Kapitel 34- Unterstützung

Die Tage im Krankenhaus waren eintönig, und trotzdem passierte innerlich so viel, dass ich kaum wusste, wie ich damit umgehen sollte. Mein Körper fühlte sich schwach an, meine Gedanken noch schwächer. Doch jedes Mal, wenn Elias zur Tür hereinkam, schien es heller zu werden, als hätte jemand die Vorhänge zurückgezogen, um Sonnenlicht hereinzulassen.

Elias kam so oft er konnte. Morgens war er oft kurz da, bevor die Schule anfing, und nachmittags erschien er fast immer, kaum dass seine letzten Stunden vorbei waren. Er brachte mir Kleinigkeiten mit – einen Apfel, einen Comic, einmal sogar ein kleines Stofftier. „Es ist ein Löwe. Passt zu dir, oder?" sagte er grinsend, als er es mir überreichte. Ich hatte ihn ungläubig angesehen, dann aber gelächelt.

„Danke", murmelte ich, während ich den Löwen betrachtete. Es fühlte sich gut an, etwas zu haben, das nur mir gehörte – etwas, das ich halten konnte, wenn die Gedanken zu laut wurden.

Am dritten Tag im Krankenhaus kamen Elias' Eltern mit. Ich wusste, dass sie mich besuchen wollten, aber der Gedanke daran machte mich nervös. Was, wenn sie dachten, ich sei ein Problem? Eine Belastung? Elias hatte mir immer wieder versichert, dass sie mich mochten, aber ich hatte zu oft erlebt, wie Erwachsene nach außen hin freundlich waren und hinter verschlossenen Türen anders redeten.

„Leo", begann Elias' Mutter, als sie sich auf den Stuhl neben meinem Bett setzte. Ihre Stimme war warm und sanft, aber auch bestimmt. „Wie geht es dir heute?"

Ich zuckte mit den Schultern. Es war schwer, diese Frage zu beantworten. Physisch fühlte ich mich besser, aber innerlich war ich ein Chaos. „Geht so", murmelte ich schließlich.

Sie nickte, als ob sie das erwartet hätte. „Elias hat uns erzählt, was passiert ist. Und ich möchte, dass du weißt, dass wir für dich da sind."

Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen, und ich versuchte, sie wegzublinzeln. Es war schwer zu glauben, dass jemand wie sie das wirklich meinte. „Danke", flüsterte ich.

„Wir wollen mit dir über die nächsten Schritte sprechen", fuhr Elias' Vater fort. Er war ein ruhiger Mann mit einer sanften, aber bestimmten Art zu reden. „Wir wissen, dass du nicht zurück zu deinen Eltern kannst. Und wir wollen, dass du weißt, dass du hier nicht allein durchgehen musst."

„Ich... ich weiß nicht, was ich tun soll", gab ich zu. Meine Stimme zitterte, und ich fühlte mich plötzlich wie ein kleines Kind. „Ich habe keinen Plan. Ich weiß nur, dass ich nicht zurück kann."

Elias' Mutter legte ihre Hand auf meine. „Das ist in Ordnung, Leo. Du musst jetzt keinen Plan haben. Das Wichtigste ist, dass du sicher bist."


Das Gespräch drehte sich bald darum, was konkret getan werden konnte. Elias' Vater hatte sich schon mit dem Thema Jugendamt beschäftigt. „Wir müssen sie informieren, Leo. Sie können helfen, eine langfristige Lösung für dich zu finden."

Das Wort „Jugendamt" ließ mich zusammenzucken. Ich hatte Geschichten gehört – nicht alle davon gut. „Und dann? Was passiert dann mit mir?" fragte ich leise.

Elias sah mich an, seine braunen Augen ernst und voller Mitgefühl. „Dann kommst du irgendwohin, wo du sicher bist. Vielleicht in eine Wohngruppe. Aber bis das geklärt ist, kannst du bei uns bleiben, wenn du möchtest."

Meine Augen weiteten sich. „Bei euch?"

Elias' Mutter nickte. „Ja, Leo. Wir würden dich gerne bei uns aufnehmen, zumindest vorübergehend. Aber nur, wenn du dich damit wohlfühlst."

Ich war überwältigt. Es war zu viel. Ich hatte nicht erwartet, dass jemand so etwas anbieten würde – schon gar nicht die Eltern meines Freundes. „Ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll."

„Du musst jetzt nichts entscheiden", sagte Elias' Vater ruhig. „Wir möchten nur, dass du weißt, dass du willkommen bist."

Elias' Eltern gingen nach einer Weile, aber Elias blieb. Er setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett und lehnte sich zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. „Das war doch gar nicht so schlimm, oder?"

„Sie sind... nett", sagte ich, immer noch etwas überwältigt.

„Das sind sie", stimmte Elias zu. „Und sie meinen es ernst, Leo. Sie wollen wirklich helfen."

Ich sah ihn an, die Dankbarkeit schwer in meiner Brust. „Danke, Elias. Ohne dich..."

„Hör auf", unterbrach er mich. „Du brauchst dich nicht zu bedanken. Ich tue das, weil ich dich liebe, Leo. Und weil du es verdienst, sicher und glücklich zu sein."

Ich musste mich abwenden, weil mir die Tränen kamen. Es war zu viel. Aber es war auch genau das, was ich hören musste.

Am Abend, als ich alleine war, dachte ich lange über das Gespräch nach. Die Vorstellung, bei Elias und seiner Familie zu leben, war verlockend, aber auch beängstigend. Was, wenn ich ihnen zur Last fiel? Und was, wenn das Jugendamt mich woanders hinschickte?

Die Angst nagte an mir, aber ich versuchte, mich auf das zu konzentrieren, was ich hatte: Unterstützung. Menschen, die an meiner Seite waren. Es war mehr, als ich jemals zu hoffen gewagt hatte.

Ich drückte den kleinen Stofflöwen an mich, den Elias mir geschenkt hatte, und flüsterte leise: „Vielleicht wird alles gut."

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