Kapitel 33



Kapitel 33

Damian

Die Hölle hatte ich mir anders vorgestellt. Ewig lodernde Flammen, Schwefelschwaden die umherzogen und das unablässige Geschrei der malträtierten Seelen.
Doch sie überraschte mich mit ihrer dunklen Schönheit, die oft erst bei näherer Betrachtung zur Geltung kam. Alles war in das Licht einer ewig währenden Dämmerung getaucht die nur nachts von völliger Dunkelheit abgelöst wurde.

Selbst hier wo ich erwartet hatte das nichts gedieh. Erblühte ein wunderschöner Garten gut geschützt hinter hohen Mauern die einen imposanten schwarzen Palast beschützten. Ich hatte aufgegeben die unzähligen filigranen Türme zuzählen die in den unendlichen Himmel empor ragten. Lieber hatte ich die vielfältigen und recht sonderbaren Pflanzen begutachtet. Die hier in einer Üppigkeit wuchsen, als würden sie einem irdischen Urwald in nichts nachstehen.

Meine Neugier nicht länger bezähmend streckte ich die Hand nach einer faustgroßen Lila schimmernden Frucht aus. Sie ähnelte einem Granatapfel doch ihr süßer Duft war so verführerisch das ich sie unbedingt aus dem dunklen Laub pflücken wollte. Kurz bevor meine Fingerspitzen die samtige Schale berührten erscholl ein Ruf. „Damian berühr sie nicht. Das sind Evas Äpfel, sie sind giftig."

Erschrocken fuhr ich zusammen und wirbelte herum, betreten versteckte ich meine Hände hinter dem Rücken. Tristan kam auf mich zu und packte mich bei den Schultern. „Ich weiß viele Dinge hier sind interessant, wenn nicht gar betörend. Aber vieles versteckt sich hinter einem schönen Antlitz und ist um so tödlicher."

Ich blickte zu ihm auf und mir war nur allzu bewusst das seine Aussage vortrefflich auf den Dämon selbst zutraf. Wunderschön wie eine von Meisterhand gefertigte Klinge aber ebenso tödlich. „Sprichst du von dir selbst?" plapperte ich ohne darüber nach zudenken.

Erschrocken presste ich mir die Hand auf den Mund. Seine ausdrucksstarken Augen flammten golden auf. Dann warf er mit ein wölfisches Grinsen zu und entblößte seine beeindruckenden Fänge. Tristan wirkte überhaupt wesentlich animalischer und rauer als in der sterblichen Welt. Und auf mich um so anziehender.
Verlegen leckte ich mir über die Unterlippe und blickte in seine unergründlichen Augen. Ich sah einen Hunger in ihnen der einen Schauer über meinen Rücken jagte. 

Unsicher wich ich zurück meinem eigenem Verlangen nicht vertrauend. Durften wir überhaupt so zusammen sein, während unsere Wiedervereinigung einen Krieg zwischen Himmel und Hölle verursachte. Befangen schaute ich auf meine nackten Füße hinab, die sich hell von dem dunklen Rasen abhoben. Tristan gab ein frustriertes Knurren von sich. „Bist du wütend das ich dich entführt habe?" fragte er mit belegter Stimme.

„Nein." erschrocken blickte ich zu ihm auf.
„Was das anbelangt bin ich dir mehr als dankbar. Ich weiß nicht wie lange ich die ewigen Verhöre meines Vaters noch ausgehalten hätte." seufzte ich. „Aber mein schlechtes Gewissen lässt mir keine Ruhe. Wir bringen so viel Leid über unzählige Menschen und die Krieger deines Vaters..." mein schlechtes Gewissen zerfraß mich und bombardierte mich mit Selbstzweifeln.

„Aber wir dürfen nicht so zusammen sein, wenn wir ein solches Chaos verursachen. Wir sollten stattdessen Reue zeigen." versuchte ich verantwortungsvoll zu argumentieren. Wie konnten wir in glücklicher Zweisamkeit leben, wenn unser Egoismus einen Krieg verursachte.

„Ist das dein Ernst?" fragte mich mein Gefährte empört. „Ich musste ein Dreiviertel Jahr auf dich verzichten nachdem ich Jahrhunderte auf deine Ankunft gewartet habe. Bin fast dem Wahnsinn anheimgefallen, wegen unserer ungewollten Trennung und jetzt willst du lieber im Zölibat leben und Beichten?" er wurde mit jedem Wort wütender.

„Das ist es was sie dir dort Oben ein Leben lang eingetrichtert haben. Sei keusch und unschuldig." er spie mir diese Worte regelrecht vor die Füße. „Zuneigung, Verlangen, ganz zu schweigen von Lust sind in ihren Augen Sünde. Begreifst du nicht das du manipuliert wurdest?"
Er wand sich von mir ab und raufte sich die Haare. Seine Muskeln vibrierten vor Anspannung, als er begann vor mir auf und ab zu laufen. „Wir sind für einander bestimmt. Es ist unser Schicksal zusammen zu sein. Wie kannst du das noch immer anzweifeln?"

Ich war befangen von seiner Tirade. Verhaltensweisen die mir ein Leben lang eingebläut wurden. Konnte ich nicht einfach über Nacht ablegen. Nie hatte ich einen solch ungezwungenen Lebensstil genossen wie der Dämon. Wo ich frei über mein Handeln bestimmen konnte. Nicht mit einem solch herrschsüchtigen Vater der mich erstickte mit seinen Regeln und unerreichbaren Erwartungen. Und mich in Isolation zwang, abgeschottet von meinesgleichen, so das mir nur zwei hinterhältige Wachen als Gesellschaft blieben. Hilflos schloss ich die Augen. Ich fühlte mich erschöpft, zermürbt von der Last meines Erbes.

Starke Arme umfingen mich plötzlich und zogen mich an eine breite Brust. Ein seltenes Gefühl von Sicherheit überkam mich. Etwas was ich nur in Tristans Gegenwart empfand. Ich fühlte mich endlich zugehörig zu einer anderen Seele.
Doch er gab mir keine Zeit noch länger zu grübeln. Sein heißer Mund versiegelte meine Lippen und seine feuchte Zunge begehrte Einlass, den ich ihm nur allzu gern gewährte.
Ich stöhnte in den Kuss und schmiegte mich an seine muskulöse Brust. Seine starken Arme zogen mich enger an ihn, während seine Fänge an meiner Unterlippe nippten. Ich erwartete das mich eine weitere Panikattacke überrollte. Aber die blieb aus, stattdessen übermannte mich eine Hitzewelle die sich in meinen Lenden sammelte.

Angefeuert von meiner Erregung stellte ich mich auf die Zehenspitzen und vergrub meine Finger in seinem dunklen Haar. Der Dämon knurrte zufrieden und presste mich gegen den dicken Stamm von Evas eigenartigen Baum.
Ich keuchte überrascht als mein Rücken gegen die raue Rinde gedrückt wurde. Doch Tristan stahl mir diesen Laut von den feuchten Lippen. Sein harter Schaft presste sich begehrlich gegen meinen Bauch und ich musste an Mauritius denken. Als er meine Männlichkeit so hingebungsvoll liebkoste das es mir die Sinne raubte.

Würde er das wieder tun? In diesem exotischen Garten unter einem violetten Baldachin im Schatten von Evas Sünde, so das sie zu meiner eigenen Sünde würde. Und auf ewig meine Seele mit einem Makel behaftete, so das mir der Zugang zum Himmelreich auf ewig verwehrt wurde.
Aber wollte ich überhaupt jemals an diesen Ort zurückkehren?

„Tristan" stöhnte ich seinen Namen als seine Fänge behutsam über die besonders sensible Stelle an meinem Hals glitten. Ich warf den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
Doch plötzlich traf mich die Erinnerung und Kriznaks fauliger Atem stach mir in die Nase. Meine Brust schnürte sich zu und ich bekam keine Luft mehr. Panik erfasste mich mit einem unerbittlichen Würgegriff.

„Nicht." keuchte ich verängstigt und schob den großen Mann von mir. Tristan gab mich kampflos frei , wobei er mich besorgt musterte.

„Was ist mit dir? Sind es deine Erinnerungen?" fragte er vorsichtig. Er hielt Abstand, nahm aber meine plötzlich klammen Finger zwischen seine großen warmen Hände. Ich schluckte verzweifelt. „Ich kann noch immer seinen fauligen Atem riechen. Hilf mir ich will das alles endlich vergessen." er zog mich erneut an seine breite Brust und ich schluchzte hemmungslos.

„Warum ausgerechnet jetzt?" fragte ich überfordert. Und klammerte mich an ihn, seine Wärme sickerte durch meine Kleidung und er zog mich fort von dem plötzlich bedrohlich wirkenden Baum. Dessen Aura so bedrückend war das es mir jedes Glücksgefühl raubte. Wie konnte etwas so schönes so bösartig sein?

Tristan

Ich wachte über meinen erschöpften Gefährten und versicherte ihm, das er in Luzifers Palast absolut sicher war. Doch wusste ich nicht wie ich ihn vor seinen Schuldgefühlen und Trauma retten sollte. Mutig stellte ich mich jedem physischen Feind entgegen der sein Leben bedrohte. Aber wie sollte ich seine Ängste bezwingen?

Nachdem ich sicher war das Damian tief und fest in meinen Gemächern schlief. Machte ich mich auf die Suche nach meinem Vater.
Bevor ich den nächsten Flur einen Stock unter den Schlafzimmern erreichte. Hörte ich zorniges Geflüster an der Treppe. Ich kam zu einem abrupten Halt und hielt mich in den Schatten so das mich die beiden Streithähne nicht sahen.

„Hör auf mir wie ein liebestoller Hund zu folgen." zischte Ian einen stoisch dreinblickenden Vlad an.

„Dein Vater hat mich abkommandiert um für deine Sicherheit zu sorgen. Schließlich bist du kein Einwohner der Hölle." erwiderte er emotionslos was meinen Bruder nur noch wütender machte.

„Ich brauche keinen Babysitter. Schließlich habe ich den Himmel überlebt, also werde ich auch die Hölle überstehen. Falls du es vergessen hast ich bin Luzifers Sohn." antwortete es gehässig und blickte angriffslustig zu dem ehemaligen grausamen Fürsten auf. Der in einem früheren Leben Angst und Schrecken unter seinen Feinden verbreitet hatte.

„Als könnte ich jemals vergessen wessen Sohn du bist." knurrte Vlad nun ebenso wütend und drängte Ian gegen die Wand die aus poliertem Obsidian bestand. Seine Hand schoss blitzschnell hervor und schloss sich so mühelos um den Hals des Engels. Mein Bruder war überrascht über die plötzliche Wut des Hauptmannes und ließ ihn zu meinem Unglauben gewähren.
Und ich war um so überraschter als er Ian plötzlich am Kragen packte und ihn mit solch einer Intensität küsste, das mein Bruder nur ein hilfloses Wimmern von sich gab. Was sich bald in ein lustvolles Stöhnen verwandelte.

„Vlad." flüsterte er überrumpelt mit Schreck geweiteten Augen. Doch der dunkelhaarige Krieger gab ihm keine Zeit das Geschehene zu verarbeiten. Er beugte sich erneut über meinen Bruder und küsste ihn mit einer Leidenschaft das ihm die Hitze in die Wangen stieg. Ian war völlig gefangen in der unwirklichen Situation.

Doch dann kam Leben in ihn. Ian stieß den Mann von sich und verpasste ihm schwer atmend eine schallende Ohrfeige. „Was bildest du dir ein?" fauchte er ihn Wut schnaubend an.
Er verharrte einen Moment lang regungslos und musterte seinen Gegenüber mit einer schwer zu definierenden Emotion in den unruhigen grünen Augen. Als Vlad seinen Blick mit einem wissenden Grinsen erwiderte, stürmte Ian davon und stieß in seiner Hast mit mir zusammen, als er die Ecke umrundete.

„Wieso lauerst du hier in den Schatten wie ein Meuchelmörder?" stellte er mich brüsk zur Rede, wobei er verstohlen über seine Schulter schaute. Aber Vlad war bereits verschwunden.

Ich gab mich ahnungslos. „Ich bin auf dem Weg zu Vater."

Ian fing sich schnell. „Willst du ihm von eurem kleinen Zwischenfall im Garten berichten?" grinste er spöttisch. Mir entging nicht das seine Lippen geschwollen waren von einem fordernden Kuss mit einem berüchtigten Kriegsherrn.
„Wie dumm von dir den kleinen unschuldigen Engel gegen diesen verruchten Baum zu drängen. Der alles Gute in dir in etwas Negatives verwandelt. Warst du so notgeil das du das vergessen hast Tristan?" grinste er boshaft. „Ich wette er hatte einen hübschen Flashback an seinen Aufenthalt in Helheim bekommen." er gab mir keine Zeit zu antworten.

„Dank euch Beiden Liebes hungrigen Idioten sitzen wir alle hier fest." mit diesem letzten finalen Satz seiner Tirade stürmte er davon. Um Gott weiß wen an seiner miesen Laune teilhaben zulassen.

Seine bitteren Worte verfolgten mich bis zum Büro meines Vaters. „Gut das du kommst Tristan wir müssen eine Krisensitzung abhalten." begrüßte er mich zerstreut während er über einige verstreute Papiere saß. Erst da bemerkte ich den blutbesudelten Krieger der neben dem Schreibtisch meines Vaters stand und auf Befehle wartete.

„Soeben ist ein Bote eingetroffen." er deutete auf den erschöpften Dämon. „Hel greift unsere direkte Grenze zu Helheim an und überfällt unsere angrenzenden Siedlungen."

„Warum ausgerechnet jetzt?" fragte ich alarmiert. Die Sorge um meinen sterblichen Gefährten traf mich wie eine Kanonenkugel bei dieser Hiobsbotschaft.

„Die Hexe wird bereits von unserem Zerwürfnis mit dem Himmelreich wissen. Und nun wird sie uns für schwach halten." knurrte er und maß den Krieger mit einem kühlen Blick.

„Es wird Zeit das wir ihr zeigen das wir ohne die himmlischen Fesseln noch skrupelloser sind. Wir werden keine fadenscheinigen Abkommen mehr einhalten. Wir werden ihre Truppen zermalmen." schwor Luzifer wobei seine sonst so klugen grünen Augen zu einem mörderischen Schwarz wechselten.

„Was befiehlst du Vater?" fragte ich obwohl ich die Antwort bereits ahnte.

*

Ian

Wie konnte er es wagen mich in eine solch kompromittierende Lage zu bringen. Geschweige denn das mich dieser Mörder berührte. Ich konnte noch immer seine starken Finger um meine Kehle spüren.
Es war nicht das erste Mal das mich jemand würgte oder gar meinte mich benutzen zu können. Vlad hatte mich vollkommen überrumpelt. Ich hatte nicht erwartet das mich dieser Gefühlskalte Bastard begehrte.

Ein Wort zu meinem Vater und der ehemalige Fürst der Walachai würde im neunten Kreis der Hölle schmoren. Ein Ort an den er eigentlich gehörte, nur die Treue zu meinem Vater schützte ihn vor ewiger Verdammnis.
Ich hasste es wenn man mich benutzte. Ich hatte mir geschworen, nach meiner Rückkehr aus dem Himmelreich, das mich nie wieder jemand besitzen würde.

Und trotzdem hatte ich es zugelassen. Ich hasste mich dafür, Vlad würde keinen zweiten Versuch bekommen. Das nächste Mal würde er keine Gelegenheit bekommen seinen Mund auf meine Lippen zu pressen. Wie in Trance fuhr ich mit dem Zeigefinger bei diesem unerwünschten Gedanken über meine Unterlippe. Ich konnte ihn noch immer spüren. Dieser verdammte Dracul.


Was ist unter Evas Baum wirklich passiert? Ist der Baum wirklich so bösartig oder hat Tristan diese Erinnerung herauf beschworen?

Welchen Gegenschlag plant Luzifer um die Grenzen der Hölle zu verteidigen?

Und warum hat Vlad auf einmal so reges Interesse an Ian?

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