Kapitel 29



Kapitel 29

Oben Tristan 

Tristan

Jax stützte mich als wir nach Mauritius zurück kehrten. Fraser's Männer hatten die Verwundeten nach Schottland zurück geschickt und die verbliebenen zurück gelassen um die Stellung zu halten in Rumänien.

Mein Vater eilte auf mich zu als wir auf dem Übungsplatz erschienen. Mit einem Blick stellte er das Ausmaß meiner Verletzungen fest und bedeutet Jax mich auf einer der Bänke ab zusetzen.

„Schön dich wieder zu sehen Sohn." knurrte er mich an und riss ohne viel Rücksicht das Hosenbein bis fast zur Hüfte an der äußeren Naht auf, um die Wunde an meinem Oberschenkel eingehend zu betrachten. Er fluchte unterdrückt und legte seine Hände rechts und links der Wunde auf. Meine Dämonen Kräfte konnten die Verletzung selber heilen nur würde es einige Zeit in Anspruch nehmen.

Reine pure Macht flutete meinen Körper und die Engelsmagie entfaltete ihren Zauber. Es war zu viel weiße Magie auf einmal für meinen Dämon und ich übergab mich hörbar, während der Zauber langsam abebbte.
War es die Angst eines besorgten Vaters oder eher die Wut eines gefallenen Engels, dessen Befehle ich wohl wissentlich ignoriert hatte. Aber Eins wusste ich definitiv, Luzifer verwendete mit Absicht zu viel Heilkraft. Obwohl er genau wusste das mein dämonisches Selbst mit so viel Heiligkeit nicht umgehen konnte. Und so konnte ich nicht aufhören mein Mageninneres hoch zu würgen, was im Endeffekt nur aus Alkohol bestand, um mich vor den Soldaten meines Vaters lächerlich zu machen.

„Weniger hätte es auch getan." brummte ich schwer atmend meinen Erzeuger an.

„Vargbisse müssen schnell geheilt werden, sonst infizieren sie sich. Die Orks füttern diese übellaunigen Kreaturen fast ausschließlich mit verrottenden Fleisch. Mit einer solchen Infektion hätte selbst dein Dämon schwer zu kämpfen." wies er mich tonlos mit knallharten Fakten zurecht.

„Du bist dir schon bewusst das ich unsterblich bin. Und meine Dämonenkräfte mehr als fähig sind mich selbst zu heilen." wütend wischte ich mit meinen Handrücken über meinen Mund. Ich spürte die nervösen Blicke der Soldaten auf uns.

Dann schnitt Vlads kalte Befehlsstimme durch das erdrückende Schweigen. Bis nur noch seine Aufforderung und das zunehmende Rauschen der Palmen zuhören waren. „Eure Übungen sind für heute beendet bringt eure Waffen in die Waffenkammer." Warum mussten wir uns auch direkt auf den Übungsplatz translozieren.

Darauf folgten schwere Schritte und das Murren erschöpfter Krieger, bis nur noch mein Vater und ich zurück blieben. Seine starke Hand legte sich in meinen Nacken und massierte routiniert die verspannten Muskeln. Ich wagte nicht zu ihm aufzublicken meine verschmutzten Stiefel waren viel interessanter. Warum fühlte ich mich als wäre ich der Schuldige und hätte Luzifer betrogen. Wenn ich doch die letzten Jahrhunderte damit verbrachte pflichtbewusst seine Befehle umzusetzen und einen Weg zu suchen Ian endlich aus Michaels Fängen zu befreien.

Wäre ich Damian nicht begegnet und wäre ich ihm nicht hoffnungslos verfallen. Das es schon fast an Besessenheit grenzte, ständen mein Vater und ich noch immer Schulter an Schulter.
Aber jetzt hatte ich sowohl Damian verloren als auch meine Lebensaufgabe. Ich fühlte mich nutzlos.

„Warum bist du nicht zurück gekehrt?" fragte Luzifer leise.

„Ich konnte einfach nicht. Nicht nach dem ..." ich holte tief Luft und presste die Handballen gegen meine geschlossenen Lieder. „... ich ihn aufgeben musste."

Nun war es endlich ausgesprochen und mein Vater begriff die tiefere Bedeutung hinter meinen  spärlichen Worten. Ich machte ihn für meinen Verlust verantwortlich.

„Tristan ich bedaure deinen Verlust zutiefst." seufzte er schwer und legte seine Hände auf meine Schultern. Plötzliche Anspannung überkam mich.

„Aber?" erwiderte ich auf der Hut.

„Du weißt selber, Michael hätte keine Ruhe gegeben bis er Damian wieder unter seiner Kontrolle hat." meinte mein Vater erschöpft als hätte er mir das offensichtliche bereits hundert Mal erklärt.

„Beantworte mir eine Frage warum hat er ihn nicht gesucht? Warum hat Michael ihn nicht eigenständig aus Helheim befreit?" meine Stimme troff vor aufgestauter Wut.

Geübte Daumen bohrten sich in meine verspannten Schultern und machten sich daran die verkrampften Muskeln zu lockern. „Gabriel berichtete mir bereits vor über einem Jahr das Damian spurlos verschwunden war mit zwei Wachen und Michael kurz davor stand dem Wahnsinn zu verfallen."

Meine Nackenhaare stellten sich bei diesen Worten auf. Hätte ich eher von Damians Martyrium erfahren, wäre es mir möglich gewesen ihn vor so viel Unheil zu bewahren. „Aber ich wusste nichts über Michaels Sohn." fuhr mein Vater fort. „Nicht einmal das er existierte, wenn ich geahnt hätte in welcher Verbindung er zu dir steht." er brach kopfschüttelnd ab.

„Aber Michael misstraut allem und jedem, er wäre nie so tief gesunken mich um Hilfe zu bitten. Und warum sollte  Ich ihm helfen nach allem was er meiner Familie angetan hat." meine Gedanken schweiften zu Uthred ab. Was hätte mein älterer Bruder an meiner Stelle getan? Und ich fühlte mich unsagbar beschämt das ich ihn mehr vermisste als Ian.

„Ich habe sie beide verraten. Ich habe Damian nicht gerettet sondern meine Familie über ihn gestellt. Und Ian mache ich dafür verantwortlich. Ich habe Angst ihn wieder zu sehen und was ich ihm für Abscheulichkeiten an den Kopf werfen könnte." ich vergrub mein Gesicht in meinen Blut verkrusteten Händen.

Ich hatte jede Person die mir wichtig war im Leben im Stich gelassen. Damian, Ian und ich stand nur tatenlos daneben als Uthred hingerichtet wurde.

„Du hast keinen verraten weder Damian noch Ian. Ich verstehe deine Zerrissenheit. Ich fühlte genauso nachdem ich und meine Verbündeten aus dem Himmel verbannt wurden. Wir verloren einfach alles, unser Zuhause, unsere Familien. Aber ich verlor auch die wichtigste Person in meinem Leben. Michael." mein Vater verstummte nachdem er diesen Namen kaum hörbar flüsterte.

„Wie meinst du das?" fragte ich verblüfft und sah das erste mal an diesem Tag meinem Vater ins Gesicht. Tränen schimmerten in seinen grünen Augen, die selben wie Ian.

„Damals war Michael mein Seelenverwandter, ich vertraute ihm jedes meiner Geheimnisse und meine tiefsten Sehnsüchte an. Wir waren unzertrennlich und kämpften Seite an Seite. Aber rückblickend waren wir nie im Gleichgewicht. Er verstand nie was ich wollte und interpretierte meine Aufmüpfigkeit als persönlichen Verrat an ihm. So machte er es zu seiner persönlichen Pflicht mich zu verbannen und mir den Großteil meiner Fähigkeiten zunehmen. Dann verfluchte er mich auf Gottes geheiß. Und ich stellte meine Entscheidungen in Frage. War es das wert?"

„Womit hat er dich verflucht?" fragte ich in den stürmischen Abend hinein.

„Das meine Nachkommen und ich im ewigen Unglück leben werden und nie wahres Glück erfahren können." sprach er als würde er ein längst vergessenes Gedicht rezitieren.

„Glaubst du daran?" fragte ich stirnrunzelnd. Michael besaß nicht eine solche Macht nur Gott allein konnte ein ganzes Leben und nachkommende Generationen verfluchen. Würde dieser gütige Gott einen solchen Fluch aussprechen?

„Du warst schon immer mein nachdenklichstes Kind und mit Abstand das intelligenteste Tristan. Nein ich glaube nicht das Michael dazu im Stande ist. Gott gibt keiner einzelnen Seele so viel Einfluss. Macht verdirbt den Charakter, nicht nur den der Sterblichen." fügte er  selbstsicher hinzu.

„Du solltest mit Ian sprechen." merkte mein Vater leise an.

Damian

Ich stand stocksteif hinter einem Alkoven verborgen und belauschte eine geflüsterte Unterhaltung zwischen meinem Vater und dem Engel Uriel. Ursprünglich versteckte ich mich nur hinter dem reich besticktem Gobelin um meinem Vater aus dem Weg zu gehen. Aber Uriel kam ihm mit rauschenden Gewändern entgegen und zwang ihn direkt vor meinem Versteck halt zu machen.

„Hast du einen Weg gefunden wie wir ihn aus Luzifers Anwesen entführen können?" zischte mein Vater seinen Vertrauten brüsk an.

„Nein mein Herr, Mauritius hat er zu einer Festung ausgebaut unsere Energie würde wie ein Leuchtfeuer für seine Wachen brennen." erwiderte Uriel schmeichelhaft. Den rotblonden Speichellecker fand ich schon mein ganzes Leben lang abstoßend. Mit seiner anbiedernden Art und der devoten Unterwürfigkeit schürte er eine natürliche Abneigung in mir, die ich nicht wirklich greifen konnte. Aber nach Elendors Betrug hatte ich gelernt auf mein Bauchgefühl zu hören.

Eben dieses Bauchgefühl zeigte mir von Anfang an, das eine starke Anziehung zwischen mir und Tristan herrschte. Auch wenn er mit seiner überbordenden Aggressivität zu Beginn nicht sehr zugänglich erschien. Aber auch der Dämon konnte sich dem überwältigenden Begehren nicht entziehen.

Der bloße Gedanke an den dunkelhaarigen Krieger trieb mir einen unsichtbaren Dolch in mein bereits blutendes Herz. Es schmerzte so sehr nur an ihn zu denken, mir seine tiefe Whiskystimme voranzustellen. Wie er mir leise Worte der Zuversicht ins Ohr flüsterte nach einem brutalem Alptraum. Ich vermisste ihn als hätte ich einen Teil meiner Seele verloren. Unvollständig beschrieb meinen Gemütszustand trefflich. Gabriel dachte ich hätte mit dem Trauma meiner Gefangenschaft zu kämpfen. Doch es war der Verlust Tristans der mich nicht schlafen ließ und ich verlor immer mehr die Hoffnung das ich ihn wieder sehen würde, selbst als Unsterblicher.

„Ich werde keine erneute Niederlage akzeptieren." knurrte mein Vater und riss mich aus meinen deprimierenden Gedanken. Wen wollte er entführen? Spürte er in welcher Beziehung ich zu Tristan stand? Ich hatte nichts über meinen Gefährten preisgegeben. Oder fand er doch einen Weg in meinen Kopf, um meine geheimsten Gedanken zu lesen?

„Herr irgendwann wird er unvorsichtig werden und seine neu gewonnene Freiheit ausleben." versuchte der zu kurz geratene Engel die aufkeimende Wut meines Vaters zu bezwingen. Das ergab keinen Sinn Tristan war immer frei gewesen und kämpfte mit den anderen Dämonen in unzähligen Schlachten.

„Ich will ihn zurück um jeden Preis." die Gier in seinen Worten erschreckte mich und ich bekam eine Ahnung von wem sie sprachen.

Tristan

Eine heiße Dusche spülte all den Schweiß und Dreck von meinem Körper. Aber das Gefühl des Versagens haftete weiterhin an mir und ich wusste ich musste es überkommen. Was heute in dem unwegsamen Wald im nirgendwo geschehen war, führte direkt auf meine Fahrlässigkeit zurück. Überheblichkeit und ein Gefühl der Unverwundbarkeit hatten mich unachtsam werden lassen und wäre Jax nicht in den Kampf eingeschritten wäre ich wohl einen Kopf kürzer.

Noch nass von der Dusche betrat ich mein angrenzendes Schlafzimmer. Mein Vater überredete mich die Nacht in seinem Anwesen zu verbringen und morgen gemeinsam zu essen. Ich wusste nicht ob ich überhaupt die Nacht hier verbringen konnte in dem selben Bett in dem ich zuletzt mit Damian geschlafen hatte.

Die Erinnerungen stürzten auf mich ein. Wie sich sein schlanker Körper gegen den meinen presste. Sein unverwechselbarer Duft stieg mit in die Nase. Und ich wollte nichts sehnlicheres tun als meinen Gefährten zu küssen und ihm sagen das er für mich meine ganze Welt war. Es war die dümmste Entscheidung meines Lebens ihn gehen zu lassen. Ich fuhr mir durch mein nasses Haar und holte tief Luft, hastig zog ich mir ein Sammelsurium von wahllosen Kleidungsstücken an und verließ die erstickende Stimmung meines Zimmers.

Das Haus wirkte wie ausgestorben, Niemand begegnete mir auf meinem Weg in die Küche. Ich betrat den angrenzenden Weinkeller auf der Suche nach etwas hochprozentigen das mich Traum los schlafen ließ. Beeindruckt musterte ich die unzähligen Weinflaschen die sich fein säuberlich an der Wand aufgereihten. Da erspähte ich einige Rum und Whiskyflaschen in einer Ecke. Tequila hätte ich bevorzugt, doch der teure Whisky würde es auch machen.

Ich kehrte in die Küche zurück und war nicht darauf vorbereitet meinem jüngeren Bruder zu begegnen. Wie angewurzelt blieb ich in dem Türrahmen stehen und starte ihn wie ein fremdes Fabelwesen an.
Ian wirkte so zerbrechlich in dem viel zu großen schwarzen Strickpullover der seinen langen Hals betonte.

Er schaute mich erschrocken an und erstarrte mitten in der Bewegung. Und was mich am meisten schockierte er besaß die selbe reine Aura wie Damian. Die eines gütigen Engels. Wie konnte das sein?

„Ian" krächzte ich ungläubig und stellte die Whiskyflasche vorsichtig auf die Arbeitsplatte bevor sie zu Bruch ging. Warum war ich so überrumpelt ihn zu sehen? Natürlich lebte er hier, das war sein Zuhause.

Dann machte er einen Satz nach vorn und schlang seine Arme fest um meine Mitte. Ich fühlte mich als würde ein Schraubstock mich in die Mangel nehmen. Meine anfängliche Scheu abschüttelnd, umarmte ich meinen nicht mehr ganz so kleinen Bruder. Überrascht stellte ich fest das er noch einige Zentimeter gewachsen war und fast so groß war wie ich. Fest presste ich ihn gegen meine bebende Brust und inhalierte tief seine einzigartigen Duft, der so rein über mich hinweg wusch wie ein unschuldiger Tau benetzter Morgen.

„Danke Tristan." wisperte er kaum hörbar in meine Schulter. Und eine Welle der Liebe übermannte mich als ich endlich das letzte fehlende Stück Familie in meinen Armen hielt.

„Es tut mir leid Ian, das ich dich im Stich gelassen habe." flüsterte ich heiser. Und ließ meine Finger durch seinen wilden Wasserstoffblonden Schopf fahren.

„Nein." er schüttelte den Kopf, aber verbarg sein Gesicht noch immer an meinem Hals. „Es ist schwer genug für den Verlust eines Bruders verantwortlich zu sein. Ich bin so froh das wenigstens du überlebt hast." ein herzzerreißender Seufzer kam über seine Lippen und ich spürte wie seine Tränen durch den Stoff meines Shirts sickerten und meine Haut benetzten. Ich gab ihm einen Moment sich zu sammeln und unser unverhofftes aufeinandertreffen zu begreifen.

„Ian schau mich an." versuchte ich ihn sanft zum aufblicken zu ermutigen. Nach einigem Zögern schaute er mir in die Augen. Zärtlich streichelte ich ihm mit den Knöcheln über die Tränen feuchte Wange. Ich betrachtete ihn eingehend, nach so vielen Jahren des Hoffen und Bangen, fiel eine Last von meinen Schultern die ich bis dahin nicht gespürt hatte.

„Du musst dir selbst vergeben kleiner Bruder. Es ist so viel Zeit vergangen, wir waren damals völlig andere Geschöpfe. Wenn ich könnte würde ich so vieles anders machen. Aber eins sollst du wissen ich vergebe dir und bin froh das du endlich sicher zurück gekehrt bist." wo diese plötzliche Welle der Zuneigung her kam wusste ich nicht. Aber ich sprach mit tiefster Ehrlichkeit aus, was ich in meinem geschundenen Herz fühlte.

Ian rang sich ein zaghaftes Lächeln ab und umarmte mich erneut. „Danke großer Bruder für alles. Vater hat mir erklärt was es dich gekostet hat."

Ich verspannte mich bei seinen Worten und die Sehnsucht nach meinem Gefährten drohte mich zu übermannen. „Ist Damian sicher im Himmelreich?" fragte ich mit rauer Stimme.

„Ja, Michael wird ihm kein Haar krümmen." er holte zittrig Luft und trat einen Schritt zurück. „Zumindest körperlich wird ihm nichts geschehen. Aber für seine Seele kann ich nicht bürgen. Sein Vater ist ein sehr strikter Herrscher der keinerlei Aufmüpfigkeit zulässt. Er hat Damian schon immer von allen abgeschottet, kein Wunder das er bei der erst besten Möglichkeit geflohen ist."

„Besteht denn Hoffnung in das Himmelreich einzudringen?" fragte ich mit neu entfachtem Eifer.

„Tristan deine dämonische Signatur wird nie ihre Barrieren überwinden." sprach er sanft und erstickte meine aufkeimende Euphorie.

„Und wie konntest du so lange hinter ihrem Schutzwall leben?" fragte ich skeptisch. Schließlich war er der Sohn unseres Vaters. Einem verstoßenen Erzengel.

Ian senkte den Blick und lehnte sich mit der Hüfte gegen die Arbeitsplatte. „Ich bin da oben meiner Mutter begegnet. Wusstest du das sie ein Schutzengel ist?"

Viele Offenbarungen sind hier ans Licht gekommen.

Was denkt ihr über das Gespräch was Damian zwischen seinem Vater und Uriel belauscht hat?

Und was denkt ihr über die Versöhnung der beiden so ungleichen Brüder?

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