da war, wenn jemand zu weit ging. Aber heute war ich allein.
Ich versuchte, einfach nicht aufzufallen, machte mich klein, huschte von Klasse zu Klasse, ohne jemanden anzusehen. Vielleicht würde es helfen. Vielleicht würde niemand etwas sagen.
Falsch gedacht.
Ich war gerade auf dem Weg zur Toilette, als ich sie hörte.
„Na, Marie, du bist heute ja ganz einsam unterwegs."
Emma.
Ich hätte weitergehen sollen. So tun, als hätte ich sie nicht gehört. Aber meine Füße blieben stehen. Vielleicht, weil es sinnlos war. Sie würden sowieso weitermachen.
Langsam drehte ich mich um. Emma stand mit ihrer Clique an der Wand, ihre Arme verschränkt, ein herausforderndes Grinsen auf den Lippen.
„Lass mich einfach in Ruhe", sagte ich, meine Stimme fester, als ich mich fühlte.
Emma hob eine Augenbraue. „Oh? Was ist los? Dein großer Beschützer ist nicht da, also musst du dich mal selbst verteidigen?"
Die Mädchen um sie herum kicherten.
„Was willst du von mir?" fragte ich, genervt.
„Gar nichts", sagte sie süßlich. „Es ist nur witzig, weißt du? Du kannst nie irgendwas alleine regeln. Immer ist Elias da, immer musst du jemanden haben, der dich beschützt. Ich meine, ernsthaft, Marie, bist du wirklich so schwach?"
Der Name brannte in meinen Ohren.
Marie.
Nicht Leo.
Marie.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten, meine Fingernägel drückten sich in die Handflächen. Ich wollte schreien, wollte sagen, dass sie Unrecht hatte. Dass ich nicht schwach war. Dass ich nicht Marie war.
Aber ich brachte kein Wort heraus.
Emma kam näher, ihre Stimme ein leises Flüstern, das nur ich hören konnte. „Du bist ein Feigling. Und du wirst es immer sein."
Etwas in mir brach. Aber nicht laut. Nicht sichtbar.
Ich drehte mich einfach um und ging weg.
Ich hörte ihr Lachen hinter mir, hörte, wie ihre Freundinnen tuschelten.
Ich spürte die Tränen in meinen Augen brennen, aber ich ließ sie nicht zu.
Ich würde nicht weinen. Nicht hier. Nicht vor ihnen.
Doch die Worte fraßen sich in mein Innerstes.
Schwach.
Feigling.
Marie.
Und ich wusste nicht mehr, wie lange ich das noch aushalten konnte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top