Kapitel 27-Dunkelheit

⚠️TW: POTENTIELL TRIGGERNDER INHALT!⚠️
SELBSTVERLETZUNG! 

Es war bereits spät, als ich die Haustür aufschloss. Der Tag mit Elias war einer der besten meines Lebens gewesen. Der kühle Herbstwind hatte uns durch den Park begleitet, und die Sonne hatte uns lange genug gewärmt, um die Kälte vergessen zu lassen. Elias' Lächeln hatte mein Herz erfüllt, und das Gespräch... das Gespräch war so viel besser verlaufen, als ich es mir je erträumt hätte. Ich fühlte mich leicht, als wäre eine schwere Last von mir abgefallen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass jemand mich wirklich sah – mich, Leo.

Doch das Gefühl der Leichtigkeit verschwand fast augenblicklich, als ich die vertrauten Geräusche von Streit hörte. Die Stimmen meiner Eltern hallten durch das Haus, gedämpft, aber dennoch scharf wie Messerklingen. Ich ließ meine Tasche neben der Tür fallen und schloss die Tür hinter mir so leise wie möglich, in der Hoffnung, unbemerkt in mein Zimmer zu kommen. Doch meine Mutter hatte mich gehört.

„Marie!" rief sie, ihre Stimme durchdringend. „Wo warst du? Es ist spät!"

Ich drehte mich zu ihr um, mein Herz schlug schneller. Sie stand in der Tür zur Küche, die Arme verschränkt, und musterte mich mit einem Blick, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Hinter ihr hörte ich meinen Vater etwas murmeln, aber seine Worte waren nicht verständlich. Es klang wie ein weiteres Argument, ein weiteres Thema für ihren endlosen Streit.

„Ich war mit Elias unterwegs", sagte ich, bemüht, ruhig zu klingen, obwohl mein Puls raste.

Die Erwähnung von Elias war ein Fehler. Ich hätte es wissen müssen. Meine Mutter zog die Augenbrauen hoch, und ihr Gesicht verzog sich in einer Mischung aus Entsetzen und Zorn.

„Mit Elias?" wiederholte sie, als hätte ich ihr gesagt, ich wäre mit dem Teufel höchstpersönlich unterwegs gewesen. „Wirklich, Marie? Du weißt genau, was ich von diesem Jungen halte."

„Was soll das denn jetzt heißen?" fragte ich und merkte, wie meine eigene Stimme lauter wurde. Mein Glücksgefühl war wie weggeblasen, ersetzt durch eine Mischung aus Frustration und Wut.

„Du weißt genau, was ich meine!" fauchte sie. „Seit du mit diesem Elias befreundet bist, redest du nur noch von diesen verrückten Ideen – Queer, trans, was weiß ich! Das kommt alles von ihm. Er bringt dich nur auf dumme Gedanken!"

Ich spürte, wie meine Wut aufstieg, heiß und schwer. „Das hat nichts mit Elias zu tun!" schrie ich zurück, bevor ich mich zurückhalten konnte. „Das bin ich! Ich denke schon viel länger über diese Dinge nach, als du dir vorstellen kannst!"

„Ach, bitte!" Sie wedelte abfällig mit der Hand. „Das bist doch nicht du. Du bist nur verwirrt, weil er dir diese Sachen einredet. Es ist doch klar, dass er einen schlechten Einfluss auf dich hat!"

„Das ist nicht wahr!" rief ich, meine Stimme brach leicht. Tränen brannten in meinen Augen, aber ich wollte sie nicht zulassen. „Elias hat nichts damit zu tun. Er unterstützt mich, das ist alles! Und selbst wenn – was wäre daran so schlimm?"

Ihre Augen funkelten vor Wut, und ich wusste, dass ich sie noch nie so gesehen hatte. „Was daran schlimm ist?" Sie lachte bitter, eine kalte, scharfe Klinge aus Hohn. „Du hast keine Ahnung, Marie. Du ruinierst dein Leben mit diesen absurden Ideen. Kein Wunder, dass du dich so seltsam benimmst. Du hast doch keine Ahnung, was richtig oder falsch ist!"

Ich konnte nicht mehr. Die Worte schnitten tiefer, als ich erwartet hatte. „Das ist mein Leben!" schrie ich. „Nicht deins! Und weißt du was? Ich bin glücklich so, wie ich bin. Zum ersten Mal in meinem Leben! Aber das kannst du ja nicht akzeptieren, oder?"

„Du bist nicht glücklich, du bist nur manipuliert!" Ihre Stimme überschlug sich beinahe vor Wut. „Und dieser Elias ist schuld daran! Du wirst sehen, irgendwann wirst du verstehen, dass ich nur das Beste für dich will."

Ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich schüttelte den Kopf, Tränen liefen mir nun ungehemmt über die Wangen. Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und rannte die Treppe hinauf, während sie weiter schrie. Die Worte verschwammen zu einem Hintergrundrauschen, und ich wollte sie nicht mehr hören.

Oben angekommen, schlug ich die Tür zu meinem Zimmer zu und drehte den Schlüssel im Schloss. Mein Atem ging schnell, und ich ließ mich gegen die Tür sinken, meine Beine fühlten sich wie Gummi an. Die Tränen flossen weiter, und ich presste meine Hände gegen mein Gesicht, um die Geräusche meines Weinens zu dämpfen.

Warum? Warum musste es immer so sein? Warum konnten sie mich nicht einfach akzeptieren? Ich hatte doch nichts Schlimmes getan. Ich wollte doch nur ich selbst sein.

Ich setzte mich schließlich auf mein Bett und umklammerte mein Kissen, als wäre es das Einzige, was mich noch zusammenhielt. Mein Blick fiel auf mein Junk Journal, das auf dem Schreibtisch lag. Es war eines der wenigen Dinge, die mir Trost gaben, aber in diesem Moment konnte ich es nicht einmal öffnen. Der Schmerz und die Wut saßen zu tief.

Mein Blick gleitet weiter durch den Raum und blieb an meinem Nachtschrank hängen. „Nein" sagte ich zu mir selbst, „Nein Leo, das ist keine gute Lösung und das weist du. Tu es nicht". Doch das Verlangen war da.  Der innere Druck war da.  Und die Stimme die mir sagte dass dieser Schmerz in meinem inneren aufhören würde wenn ich ihn durch einen anderen ersetzte.

„Nein" sagte ich nochmal doch ich war nicht stark genug. Wie ferngesteuert öffneten meine Hände die Schranktür und holten die Rasierklinge, welche unter einem Schal verborgen lag, hervor um sie langsam zwischen den Fingern zu wenden

Mach es

Nein ich will nicht

Doch mach es

Warum?

Weil du wertlos bist

Ich bin nicht wertlos!

Doch, deine Eltern haben recht. Du machst das nur um das Gefühl zu haben besonders zu sein. Das weist du doch selbst

Das stimmt nicht, ich bin Leo. Ich bin ich...

Lüg doch nicht

Aber...

LÜG DOCH NICHT

Bitte...

DU BIST SCHWACH, DU BIST KAPUTT, ALS OB DICH JEMALS JEMAND LIEBEN WIRD

Elias liebt mich!

ELIAS? SIEHST DICH NICHT DASS ER NUR MITLEID HAT? WARUM SOLLTE ER MIT DIR  REDEN? WAS KANNST DU DENN? NICHTS!

...

DU BIST KAPUTT, DU BIST HÄSSLICH, DU BIST VERNARBT! DU BIST EIN FUCKING FREAK! DU MACHST ALLES FALSCH, NIEMAND WIRD JEMALS STOLZ AUF DICH SEIN! IM GEGENTEIL, DU BIST IMMER NUR EINE LAST! IMMER DENKST DU NUR AN DICH SELBST. DU KÜMMERST DICH NICHT UM ANDERE. WARUM HAT ELIAS STRESS MIT SEINEN FREUNDEN?

Weil...

WEGEN DIR
WARUM STREITEN SICH DEINE ELTERN?

Aber...

WEGEN DIR
WARUM IST MATTIS TRAURIG? WARUM MÜSSEN DIE LEHRER STREITS KLÄREN UND LÄNGER IN DER SCHULE BLEIBEN UM MOBBINGGESCHICHTEN ZU KLÄREN ANSTATT IHREN EIGENEN KRAM ZU ERLEDIGEN? ES MÜSSEN IMMER ALLE AUF DICH ACHT GEBEN. NIE KANNST DU DICH UM DICH SELBST KÜMMERN. NOCH NICHT MAL JETZT BIST DU STARK. DU HAST KOMPLETT DIE KONTROLLE VERLOREN

...

NIMM DIE KLINGE. DU VERDIENST ES NICHT ANDERS. EIGENTLICH SOLLTEST DU NICHT MAL MEHR HIER SEIN. DU KANNST DICH AUCH GLEICH ERHÄNGEN. ES WÜRDE KEINEN UNTERSCHIED MACHEN

...

Mimimimimi bist du auch zu schwach dafür? Nimm die verfickte Klinge. Bestrafe dich dafür! Du wertloses Stück Scheiße. Vielleicht fühlst du dich dann ja besser?

Mit Zitternden Händen streifte ich mir mein Shirt über den Kopf. Ich blickte an mir herunter und dieser Anblick ekelte mich nur noch mehr an. Meine furchtbar weibliche Figur. Mein Bauch. Meine Brüste. Meine Beine. Meine Narben. Ich hasste alles. Ich fuhr mit meiner Hand über mein Gesicht und merkte dass ich hemmungslos weinte. Ich hatte gar nicht gemerkt wann ich angefangen hatte aber mein Gesicht war komplett nass. Ich sah auf meine zitternde Hand innere immer noch die Klinge lag.

So unfassbar schwach...

Wie in Zeitlupe hob ich die Hand an meine Schulter. Kurz bevor das kalte Metall meine Haut berührte zögerte ich

Los. Du bist so kurz vor der Erlösung. Jetzt mach es auch!

Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Körper. Ich juckte leicht doch lies mich davon nicht beirren. Wie in Trance zog ich die Klinge über meine Haut als wäre ich ein Künstler der mit einem silbernen Pinsel auf beiger Leinwand malt. Schnell folgte die rote Farbe, welche sich in Kunstvollen Linien über dem Gemälde verteilte. Ich wusste dass es falsch ist. Doch trotzdem machte ich weiter. Schmitt länger, tiefer, wie geblendet durch die Genugtuung immerhin noch so viel Kontrolle über mich selbst zu haben.

Plötzlich hörte ich Schritte im Flur und der Rausch war vorbei. Voller Panik blickte ich auf meine Schulter, von der das Blut herunterlief. Hastig sprintete ich zu meinem Schreibtisch, riss die Schubladen auf und wischte das Blut mit den Taschentüchern weg die eigentlich nur dafür dort lagen. Ich wischte das Blut im Handumdrehen weg. Ich hatte es schon oft machen müssen. Zu oft. Ich ging zu meinem Bett zurück und zog mir mein Schlaf T Shirt über. Doch die Schritte gingen vorbei. Auch die Blutung hörte bald schon auf.

Nach einer Weile klopfte es an meiner Tür. Es war ein leises, zögerliches Klopfen, nicht das wütende Hämmern meiner Mutter. Ich vermutete, es war mein kleiner Bruder Mattis.

„Marie?" fragte seine kleine Stimme durch die Tür, und das allein brachte mich zum Schluchzen.

Ich wischte mir die Tränen ab und öffnete die Tür einen Spalt. Mattis stand da, barfuß und mit zerzausten Haaren, und sah mich mit großen, besorgten Augen an.

„Mama und Papa streiten wieder", sagte er leise. „Und sie haben deinen Namen geschrien."

Ich nickte und zog ihn in eine Umarmung, während neue Tränen über meine Wangen liefen. „Es ist okay, Mattis", flüsterte ich. „Ich bin okay."

Er schaute mich skeptisch an, als würde er mir nicht glauben, aber er sagte nichts. Stattdessen schlang er seine Arme um mich und kuschelte sich an mich, so wie er es immer tat, wenn er Trost suchte.

„Mama ist nur sauer", murmelte er. „Aber ich finde, du bist toll. So wie du bist."

Seine Worte brachen etwas in mir. Ich hielt ihn fest und ließ die Tränen einfach fließen. „Danke, Mattis", sagte ich leise. „Das bedeutet mir mehr, als du dir vorstellen kannst."

Er lächelte mich an und kletterte dann aufs Bett. „Kann ich heute Nacht bei dir bleiben?" fragte er, und ich nickte. Es war keine Frage, die ich je mit Nein beantworten konnte.

Während Mattis neben mir einschlief, lag ich wach und starrte an die Decke. Die Wut meiner Mutter und die lautlosen Vorwürfe meines Vaters hallten noch immer in meinem Kopf wider. Aber gleichzeitig spürte ich etwas anderes. Trotz allem fühlte ich mich immer noch sicher in meiner Identität. Ich war Leo, und das konnte mir niemand nehmen – nicht einmal meine Eltern.

So Leute, gestern kam nichts weil ich dieses Kapitel nicht aufteilen wollte. Bitte bitte tut euch selbst nichts an ja? Leo ist da ein sehr sehr schlechtes Vorbild. Ich weis diese Welt ist Scheiße und Menschen sind auch scheiße aber ihr seid wertvoll. Bitte denkt daran!

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