Kapitel 22
Kapitel 22
Oben Tristan / Bad Omens „Just Pretend"
Damian
„Wer ist das Tristan?" fragte ich tonlos. Ich wusste genau wer der große majestätische Mann war. Hatte ich doch unzählige Geschichten über seinen Sturz gehört. Der Antichrist. Das personifizierte Böse. Der Verräter. Der gefallene Erzengel. Und nun schlug ich ein neues Kapitel im tragischen Buch von Luzifer Morgenstern auf.
Er war Tristans Vater.
Warum fühlte ich mich so betrogen? Ich konnte Tristan von Anfang an nicht haben. Warum spielte es überhaupt eine Rolle welchem Stammbaum er entspross? Weil er der Sohn des Erzrivalen deines Vaters ist.
Und so ertrank ich in der Wahrheit. Von vornherein hatte es nie Hoffnung für Uns gegeben. Aber diese Erkenntnis versetzte jedem aufkeimenden Gefühl zwischen uns den Todesstoß. Die Zuversicht einmal in meinem Leben einer Seele zu begegnen die sich nur für mich interessierte. Nicht für meine Herkunft, mein Erbe. Sondern einzig und allein für mich. Das wurde im Hier und Jetzt im Keim erstickt.
Warum gewährte mir Gott nicht Einmal in meinem Leben die Gnade Jemanden für mich zu beanspruchen. Warum gab er mir eine kleine Kostprobe von Zuneigung. Um sie mir im nächsten Moment aus klammen Fingern zu entreißen. Ich war es leid der Spielball von Intrigen zu sein die meinen Horizont überschritten.
Verzweifelt lehnte ich meine Stirn gegen Tristans breite Brust. Lauschte ein letztes Mal seinem starken Herzschlag. Und nahm Abschied von dem was zwischen uns hätte sein können. Seine schwielige Hand legte sich glühend heiß in meinen Nacken. Die andere beschützend um meine Taille.
„Hör auf damit. Ich kann praktisch hören was dir gerade durch den Kopf geht." flüsterte er beschwörend in mein Haar. „Lern meinen Vater kennen. Mach dir ein eigenes Bild von ihm." seine Stimme wurde immer flehender.
„Warum hast du es mir nicht gesagt?" Meine Worte klangen so bitter.
„Weil ich wollte das du mich kennenlernst und keine voreiligen Schlüsse wegen meines Namen ziehst." Er nahm mein Gesicht in beide Hände, zwang mich ihn anzuschauen. „Hättest du mir überhaupt eine Chance gegeben? Wenn du meinen vollständigen Namen gekannt hättest?"
Ich konnte nicht in Worte fassen warum sich mein Herz so schwer anfühlte. Krampfhaft versuchte ich meine strauchelnden Gedanken in einen vernünftigen Satz zu fassen, doch nichts kam über meine bebenden Lippen. Bei Gott ich wollte ihn so sehr das es schmerzte. Ich wollte in seinen Augen versinken, bis das flüssige Gold über mir zusammen schlug. Doch konnte ich bereits die dröhnende Stimme meines Vaters hören. Der erhabenste Erzengel von allen. Und sein einziger Nachkomme fiel für den Sohn des Teufels. Welch eine makabere Fügung des Schicksal. Eine Sünde von unbekannten Ausmaß. Eine wunderschöne Sünde, genau das was man von Satan dem Verführer erwarten würde.
„Du warst zu gut um wahr zu sein." erwiderte ich resigniert und entzog mich seinem liebevollen Griff.
„Damian..." sagte er erschöpft.
Wütend drehte ich mich zu ihm um. „Was denkst du wird mein Vater mit dir tun, wenn er heraus findet das ich buchstäblich bei dir gelebt habe und Gott weis was mit dir getan habe. Er wird dich nicht fragen ob etwas zwischen uns vorgefallen ist. Mein Vater wird dich bei lebendigem Leib häuten. Nur für die bloße Vermutung du könntest mich unsittlich berührt haben. Das hier darf nicht sein! Hast Du vergessen was er mit deinem Bruder getan hat?" ich schrie ihn an damit er endlich die Tragweite begriff. „Warum hast du mir nicht von Anfang an gesagt wer du bist?"
„Hast du denn mit offenen Karten gespielt?"gab er tonlos zurück. Er sah so verdammt erschöpft aus. Von oben bis unten mit Blut besudelt. Durch geschwitzt vom Kampf.
„Du hättest es mir sagen müssen nach Johns Geständnis. Du hast es gewusst und diese Posse weiter gespielt. Wolltest du mich demütigen? Sollte ich für deine Brüder bezahlen?" die Verzweiflung machte mich so wütend.
„Denkst du das wirklich von mir? Das ich dich vorgeführt habe?" Tristans Stimme wurde immer leiser bis er die letzten Silben zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor knurrte. Verunsichert trat ich ein paar Schritte zurück. Drohend ging er auf mich zu. Luzifer packte ihn an der rechten Schulter.
„Tristan wir müssen mit einander reden." dabei schaute mich der Herr der Hölle das erste Mal richtig an. Und ich war erschüttert wie ähnlich er meinem Vater sah.
„Nicht jetzt." blaffte Tristan ungehalten seinen Vater an. „Erst kläre ich meine Differenzen bevor ich mich mit dem Rest der Welt befasse."
„Sag nichts unüberlegtes was du später bereust." sprach Luzifer besorgt. Die Sorge galt seinem Sohn nicht mir. Diese kleine Geste sagte so viel über ihr Verhältnis zueinander aus. Es war die reine Fürsorge eines Elternteils für einen geliebten Sohn. Aber er drang nicht zu ihm durch. Der dunkelhaarige Dämon war mit drei großen Schritten bei mir, packte mich schmerzhaft am Oberarm. Und translozierte uns in ein mir unbekanntes Zimmer.
Durch die geöffneten Terrassentüren konnte ich noch immer das Blumenmeer des Gartens sehen. Eine sanfte Brise strich durch den großen Raum und umhüllte mich mit einem zarten Jasminduft. Er gab mich frei und riss sich wütend den ledernen Brustharnisch vom Leib. Unbeachtet landete der schwere Schutz in einer Ecke gefolgt von dem langarmigen Shirt was er darunter trug. Tristans Blick begegnete mir und seine Augen waren pechschwarz. Dann zog er einen langen Dolch aus seinem Gürtel und kam drohend mit bis zum zerreißen angespannten Muskeln auf mich zu.
Entsetzt wich ich zurück, aber ich saß in der Falle. Er hatte mich in eine ausweglose Ecke manövriert. Hatte ich mich wirklich so in ihm getäuscht? Wozu das alles? War ich wirklich so naiv das ich mir seine Zuneigung nur eingebildet hatte. „Tristan..." sagte ich seinen Namen unsicher, mit zittriger Stimme.
Dann drehte er den tödlichen Dolch und reichte mir den fein ziselierten Elfenbeingriff. „Nimm das Messer und beende diese Farce zwischen uns. Ramm es in mein Herz, ich werde keinen Widerstand leisten." seine Worte waren ruhig und kontrolliert. Aber in seinen schwarzen Augen brannte ein unbändiges Feuer.
Ungläubig schüttelte ich den Kopf. „Nein. Warum sollte ich das tun?"
„Weil ich mit deinem Misstrauen nicht leben kann. Egal was ich sage oder tu. Du siehst nur noch meinen Namen nicht meine Taten." Er zwang den Griff in meine Hand, dann packte er brutal mein Handgelenk und richtete die Rasiermesser scharfe Klinge gegen seine Brust. Meine Knochen ächzten so fest war der Druck seiner schwieligen Finger. Ich versuchte mich ihm zu entziehen, nichts lag mir ferner als den Dämon zu verletzen. Durch unser Gerangel, verletzte die Spitze des Messers die Haut knapp oberhalb seines Herzens.
„Nein" keuchte ich entsetzt auf, meine erschlafften Finger ließen die Waffe mit einem lauten Klirren auf den gefliesten Boden fallen. Hastig presste ich meine Hand gegen die Wunde. Verzweifelt versuchte ich das Blut zu stoppen. Aber es rann mir den Unterarm hinab. „Nein, nein nein. Das wollte ich nicht." panisch drückte ich fester auf die Stichwunde. Betete inbrünstig darum die Zeit zurück zu drehen. Meine Reaktion war völlig irrational, die Wunde war nicht tief. Aber ich konnte dem Anblick seines Blutes das durch meine Hand vergossen wurde nicht Stand halten. Und plötzlich schoss glühende Hitze durch meine Fingerspitzen. Tristans Augen weiteten sich verblüfft und ein Schaudern überlief ihn. Seine Haut glühte noch einen Wimpernschlag lang an der Stelle wo der Schnitt noch bis vor wenigen Sekunden geklafft hatte. Dann war sie wieder perfekt eben und Sonnengebräunt.
Ungläubig blickte ich zu dem großen Krieger auf. „Was war das?" fragte ich ehrfürchtig. „Magie eines Erzengels." antwortete er mit rauer Stimme.
„Es tut mir leid." hauchte ich kaum hörbar und nahm einige Schritte Abstand. Ich lies mich an der weißen Wand herab gleiten und umschlag meine Knie. Tristan ließ resigniert den Kopf hängen und wandt sich von mir ab. Dann hörte ich das Rauschen der Dusche. Die ganze Situation war ausweglos, ich musste ihn begreiflich machen das es keine Gefühle zwischen uns geben durfte und zwar zu seinem eigenen Schutz.
Mein Kopf fühlte sich wie leer gefegt an. Mental war ich völlig erschöpft als hätte ich selbst eine Schlacht geschlagen. Das Geräusch des Wassers versiegte, Tristan kam nur mit einem Handtuch bekleidet aus dem Badezimmer. Schnell streifte er sich ein paar Sachen über und ich konnte meinen Blick nicht von seinen gestählten Rücken abwenden. Er erwischte mich wie ich ihn schamlos musterte. Röte stieg mir die Wangen empor.
„Und du glaubst wir können das einfach beenden." sagte er mit einer spöttisch gehobenen Braue. „Wir sollten mit meinem Vater reden. Das hier führt zu nichts." er deutete halbherzig zwischen uns.
*
Ich fand mich in einer beeindruckenden Bibliothek wieder. Verblüfft drehte ich mich um meine eigene Achse und versuchte die vielen verschiedenen Buchtitel zu lesen. Sonnenlicht flutete durch die großen Fenster und tauchten den Raum in das warme Licht des Nachmittags. Eine tiefe autoritäre Stimme räusperte sich hinter mir. Für einen kurzen Moment hatte ich vergessen wo ich war. Ich betrachtete den beeindruckenden Mann verhalten, er war meinem eigenen Vater so ähnlich. Sie trugen fast die selben aristokratischen Züge, nur wo das Haar meines Vaters fast weißblond war und ihm bis auf den Rücken fiel. Waren Luzifers Strähnen kinnlang und von einem dreckigen Blond. Er wirkte wesentlich zugänglicher als mein distanzierter Vater der sich immer mit einer Aura der Unnahbarkeit umgab.
Freundlich lächelnd kam er auf mich zu und streckte mir eine perfekt manikürte Hand entgegen. Ein krasser Kontrast zu Tristans schwieligen Pranken die fast jeden Tag eine Waffe führten. Ich warf dem grimmigen Krieger einen unsicheren Blick zu. Doch Tristan verschränkte nur stoisch die Arme vor der Brust und enthielt sich jeglichen Kommentars.
Zögerlich schüttelte ich die Hand von Luzifer Morgenstern. Ich weiß nicht was ich erwartet hatte. Wohlmöglich das mich augenblicklich der Blitz traf.
„Es ist mir eine Freude dich kennenzulernen Damian." begrüßte er mich herzlich.
Ich erwiderte sein ansteckendes Lächeln, doch wusste ich beim besten Willen nicht was ich sagen sollte.
„Nun, ich bin natürlich über die Umstände unter denen wir uns begegnen betrübt. Mein Sohn berichtete mir von deiner Gefangenschaft. Hätte ich davon eher erfahren, wären dir meine Männer zur Hilfe geeilt. Hel hat mit ihrem rücksichtslosen Handeln so viele Abkommen gebrochen. Und das wird Vergeltung nach sich ziehen." Ich sah nichts als wahre Anteilnahme in seinen grünen Augen.
„Sie wird dafür sterben. Göttin hin oder." brummte Tristan abfällig
„Sohn ich kann deinen Unmut nachvollziehen. Aber das ist nicht so einfach. Wir können uns im Moment keinen Krieg mit Helheim leisten." erwiderte Luzifer nachsichtig.
„Und das sie nordische Truppen in einen christlichen Staat geschickt hat, welchen wir als unser Hoheitsgebiet beanspruchen, ist kein kriegerischer Akt?" fragte Tristan provozierend und ich sah wie der Muskel in seinem Kiefer zuckte.
„Das werde ich mit Michael erörtern müssen. Und du wirst keine voreiligen Handlungen vornehmen." entschied er bestimmt. Er wandte sich erneut mit zu.
„Damian ich habe mich mit Gabriel getroffen und ihm deine Wache übergeben. Damit dein Vater die Wahrheit erfährt, das du gegen deine Willen entführt wurdest." mir drehte sich bei seinen einfühlsamen Worten der Magen um. Was würde John meinem Vater erzählen. Das mich Hel unablässig gefoltert hatte. Das ich als Lustknabe ihrem Hauptmann diente. Wusste John all diese grausamen Details? Mir wurde schwindelig bei dem bloßen Gedanken daran wie sehr mich mein Vater für meine Schwäche verabscheuen würde.
Halt suchend griff ich nach der Lehne eines schlichten Stuhls. Tristan war sofort an meiner Seite und half mir mich hinzusetzen. Er kniete sich vor mich und nahm meine eiskalten Finger in seine warmen Hände. Über seine Schulter hinweg sah ich den überraschten Blick seines Vater. Luzifer betrachtete eingehend unsere ineinander verschränkten Hände. Erkenntnis spiegelte sich in seinen smaragdgrünen Augen und er eilte zu einem Bücherstapel auf einem schweren Holztisch. Der so viele Dellen und Furchen aufwies, die nur Jahrhunderte verursachten. Hektisch blätterte er durch mehrere Bücher.
„Was wird John meinem Vater erzählen? Welche Lügen wird er ihm auftischen Tristan?" flüsterte ich während mir das Herz bis zum Hals schlug.
„Ich glaube nicht das er überhaupt die Chance bekommen wird irgendetwas zu erzählen. Vlad hat ihn einer Spezialbehandlung unterzogen. Und ich bezweifle das dein Vater weniger nett ist." Sprach er ruhig auf mich ein.
Unschlüssig blickte ich in seine noch immer schwarzen Augen. „Ich habe Angst zurück zu kehren." gestand ich leise und lies die Lieder sinken. Trotzdem fühlte es sich gut an die Wahrheit auszusprechen. Ich wollte nicht in die unterkühlte sterile Atmosphäre meines Heims zurück, nicht nachdem Tristan dieses Feuer in mir entfacht hatte. Sacht legte ich meine zitternde Hand an seine Wange.
Luzifer unterbrach uns und legte mir einen schweren Folianten in den Schoß. Eine wunderschön illustrierte Seite war auf geschlagen. In der rechten oberen Ecke war ein blonder strahlender Engel zusehen der seine Hand nach einem dunkelhaarigen Krieger ausstreckte. Der Soldat blickte mit pechschwarzen Augen zu dem sanften Engel empor und reichte ihm ebenfalls die Hand. Vorsichtig streiften meine Fingerspitzen die brüchigen Kanten der fragilen Seiten. Dann lass ich die verschlungenen Worte.
Einst wird die Tugend die Sünde finden. Beide Sprössling eines Erzengels. Der eine schillernd hoch im Himmelreich, der Andere tief gefallen in Ungnade zu seinem Schöpfer. Ihre Kinder werden das zerrissene Band neu knüpfen mit Liebe und Hingabe...
Was für eine Gefühlsachterbahn. Was sagt ihr zu dem Streit zwischen Tristan und Damian? Was bedeutet diese Prophezeiung?
Ich bin auf eure Kommentare gespannt.
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