Kapitel 41-rennen

Die Schule hatte sich nicht verändert. Dieselben grauen Wände, dieselben müden Gesichter, dieselben Flure voller Menschen, die in ihren eigenen kleinen Welten gefangen waren. Aber für mich fühlte es sich anders an. Fremd. Alles war genau wie die letzte Woche. Was hatte ich also anderes erwartet?

Ich hatte gehofft, dass sich die Gerüchte über mich nach meiner Abwesenheit ein wenig gelegt hätten, aber das war wohl Wunschdenken. Schon als ich das Schulgebäude betrat, spürte ich die Blicke.

„Ist das nicht Marie?" hörte ich jemanden hinter mir flüstern.

Ich erstarrte, aber ich drehte mich nicht um. Marie. Das war nicht mehr mein Name. War es nie gewesen. Aber niemand wusste das – und ich brachte es nicht über mich, es ihnen zu sagen.

Elias hatte mich bis zum Schultor begleitet, doch jetzt war ich auf mich allein gestellt. Er war eine Klasse über mir und konnte nicht den ganzen Tag an meiner Seite bleiben. Wir hatten lediglich ein paar wenige Kurse zusammen.

Ich atmete tief durch und machte mich auf den Weg zu meinem Spind. Ich redete mir ein, dass es einfach ein normaler Tag war. Dass ich einfach nur überleben musste.

Dann kam Emma. Die letzten Tage hatte sie mich in Ruhe gelassen doch heute hatte sie das scheinbar nicht vor.

„Na, Marie, zurück aus dem Wellnessurlaub?" Ihre Stimme war süßlich, aber in ihren Augen blitzte Bosheit.

Ich versuchte, sie zu ignorieren und meine Bücher aus dem Spind zu nehmen. Aber sie ließ nicht locker.

„Ist was mit deinen Händen passiert?" fragte sie scheinheilig und deutete auf die noch leicht verbundenen Fingerkuppen. „Oder hast du nur versucht, noch mehr Aufmerksamkeit zu bekommen?"

Ihre Freundinnen kichern leise.

Mein Herz klopfte in meiner Brust, aber ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Ich durfte ihr keine Angriffsfläche bieten.

„Lass mich einfach in Ruhe, Emma", sagte ich leise.

„Oh, tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du so empfindlich bist." Sie verzog gespielt mitleidig das Gesicht. „Wir haben dich nur vermisst. Es ist einfach nicht dasselbe ohne unser kleines Sensibelchen."

Ein heißer Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich wollte etwas sagen, wollte mich wehren – aber die Worte blieben stecken. Ich war noch nicht bereit, mich zu outen. Nicht hier. Nicht vor ihr.

Also schloss ich den Spind, drehte mich um und ging weg.

„Feigling", hörte ich Emma noch murmeln.

Ich ließ es über mich ergehen. Es war nicht der erste Tag, an dem ich ignorierte, was andere sagten. Aber es war einer der schwersten.

Denn ich wusste, dass ich irgendwann nicht mehr weglaufen konnte.

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